Klaus Briegleb
Beiträge
Context XXI, Heft 8/2003 — 1/2004

„Wohlsein nach Schandtaten“

Der Antisemitismus der Gruppe 47
Dezember
2003

Wie deutsch waren die Stars der deutschen Nachkriegsliteratur? Als Ingeborg Bachmann 1952 in Niendorf an einer Tagung der Gruppe 47 teilnahm, notierte sie in ihr Tagebuch: „Am zweiten Abend wollte ich abreisen, weil ein Gespräch, dessen Voraussetzungen ich nicht kannte, mich plötzlich denken (...)

Klaus Briegleb (* 21. Januar 1932 in Peilau, Landkreis Reichenbach, Provinz Niederschlesien) ist ein deutscher Literaturwissenschaftler. Er ist Professor emeritus an der Universität Hamburg und Herausgeber der „Sämtlichen Schriften“ Heinrich Heines (Hanser Verlag, 1968–1976).

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Klaus Briegleb wurde 1962 an der Universität München mit einer Arbeit über Friedrich Schlegel promoviert und habilitierte sich 1970 mit einer Arbeit über Gotthold Ephraim Lessing. 1972 wurde er ordentlicher Professor in Hamburg. Er ist Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland. Briegleb ist einer der bedeutendsten Heine-Forscher und Herausgeber der kommentierten Hanser-Ausgabe von Heinrich Heines Sämtlichen Schriften (1968–1976), der meistverbreiteten Heine-Edition der Gegenwart. In seiner Monografie Bei den Wassern Babels. Heinrich Heine, jüdischer Schriftsteller in der Moderne beschreibt er Heine als genuin jüdischen Schriftsteller in der Diaspora, ja als einen „neuzeitlichen Marranen“, d. h. als einen „Getauften, der im Herzen jüdisch bleibt.“[1] Sein Interpretationsansatz, dass sämtliche Texte Heines in „marranischer Schreibweise“[2] verfasst worden seien, ist in der Fachwelt umstritten.[3]

Zu Brieglebs weiteren Forschungsschwerpunkten zählen die deutsche Literatur nach 1945, die politische Philologie und die antiautoritäre Literatur der 68er-Bewegung.

Mit seinem Buch Missachtung und Tabu. Eine Streitschrift über die Frage: "Wie antisemitisch war die Gruppe 47?" (2003) hat er das konventionelle Bild der Gruppe 47 aufgebrochen und eine intensive Debatte und anhaltende Forschung über die Haltung der Gruppe 47 gegenüber ihren jüdischen Mitgliedern initiiert. Im Zentrum steht „die Kontinuität antisemitischer Sicht- und Redeweisen von Angehörigen der Gruppe“.[4]

Nach seiner Emeritierung hat Briegleb an verschiedenen Spielstätten von ihm erarbeitete Collagen von Klassikern (Heine, Goethe) inszeniert.

Im Dezember 2017 berichtete die Süddeutsche Zeitung über einen privaten Briefwechsel aus den 1960er Jahren zwischen Briegleb und dem früheren, langjährigen Chef des Bundesnachrichtendienstes (BND) Reinhard Gehlen, in dem Briegleb sich für eine einmalige finanzielle Zuwendung Gehlens für die Publizierung von Brieglebs Dissertation bedankt. Briegleb wies auf seiner persönlichen Website darauf hin, dass die Hintergründe nicht politischer, sondern ausschließlich familiärer Art gewesen seien, und kritisierte den Tenor des SZ-Artikels, der – die Sachlage bewusst verkennend – den Druckkostenzuschuss Gehlens an den jungen Doktoranden Briegleb als befremdlich und kritikwürdig darstelle.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Editionen

  • (Hrsg.) Heinrich Heine, Sämtliche Schriften. München: Hanser, 1968–1976.
  • (Hrsg.) Heinrich Heine, Sämtliche Gedichte in zeitlicher Folge. Leipzig: Insel Verlag, 1993. ISBN 3-458-19175-5
  • (Hrsg.) Heinrich Heine, Neue Melodien spiel ich. Gedichte. Leipzig: Insel Verlag, 1997. ISBN 3-458-19175-5

