Herwig Nachtmann
Beiträge
FORVM, No. 496-498

FORVM meets AULA

Juni
1995

Graz, 4. Mai 1995, Merangasse 13, Redaktion der AULA. Um 10.30 läuten wir an, um einen früheren Besuch Jürgen Hatzenbichlers in unserer Redaktion zu erwidern. Dahinter begann das nachfolgende Gespräch, das bis ca. 12 Uhr in einer nahen Kneipe gedauert hat. Unsre untige Meinung revozieren wir, ganz (...)

Herwig Nachtmann (* 4. August 1940 in Innsbruck) ist ein österreichischer Zeitungsverleger, Rechtsextremist und ehemaliger Proponent der Nationaldemokratischen Partei (NDP).[1] 1995 wurde Nachtmann wegen Veröffentlichung eines holocaustleugnenden Artikels zu einer Geldstrafe und einer bedingten Haftstrafe verurteilt.

Südtirol-Terrorismus und NDP[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den 1960er-Jahren hatte Nachtmann Kontakt zum Befreiungsausschuss Südtirol um Norbert Burger. In einem der sogenannten „Südtirol-Prozesse“ wurde Nachtmann 1970 in Florenz in Abwesenheit verurteilt.[2] In dieser Zeit war er zudem Proponent der später verbotenen Nationaldemokratischen Partei (NDP) in Österreich.[1] 1975 war er Leiter der NDP-Nachwuchsorganisation „Jungen Nationaldemokraten“ für den Bereich Tirol[3] und nahm 1981 als Angehöriger der „Kameradschaft der ehemaligen Südtiroler Freiheitskämpfer“ am Begräbnis des Hitler-Nachfolgers Karl Dönitz teil.[4] Bis 1991 war Nachtmann Mandatsträger in der vom Verfassungsschutz überwachten Hermann-Niermann-Stiftung.[2]

Aktionen gegen Kunstfreiheit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachtmann war Vorsitzender der Grazer „Bürgerinitiative gegen Religionsverhöhnung, öffentliche Perversität und Steuergeldverschwendung“[5] und protestierte vielfach öffentlich gegen seiner Meinung nach obszöne Kunst. So entleerte er 1981 aus Protest gegen eine Ausstellung von Hermann Nitsch eine Fuhre Mist vor dem Grazer Kulturhaus.[6] 1983 erreichte Nachtmann mit einer Klage die Beschlagnahmung von Herbert Achternbuschs Film „Das Gespenst“ nach Paragraph 36 Mediengesetz. Es handelte sich um die ersten Beschlagnahmungsfälle in Österreich nach der Verankerung der Freiheit der Kunst im Staatsgrundgesetz.[7]

Aula-Verlag[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anfang der 1990er-Jahre war Nachtmann Geschäftsführer des österreichischen Aula-Verlages und Chefredakteur der rechtsextremen Zeitschrift „Die Aula“. Als solcher verantwortete er 1994 die Veröffentlichung des Artikels „Naturgesetze gelten für Nazis und Antifaschisten“, in dem eine Holocaust leugnende Schrift von Walter Lüftl als „Meilenstein auf dem Weg zur Wahrheit“ bezeichnet wurde.[8] Der sogenannte „Lüftl-Report“, in dem die technische Durchführbarkeit des Holocaust bestritten wird, war 1992 im neonazistischen Journal of Historical Review veröffentlicht worden. 1995 wurde Nachtmann daher wegen Verstoßes gegen das Verbot der NS-Wiederbetätigung zu einer Geldstrafe von 240.000 Schilling und 10 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt. Das Land Steiermark und die FPÖ stellten als Folge des Prozesses ihre Förderung des Magazins ein. Das Oberste Gericht Österreichs lehnte 1996 eine Nichtigkeitsbeschwerde Nachtmanns ab, reduzierte jedoch die Strafe auf 192.000 Schilling und 8 Monate Haft. Ein Einspruch gegen die Verurteilung vor der Europäischen Kommission für Menschenrechte wurde 1998 abgewiesen.[9] Nach seiner Verurteilung gab Nachtmann den Chefredakteurs-Posten der „Aula“ auf, sein Nachfolger wurde Otto Scrinzi.

Deutsche Burschenschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nachtmann ist Alter Herr der Akademischen Burschenschaft Brixia Innsbruck, die vom Bundesinnenministerium 1995 als „Kaderschmiede nationaler und rechtsextremer Gesinnung“[10] eingestuft wurde und der er seit seiner Studienzeit angehört. Von 2005 bis 2008 war er gewählter Schriftleiter der Burschenschaftlichen Blätter, des Verbandsorgans der Deutschen Burschenschaft.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • DÖW (PDF; 1,6 MB),Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes – Funktionäre, Aktivisten und Ideologen der rechtsextremen Szene in Österreich

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Die Republik, Österreichisches Nationalinstitut, 1968, S. 14.
  2. a b Drucksache 13/185 des Deutschen Bundestages vom 10. Januar 1995 (Memento des Originals vom 6. Oktober 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/dip21.bundestag.de
  3. Herbert Dachs: Handbuch des politischen Systems Österreichs. Manz, 1992, S. 291.
  4. Gabriele Nandlinger: „Ehre, Freiheit, Vaterland!“ - Burschenschaften als Refugium für intellektuelle Rechtsextremisten. Dossier Rechtsextremismus, Bundeszentrale für politische Bildung, 23. April 2007.
  5. Brigitte Bailer-Galanda: Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus. Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes, 1993, S. 121.
  6. Christine Resch: Kunst als Skandal: der steirische Herbst und die öffentliche Erregung. Verlag für Gesellschaftskritik, 1994, S. 74ff.
  7. Gerhard Ruiss, Johannes Vyoral (Hrsg.): Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit. Der Freiheit ihre Grenzen? Zensurversuche und -modelle der Gegenwart. Wien, 1990. ISBN 978-3-900419-03-5.
  8. Die Aula, Ausgabe 7–8/1994, S. 15.
  9. Wortlaut der Erklärung der EKMR (PDF-Datei; 70 kB), dokumentiert durch das Österreichische Institut für Menschenrechte.
  10. Bundesministerium für Inneres, Gruppe C, Abteilung II/7: Rechtsextremismus in Österreich. Jahreslagebericht 1994. Wien 1995, S. 11.