Streifzüge, Heft 74

Medieninhaber und Herausgeber: Kritischer Kreis – Verein für gesellschaftliche Transformationskunde
Offenlegung: Der Medieninhaber ist zu 100 Prozent Eigentümer der Streifzüge und an keinen anderen Medienunternehmen beteiligt. Grundlegende Richtung: Kritik-Perspektive-Transformation
Redaktion (zugleich Mitglieder des Leitungsorgans des Medieninhabers): Lorenz Glatz, Severin Heilmann, Franz Schandl, Martin Scheuringer, Ricky Trang, Klaus Weichtier, Maria Wölflingseder, Petra Ziegler; Covergestaltung: Isalie Witt; Layout: Françoise Guiguet
Transformationsrat: Christoph Adam (Santiago de Compostela), Dora de la Vega (Cordoba, Argentinien), Peter Klein (Nürnberg), Paolo Lago (Verona), Neil Larsen (Davis, USA), Massimo Maggini (Livorno), Stefan Meretz (Berlin), Emmerich Nyikos (Mexiko-City), Erich Ribolits (Wien), Salih Selcuk (Istanbul), Gerburg Vermesy (Rimsting), Ulrich Weiß (Berlin)
Copyleft: Alle Artikel der Streifzüge unterliegen, sofern nicht anders gekennzeichnet, dem Copyleft-Prinzip: Sie dürfen frei verwendet, kopiert und weiterverbreitet werden unter Angabe von Autor/in, Titel und Quelle des Originals sowie Erhalt des Copylefts.
Druck: H. Schmitz, 1200 Wien

Einlauf Streifzüge 74 – HABEN

Die Ideologie des Habens gleicht einem Kanon. Alle singen ihn. Nach den Jahrhunderten von Herrschaft, insbesondere kapitalistischer Hegemonie, ist das Haben geradezu eingefleischter Ausdruck des Seins, des Selbstseins und des Selbstbewusstseins. Das Heft zum Haben, das nun vorliegt, setzt jedenfalls ein Kontra zur Forderung aller Lager, also gegen den klassenübergreifenden Konsens, der da lautet, auch und noch: Wir wollen mehr haben!
Wir haben schon genug, soviel uns auch abgeht. Einerseits (...)

Beitræge

Fakten, Fakten, Fakten – und nichts dahinter?

3

Seit Urzeiten ist den Menschen bewusst, dass die mit den fünf Sinnen zu erfassenden Phänomene, die ihnen in ihrer jeweiligen Lebenswelt begegnen, nicht das Ganze der Wirklichkeit sind, mit der sie zu rechnen haben. Jenseits der sichtbaren Welt gibt es eine unsichtbare Welt, die nur indirekt und (...)


Hüter des Habens

7

„Was haben Sie nur davon, noch mehr zu haben, als Sie haben?“ fragte ich ihn, vermutlich naiv, denn für Haben hatte ich mein Lebtag nie Verständnis gehabt. (Günther Anders, Ketzereien) Ist das Haben nicht eine dürftige Position? – Selbstverständlich. Bedürftig wie wir sind, wollen wir haben, eben weil (...)


2000 Zeichen abwärts

Glück haben

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Glück ist ein unglückliches Substantiv. Eins kann glücklich sein oder es kann auch etwas glücken, aber Glück haben? Welches Konto soll es wahren und bewahren? Welche Versicherung schützen und beschützen? Glücklich zu sein ist besser als Glück zu haben. Ersteres ist Zustand, Letzteres Zufall. Der (...)


Alfred J. Noll:

John Locke und das Eigentum

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Niemand hat „property“ so stark in den Mittelpunkt seiner Überlegungen gerückt wie John Locke (1632-1704). Und kaum jemand hat ihn wohl so akribisch rezipiert wie Alfred Noll. Man kann hier nachlesen, wie und dass Freiheit und Unfreiheit, Gleichheit und Ungleichheit zusammenpassen, warum das (...)


Haben, als hätte man nicht

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In seinem Vorwort zu der Aufsatzsammlung „Schulen helfen nicht“ („Celebration of Awareness“), die Ivan Illich 1969 erstmalig publizierte, schreibt Erich Fromm: „Weder diese Aufsätze noch ihr Verfasser bedürfen einer Einleitung. Wenn trotzdem Ivan Illich mir die Ehre erwiesen hat, mich um eine (...)


Immaterial World

Haben und Teilhaben

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Menschen sichern ihre Existenz, indem sie ihre Lebensbedingungen herstellen. Sie tun dies jedoch in der Regel nicht ad hoc, also wenn sie aktuell etwas brauchen, sondern vorsorgend für den Fall, etwas in der Zukunft brauchen zu können. Wer etwas braucht, greift auf mehr oder weniger lange zuvor (...)


Am Ende des Metabolismus

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Warum Leute reich werden und bleiben ist bereits hinlänglich gesagt. Brechts Diktum, dass Armut und privater Reichtum miteinander funktional verbunden sind, dass der private Reichtum Einzelner auf der relativen Verarmung der Vielen beruht, ist allgemein geläufig. Marx unterstrich, dass das (...)


Nichts haben und nichts sein

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Eigentlich tue ich wenig anderes, als zu konsumieren. Die Konsequenz davon ist, dass ich viel habe. Ich besitze einige tausend Dinge. Wahrscheinlich besitze ich sie genauso wenig wie die Bäume vor „meinen“ Fenstern, aber etwas in mir meint, sie gehören zu mir wie meine Zähne oder meine Nieren. (...)


