MOZ, Nummer 50
März
1990

 8. März — Internationaler Frauentag

Es ist jedoch zur Thatsache geworden, daß in einer Reihe von großen Kundgebungen unserer Partei, der Sozialdemokratie, wohl alle Mängel unserer politischen Zustände tefflich kritisiert wurden‚ der entwürdigenden Ausschließung der Frauen/von allen politischen Rechten mit keinem Wort gedacht wurde.

(Arbeiterinnenzeitung 1895)

Wenn die Frauen von Männerpositionen Besitz ergreifen wollen, dann müssen sich die Mädchen den Respekt, auf deutsch g’sagt, durch Leistung erzwingen, auf deutsch g’sagt. Die Mädchen müssen den Männern überlegen sein, auf deutsch g’sagt.

(Eine SP-Funktionärin 1985)

Es hätte sich also nichts verändet: die „Wiederkehr des ewig Gleichen“ für die Frauen und auch deren Bewußtsein — und die falsche Versöhnung der Fraueninteressen ins männliche Vorzeichen der Politik?

Nun, verfolgen wir in gebotener Kürze die Geschichte des 8.3., die ursprünglich mit der Forderung nach dem Wahlrecht für Frauen engstens verbunden war. 1893 fordert Adelheid Popp auf einer großen sozialdemokratischen Wahlrechtsveranstaltung das allgemeine Wahlrecht ohne Unterschied des Geschlechts. Doch im Gegensatz zur bereits vorhandenen programmatischen Verankerung desselben bei den Sozialdemokraten war diese Forderung im gleichen Maße eine Besonderheit, wie die Tatsache einer Frau am Rednerpult selbst. Den Frauen blieb nichts anderes übrig, als auf gesonderte Propaganda für das „Frauenwahlrecht“ zu setzen: Damit war die Trennung vom allgemeinen Wahlrecht vollzogen und wurde zum ‚Sonderinteresse‘.

O-Ton von Victor Adler auf dem Parteitag 1900: „... Ich würde es für viel klüger gehalten haben, wenn eine gesagt hätte: Wir sehen, in welcher Arbeit ihr steht, wir werden Euch helfen, ohne unseren speziellen Programmpunkt in den Vordergrund zu stellen.“

1905 schließlich übte sich die sozialdemokralische Frauenbewegung in Verzicht:

Wir sind, aber überzeugt, daß die von der politischen Knechtschaft befreiten Männer, die sieghaften Männer des Proletariats, die ersten Vorkämpfer für das gleiche Recht der Frauen sein werden.

Doch diese Entscheidung wurde weder von der bürgerlichen Frauenbewegung noch von den Sozialdemokratinnen in anderen Ländern als befürwortenswert befunden. Auf dem 2. Sozialistinnen-Kongreß 1910 in Kopenhagen wurde beschlossen: „Im Einvernehmen mit den klassenbewußten politischen und gewerkschaftlichen Organisationen des Proletariats in ihrem Lande veranstalten die sozialistischen Frauen aller Länder jedes Jahr einen Frauentag. Der Frauentag muß einen internationalen Charakter tragen und ist sorgfältig vorzubereiten.“ (Clara Zetkin, Käte Duncker und Genossinnen).

In Anlehnung an die ersten Arbeiterinnenstreiks in New York (8.3.1857) wurde der 19. März 1911 zum ersten „Ehrentag der Frauen“.

Sozialismus = Gleichberechtigung

Auch die amerikanischen Sozialistinnen schickten eine Grußbotschaft. Von da an war der Internationale Frauentag instituiert und gewann immer mehr an Zugkraft.

Auch während des Krieges wurden die Frauentage abgehalten, aber in weniger demonstrativer Weise — wurden doch die Veröffentlichungen staatlich zensuriert.

Erst als 1918 das herankommende Ende des Krieges und die zunehmende revolutionöre Spannung die Lüft erfüllen, beschloß das Frauenrechtskomitee, zum Frauentag wieder auf der Ringstraße aufzumarschieren. ... Die Genossinnen hatten beim Hin- und Rückmarsch ihren geschlossenen Zug, der etwa 3.000 Frauen umfaßte. Ebenso waren die Veranstaltungen des Frauentages in den Landeshauptstädten und in den Industrieorten gut gelungen.

