Leo Bauer

Leopold Bauer (* 18. Dezember 1912 in Skalat, Ostgalizien, Österreich-Ungarn; † 18. September 1972 in Bonn; Pseudonym Rudolf Katz) war ein deutscher Politiker (KPD, SED, SPD) und Berater Willy Brandts.

Weimarer Republik und Zeit des Nationalsozialismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits mit 16 Jahren trat Leo Bauer, der aus einer jüdischen Kaufmannsfamilie stammte, 1928 in die SPD ein. 1931 wechselte er zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands und 1932 zur KPD. Nach dem Abitur begann er ein Studium der Nationalökonomie und Rechtswissenschaft an der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität, wurde aber nach der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 seiner jüdischen Herkunft wegen vom Studium ausgeschlossen.

Im gleichen Jahr wurde er für mehrere Monate verhaftet und emigrierte anschließend nach Frankreich. 1936 bis 1939 arbeitete er als beigeordneter Sekretär des Hohen Kommissars des Völkerbundes für Flüchtlingswesen. 1938/39 war er in Prag unter dem Pseudonym Rudolf Katz maßgeblich beteiligt an der Evakuierungsaktion von KPD-Kadern nach Großbritannien. 1939 wurde er in Frankreich verhaftet und lebte bis zum Waffenstillstand im Juni 1940 in Internierungslagern. Da er auf der Auslieferungsliste stand, flüchtete er 1940 in die Schweiz. Im September 1942 nahm er über Noel H. Field Kontakte zum Office of Strategic Services (OSS) der USA auf. Im Oktober 1942 wurde er wegen seines illegalen Aufenthaltes und unter Spionageverdacht sowie wegen seiner Tätigkeit für die kommunistische Partei verhaftet und zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Er verbrachte 19 Monate Haft im Gefängnis St. Antoine in Genf und anschließend bis 1944 im Internierungslager. Anschließend war er Mitarbeiter der Bewegung Freies Deutschland und deren Leiter in der Region Westschweiz, Verbindungsmann zur illegalen Partei der Arbeit der Schweiz und Sekretär der KP-nahen Hilfsorganisation Centrale Sanitaire Suisse.

Landespolitik in Hessen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1945 kehrte er nach Deutschland zurück. Er wurde 1945 bis 1949 Mitglied der Landesleitung der KPD Hessen. Seine Partei benannte ihn als Mitglied des ernannten Beratenden Landesausschusses, dem er vom 26. Februar 1946 bis zum 14. Juli 1946 als Vorsitzender der KPD-Fraktion angehörte. Anschließend wurde er in die Verfassungberatende Landesversammlung (Groß-Hessen) gewählt, wo er vom 15. Juli 1946 bis zum 30. November 1946 als Fraktionsvorsitzender der KPD und Vizepräsident der Landesversammlung amtierte. Für seine Fraktion unterzeichnete er die Verfassung des Landes Hessen.

In der ersten Wahlperiode des Hessischen Landtags vom 1. Dezember 1946 bis zum 30. Juni 1949 gehörte er dem Landtag als Vorsitzender der KPD-Landtagsfraktion an. Nach seinem Ausscheiden übernahm Ludwig Keil seine Aufgaben.

Leo Bauer war freier Mitarbeiter der Frankfurter Rundschau und Herausgeber der Zeitschrift Wissen und Tat.

Verurteilung durch ein sowjetisches Militärgericht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die SED berief Leo Bauer 1949 nach Ost-Berlin. Er wurde Chefredakteur des Deutschlandsenders und trat in die SED ein. Zudem war er Informant des sowjetischen Geheimdienstes.[1] Dort fiel er ein Jahr später einer politischen Säuberung im Rahmen der Noel-Field-Affäre zum Opfer. Am 23. August 1950 verhaftete ihn das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) und die SED schloss ihn am 1. September 1950 gemeinsam mit Paul Merker und vielen anderen aus. Vom MfS der sowjetischen Geheimpolizei MGB übergeben, verurteilte ihn und Erica Wallach ein sowjetisches Militärgericht in einem Geheimprozess am 28. Mai 1952 als „US-Spionezum Tode. Im Gegensatz zu vielen anderen Opfern der Noel-Field-Kampagne wurde Leo Bauer nicht hingerichtet, sondern 1953 zu 25 Jahren Lagerhaft in Sibirien begnadigt.