Bleibt dann wohl nur das „Haben“

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Wenn es noch immer nichts wird mit einem geglückten „Sein“, dann kann man sich nur auf das „Haben“ stürzen und sich mit ein klein bißchen Luxus entschädigen. Das könnte ein schnoddriges Kurzrésumé von Erich Fromms Buch „Haben oder Sein“ abgeben, wenn es jemand nach vierzig Jahren erneut zur Hand nimmt. (...)


Dead Men Working

Wir Habe-Nichtse

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„Dem Armen zeigt die Welt ihr wahres Gesicht.“ Ein Zitat von Adolf Holl, jenem 88-jährigen Theologen, Soziologen und Publizisten, dem in den 1970er Jahren die Ausübung des Priesteramtes und die Lehrbefugnis wegen Unangepasstheit an die katholischen Dogmen entzogen wurden. Ja, wir Armen spüren (...)


Ding und Bedingung

23

Gehypte Bücher haben oft eines gemeinsam: Sie geben mehr an als her. Die menschliche Revolution, die Emanzipation der Gattung ist nicht mehr möglich über die personalisierende Enthüllung der herrschenden Klasse, die immer überwuchert wird von den Apparaten, die ihre Herrschaft aufrechterhalten; sie (...)


2000 Zeichen abwärts

Mangel und Fülle

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Mangel Morgens las ich in der 8-seitigen Beilage zum Thema „Einsamkeit“ des Kurier (4.11.2018), dass es vielen Menschen an zwischenmenschlichen Kontakten mangelt. Ältere genauso wie jüngere fürchten sich vor Isolation. Merkwürdig, wo doch alle rund um die Uhr in den digitalen sozialen Netzwerken (...)


Robo-Recruiting

28

Roboter und Computerprogramme dringen immer weiter in die industrielle Fertigung vor, schicken sich an, selbstständig Autos zu fahren, treffen automatisierte Investitionsentscheidungen an den Finanzmärkten und sollen zunehmend die Betreuung pflegebedürftiger Menschen unterstützen. Der neueste Trend (...)


Kategoriale Utopietheorie

30

Der folgende Text ist ein Auszug aus dem Buch „Kapitalismus aufheben. Eine Einladung, über Utopie und Transformation neu nachzudenken“, erschienen im VSA-Verlag. Das Buch ist online frei erhältlich unter [commonism.us->https://commonism.us. Sutterlütti und Meretz fassen Utopie in ihrem Buch als Raum (...)


Optimierung und Verwertung

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Um in der Ökonomie überleben zu können, müssen wir schneller, eifriger, umtriebiger, verschlagener, effektiver sein. Alle Kompetenzen sind diesen Imperativen unterzuordnen. Die Frage Was will ich? geht in der Frage Was muss ich? unter. Wir haben zu müssen. Darin liegt unsere Freiheit. Sich am Markt (...)


Vorschule der Dialektik

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moderiert und dann textlich destilliert von Hermann Engster Das Problem: Ich wollte herausfinden, ob Brechts Kindergedichte auch in der Schulpraxis funktionieren. Die Versuchsanordnung: drei Grundschulen in Göttingen, vier vierte Klassen an jeweiligen Terminen, Buben und Mädchen im Alter von (...)


Eine Menge Frust für ein Quäntchen Lust

39

Bei Begriffen, die im Alltag wie in der Wissenschaft eine lange und verschlungene Tradition haben, ist es manchmal durchaus fruchtbar, auf frühe Konzepte zurückzugehen. Im Falle der Lust auf Epikur, auf seine „negative“ Darstellung, dass Lust grundsätzlich die Abwesenheit von Schmerz bedeute, die (...)


Die Hochhausspringerin

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Dieser Roman spielt in einer Stadt in der nahen Zukunft. In ihr werden die Häuser zum Zentrum hin immer höher, die Wohnungen darin luxuriöser. Am Rand herrscht das nackte Elend. Dort leben die Minderleister. Wer von dort in die Stadt gelangen will, muss bei einer Casting-Show gewinnen. In der (...)


Auslauf

Nicht festhalten!

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Loslassen!? Bloß nicht loslassen! Eher noch macht unsereins den Klammeraffen, als mal was sausen zu lassen. Eine Gelegenheit zum Beispiel, die uns ganz unvermutet winkt. Was sich im warenproduzierenden Alltag eben so bietet. Eine Chance, eine echte Herausforderung, in die eins sich verbeißen (...)


Call for Papers 74

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Vorweg: Alle Themen sind willkommen, nicht nur Texte zum Schwerpunkt. Wer also etwas hat, das sie oder er gerne loswerden möchte und das auch in die Streifzüge passt, dann bitte nicht zu zögern. Die Nummer 74, unsere Herbst-Ausgabe 2018 dreht sich um die Habe und das HABEN Haben hat jedenfalls (...)


Streifzüge 74 zu „Haben“ erscheinen nächste Woche

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zum Inhaltsverzeichnis Peter Klein: Fakten, Fakten, Fakten – und nichts dahinter? Schwerpunkt: HABEN Franz Schandl: Hüter des Habens . Beiträge zur Zerlegung einer spezifischen Allgemeinheit Marianne Gronemeyer: Haben, als hätte man nicht . Das Abseits als wirtlicher Ort Nikolaus Dimmel: Am Ende (...)