Als es nach dem 1. Welikrieg zur Spaltung der internationalen Arbeiterbewegung kam, wirkte sich das auch auf die proletarische Frauenbewegung aus. Clara Zetkin schloß sich den Kommunistinnen an und initiierte die Tradierung des Frauentages auch dort. Auf der Frauenkonferenz 1921 in Moskau wurde der 8. März als Internationaler Frauentag festgelegt (wobei die Sozialistinnen diesem Beschluß nicht folgten).

Nachdem das Wahlrecht 1919 beschlossen war, standen in der 1. Republik vor allem soziale Fragen im Mittelpunkt: Mutterschutz, Arbeiterinnenschutz, Reform des § 144, Reform des Familienrechts und das Recht der Frau auf Arbeit.

Das heimische Glück

Ab 1931 ging es zunehmend um die Abwehr des Faschismus und die Verleidigung dert Republik.

Käthe leichter verfaßte 1932 folgende Aussage, die erst 1947 zur Veröffentlichung kam:

Und wir wissen, daß im Weltbild des Faschismus der Frau ein besonders niedriger Platz eingeräumt ist. Ein System, das Herrenmenschen züchtet, schafft auch eine Herrenmoral. Wiederum wird die Frau ins Haus zurückgebannt, zur dienenden Magd und zur bloßen Gebärmaschine.

Waren die (SP-)Frauentage nach ’45 aufbau- und friedensbetont, so ‚verdünnten‘ sich die Forderungen nach 1955 immer mehr in Richtung Mütterlichkeit und Familie. „Ein bißchen Wohlstand, ein bißchen Freude, ein bißchen Glück — was wollen wir mehr für unsere kleine Familie wie für die große Gemeinschaft unseres Volkes?“ (‚Die Frau‘, 1965) Bis zum Beginn der UNO-Frauendekade 1975, in deren Rahmen der 8. März endgültig zum Internationalen Frauentag bestimmt wurde, wurden die Frauentage von internationalen Krisenpolitiken geprägt (Vietnam, Griechenland). Die österreichischen Sozialistinnen blieben weiterhin auf ihrer Linie des anderen Termins, der Großveranstaltungen mit männlichen Rednern, Trachtengruppen etc.

Die AUF tritt auf

1977 begeht die internationale Frauenbewegung erstmals öffentlich den Frauentag mit einem Fest. Die Aktion unabhängiger Frauen (AUF) stellt sich in die Tradition von 1857, 1990/11. In einem ersten Flugblalt zum 8.3.1977 ist u.a. zu lesen: „Heute verweigere ich alle weiblichen Dienstleistungen — und den Beischlaf“.

1979 und ’80 gibt es in Wien zwei Demonstrationen: eine ‚traditionelle‘ (BDF, KPÖ und gewerkschaftlicher Linksblock — mit Männern) und eine der autonomen Frauen — ohne Männer.

Erste Aktionseinheitsgespräche scheitern, erste Spaltungen zum Thema „Zugeständnisse“ ereignen sich in der autonomen Frauenbewegung. Ab 1981 aber existiert eine Frauentagsplattform unter führender Funktion des ZA-Frauenreferates. Alljährlich wurde und wird in zählebigen Verhandlungen ein ‚Einheitsbreiflugblatt‘ (Stimme aus der autonomen Frauenbewegung) produziert, als kleinsten gemeinsamen Nenner von autonomen, sozialistischen, kommunistischen, katholischen, gewerkschaftlichen, hetero- und lesbischen Frauen, wobei die Radikalitäten ‚natürlich‘ geopfert werden. Der ehemalige „Pionierstatus“ ist der „Begehung“ des Frauentages gewichen. Doch wird zumindest einmal im Jahr die Kontinuität des separaten Arbeitens und Politisierens „in Sachen Frauenfrage“ präsentiert.

Nachdem sich das Wahlrecht (= Abgabe der Stimme; sic!} zum Recht auf die Wahl der Lebens- und Liebesformen entwickelt hat, ist aus der Selbstverständlichkeit der demonstrativen Teilnahme am internationalen Frauentag eine der wenigen politischen Traditionsformen für Frauen geworden.

Stellen Sie sich vor, es ist 8. März und 54% der österreichischen Bevölkerung sind auf der Straße.

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