Inszenierungen

  • "Getrommelte Tränen". Eine Heine-Liturgie in sieben Abschnitten. (UA 23. November 1997, am Gasteig München)
  • Die Heimkehr des jüdischen Dichterriesen. Eine Reise durch "Deutschland. Ein Wintermärchen." (UA: 2006, Literaturhaus Berlin)
  • Getaufte Dialoge für Stimmen, Klarinette und einen Vorleser, (UA 2008, Schloß Elmau)
  • Mephistos "Faust", Szenen für zwei Stimmen, Violoncello und Schlagzeug (Spielzeit 1999/2000, Deutsches Schauspielhaus Hamburg)

Monografien und Aufsätze

  • Ästhetische Sittlichkeit. Versuch über Friedrich Schlegels Systementwurf zur Begründung der Dichtungskritik. Tübingen: M. Niemeyer, 1962.
  • Lessings Anfänge, 1742–1746: zur Grundlegung kritischer Sprachdemokratie. Frankfurt a. M., Athenäum, [1971].
  • Literatur und Fahndung: 1978, ein Jahr Literaturwiss. konkret. Aufzeichnungen, München, Wien: Hanser 1979, ISBN 978-3-446-12838-5.
  • Opfer Heine? Versuch über Schriftzüge der Revolution, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, "Taschenbuch Wissenschaft", 1986. ISBN 3-518-28097-X
  • Unmittelbar zur Epoche des NS-Faschismus. Arbeiten zur politischen Philologie 1978–1988, Frankfurt a. M.: Suhrkamp ("Taschenbuch Wissenschaft"), 1989.
  • 1968. Literatur in der antiautoritären Bewegung, Frankfurt a. M.: Suhrkamp, 1993. ISBN 3-518-11669-X
  • Bei den Wassern Babels. Heinrich Heine, jüdischer Schriftsteller in der Moderne. München: Dt. Taschenbuch-Verl., 1997. ISBN 3-423-30648-3
  • Missachtung und Tabu. Eine Streitschrift über die Frage: "Wie antisemitisch war die Gruppe 47?". Berlin: Philo, 2003. ISBN 3-8257-0300-2

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Stephan Braese, Holger Gehle: Literaturwissenschaft und Literaturgeschichte nach dem Holocaust (über Saul Friedländer und Klaus Briegleb), in: Text und Kritik 144, Oktober 1999, S. 79–95.
  • Stephan Braese, Werner Irro (Hrsg.): Konterbande und Camouflage. Szenen aus der Vor- und Nachgeschichte von Heinrich Heines marranischer Schreibweise (Klaus Briegleb zum 70. Geburtstag), Berlin: Vorwerk 8, 2002.
  • Hans-Joachim Hahn: Leerstellen in der deutschen Gedenkkultur: Die Streitschriften von W. G. Sebald und Klaus Briegleb, in: German Life and Letters 57:4, October 2004.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Klaus Briegleb: Bei den Wassern Babels. Heinrich Heine, jüdischer Schriftsteller in der Moderne. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997, S. 56.
  2. Klaus Briegleb: Bei den Wassern Babels. Heinrich Heine, jüdischer Schriftsteller in der Moderne. Deutscher Taschenbuch Verlag, München 1997, S. 266.
  3. Vgl. Regina Grundmann: „Rabbi Faibisch, Was auf Hochdeutsch heißt Apollo“: Judentum, Dichtertum, Schlemihltum in Heinrich Heines Werk. Metzler, Stuttgart, Weimar 2008, S. 39 f.
  4. Zitiert nach Michael Schmidt: Mißachtung und Tabu. Eine Streitschrift zur Frage „Wie antisemitisch war die Gruppe 47?“. In: Arbitrium. Zeitschrift für Rezensionen zur germanistischen Literaturwissenschaft, Bd. 21, Heft 2, S. 247–248, doi:10.1515/ARBI.2003.247.