1990 wurde Leo Bauer in Bezug auf den Parteiausschluss von der PDS rehabilitiert.[2]

Berater Willy Brandts[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1955 wurde er aus der Lagerhaft entlassen und in die Bundesrepublik Deutschland abgeschoben. Hier trat Leo Bauer der SPD bei und arbeitete als Journalist. Er war politischer Redakteur des Stern und seit 1968 Chefredakteur der SPD-Zweimonatsschrift Die Neue Gesellschaft.

In den 1960er Jahren wirkte er als Berater von Willy Brandt. Er lebte in Oberursel.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Klaus Jochen Arnold: Rückkehr nach Sibirien oder die Macht. Das Schicksal des KPD-Funktionärs, SPD-Politikers und Journalisten Leo Bauer. In: Markus Behmer (Hrsg.): Deutsche Publizistik im Exil 1933 bis 1945 : Personen, Positionen, Perspektiven ; Festschrift für Ursula E. Koch. Münster : Lit, 2000, S. 331–353
  • Gerhard Beier: Arbeiterbewegung in Hessen. Zur Geschichte der hessischen Arbeiterbewegung durch einhundertfünfzig Jahre (1834–1984). Insel, Frankfurt am Main 1984, ISBN 3-458-14213-4, S. 366–367.
  • Karin Hartewig, Bernd-Rainer BarthBauer, Leo. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
  • Jochen Lengemann: Das Hessen-Parlament 1946–1986. Biographisches Handbuch des Beratenden Landesausschusses, der Verfassungsberatenden Landesversammlung und des Hessischen Landtags (1.–11. Wahlperiode). Hrsg.: Präsident des Hessischen Landtags. Insel-Verlag, Frankfurt am Main 1986, ISBN 3-458-14330-0, S. 204–205 (hessen.de [PDF; 12,4 MB]).
  • Jochen Lengemann: MdL Hessen. 1808–1996. Biographischer Index (= Politische und parlamentarische Geschichte des Landes Hessen. Bd. 14 = Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Hessen. Bd. 48, 7). Elwert, Marburg 1996, ISBN 3-7708-1071-6, S. 62–63.
  • „… der Demokratie entgegen“: Die Sitzungsprotokolle des Beratenden Landesausschusses von Groß-Hessen im Jahr 1946. Eine Dokumentation. Bearbeitet von Bernhard Parisius und Jutta Scholl-Seibert. Wiesbaden 1999, ISBN 3-930221-05-5, S. 31.
  • Otto Renkhoff: Nassauische Biographie. Kurzbiographien aus 13 Jahrhunderten. 2. Auflage. Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 1992. ISBN 3-922244-90-4, S. 33, Nr. 184.
  • Klaus G. Saur: Bauer, Leo(pold). In: Karin Peter, Gabriele Bartelt-Kircher, Anita Schröder (Hrsg.): Zeitungen und andere Drucksachen. Die Bestände des Dortmunder Instituts für Zeitungsforschung als Quelle und Gegenstand der Forschung. Klartext-Verlag, Essen 2014, ISBN 978-3-8375-1015-7, S. 442.
  • Manfred Wilke in: Hans-Joachim Veen (Hrsg.): Lexikon Opposition und Widerstand in der SED-Diktatur. Propyläen, Berlin, München 2000, ISBN 3-549-07125-6, S. 63.
  • Schrecklicher Akzent. In: Der Spiegel. Nr. 17, 1970, S. 30 (online).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Jefferson Adams: Historical Dictionary of German Intelligence (= Historical Dictionaries of Intelligence and Counterintelligence. Band 11). Scarecrow Press, Lanham, Toronto und Plymouth 2009, ISBN 978-0-8108-5543-4, S. 24.
  2. Lothar Hornbogen: Politische Rehabilitierungen – Eine Lehre aus unserer Geschichte (Memento vom 4. April 2012 im Internet Archive).