Antiisraelischer Antirassismus
Was auf den ersten Blick als unvereinbar erscheint und doch möglich ist, soll im Folgenden dargelegt werden. Dass dabei der Antirassismus seinem Namen nicht gerecht wird, liegt auf der Hand.
Beim Kulturverein Kanafani sind laut Eigendefinition Leute aus den arabischen Ländern, der Türkei und aus Österreich „mit unterschiedlichen Weltanschauungen“ aktiv, um gegen institutionellen Rassismus aufzutreten. Der „Kampf der Kulturen“ wird abgelehnt und der „antiislamische“ und antiarabische Rassismus soll speziell bekämpft werden. Daraus wird ersichtlich, dass Ideologiekritik nicht zu den Themen des Vereins gehört. Doch ohne Kritik der christlichen, wie auch der islamischen „Kultur“ ist eine Zurückweisung des Huntington’schen Konzepts nicht machbar. Benannt wurde der Verein nach Ghassan Kanafani (1936-1972), einem palästinensischen Schriftsteller, Mitglied der PFLP und Verfasser von Erzählungen wie etwa „Das Land der traurigen Orangen“, „Bis wir zurückkehren“ und Kurzromanen wie etwa „Rückkehr nach Haifa“. Die Titel dieser „Vertriebenenliteratur“ sind selbstredend, der Stil ist, gelinde gesagt, schwülstig. Er wurde in Beirut durch eine Autobombe getötet.
Am 07.06.2003 präsentierte der Verein an der Uni Wien das Buch „Der Tod ist ein Geschenk“ von Raid Sabbah, einem gebürtigen Deutschen mit palästinensischen Vorfahren. In diesem, dem Todeskult huldigenden Werk findet sich ein in Jenin geführtes Interview mit einem potenziellen Selbstmordterroristen, dessen Name geändert wurde. Dieses in der Ich-Form geschriebene Buch ist aber nicht authentisch; es wurde aus vielen Biographien zusammengebastelt und beinhaltet Eindrücke des Autors und die Historie verfälschende Einschübe.
Auf der Buchpräsentation selbst wurde um Empathie für die Selbstmordattentäter geworben. Die Terroranschläge wurden vom Autor zwar abgelehnt (und ihr religiöser Inhalt bezweifelt), aber nur deshalb, weil „diese Leben sinnlos zerstört werden“. Die Legitimität der Anschläge stand für ihn und für das Publikum außer Zweifel. Die Diskussion danach bot fast die gesamte Palette an antizionistischen und antisemitischen Ressentiments. Die ÖsterreicherInnen müssen sich endlich von Schuldgefühlen gegenüber den Jüdinnen und Juden lösen, jammerte es aus dem Publikum. Die ahistorische Betrachtung des Nahost-Konflikts schlug sich unter anderem in einer Aussage aus dem Publikum, dass 1948 ein „friedliches Volk“ (d.h. die PalästinenserInnen) überfallen wurde, nieder. Das Westjordanland wurde mit dem Warschauer Ghetto verglichen, die „Auschwitz-Keule“ verhindere eine objektive Berichterstattung, usw., usf. Die Shoah wurde, wenig verwunderlich, in Frage gestellt und nach Widerspruch einer Frau, schwenkte der Zuhörer ein und relativierte nur mehr das Ausmaß!
Die Ideologie vom Djihad, dem der Interviewte angehörte, war kein Thema, um keine Kritik daran üben zu müssen. Vom Frieden wurde geredet, aber gleichzeitig zumindest Verständnis für antisemitischen Terror eingefordert. KritikerInnen können da schnell zu RassistInnen und KriegstreiberInnen werden.
Eingebettet war diese Veranstaltung in eine mehrwöchige Reihe, bestehend aus Frauentanzfesten, Vorführungen der Filme „Hasenjagd“ (Ö, 1994) von Andreas Gruber und „Harold und Maude“ (USA, 1971), mit der Musik von Cat Stevens. Letzterer wurde aber nicht als Reminiszenz an die Hippieära beworben; auf dem Flyer wurde der in den 80er Jahren zum Islam konvertierte Stevens, der sich nunmehr Yussuf Islam nennt, präsentiert!
In „Hasenjagd“ wird die wahre Geschichte der „Mühlviertler Hasenjagd“ dargestellt. 1944/45 wurden sowjetische Kriegsgefangene, die aus dem KZ Mauthausen flüchten konnten, von der Bevölkerung gejagt und grausam ermordet. Der Einladungstext legt viel Wert auf die Bedeutung der Opferung des eigenen Lebens für die Gruppe; diese Opferrolle wird im Film keineswegs betont und entspringt eher der Märtyrergeilheit der VeranstalterInnen. Die Opferung des eigenen Lebens hatte den Sinn, anderes Leben zu retten, stand also im krassen Gegensatz zu den heutigen „Märtyrern“. Die Verbindung dieses Films mit dem Buch soll wohl suggerieren, dass die PalästinenserInnen heute in einer ähnlichen, wenn nicht gar gleichen Situation seien, wie damals die sowjetischen Häftlinge. Der Einladungstext vermittelt unweigerlich diesen, vermutlich gewollten und darum umso zynischeren Eindruck.
Derartige Formen von „Interkulturalität“ wurden nicht nur von diversen islamischen Vereinen, sondern bedenklicherweise von der ÖH und, weniger verwunderlich, der SPÖ Wien unterstützt!