Heft 3-4/2001
Juli
2001

Beweglichkeit und Dauer

Überlegungen zu Performances in tradierten Kulturen Afrikas und zu Haltungen europäischer Avantgarden im 20. Jahrhundert

Eine „unmögliche“ (paradoxe) Struktur

Wahrscheinlich der überwiegende Teil der mündlichen Dichtung (Oral Literature), oder wohl genauer der Epen- und auch Preislied Performances traditioneller subsaharisch-afrikanischer Kulturen hatte und hat eine anscheinend paradoxe, „unmögliche“ Struktur. Die Darstellungen sind beweglich. Sie pochen auf Besonderheiten, auf jeweilige Andersartigkeit der einzelnen Produktionen; sie sind, überspitzt gesagt, begierig auf Neuerungen. Das dürfte einmal bestimmt sein durch ihre Existenzweise. Als orales Phänomen stiftet jede einzelne Produktion immer wieder ein, wenn auch nur partiell, neues kommunikatives Ereignis.

Untersuchungen Albert Lords zu serbischen Ependarstellungen zeichnen ein Modell, das in vielem für entsprechende traditionelle afrikanische Performances gilt. Die orale Dichtung, so Lord, ist ein „Prozeß, unendlich vielförmig und anhaltend“. [1] Jede Darstellung stehe für sich. Der Sänger mag seinen Gesang, seine Techniken von anderen gelernt haben, aber streng genommen ist jede neue Darstellung seine eigene Komposition, eine bei jeder Aufführung neue. Er komponiere sein Epos während der Aufführung. Der Autor eines oralen Epos, das heißt eines Textes oder einer Darstellung, ist der Darsteller vor uns. So ist die Aufführung ein Moment des kreativen Schöpfens und gleichzeitig ein soziales Ereignis. Die Zuschauer kommen und gehen, wie sie es für richtig halten. Der Sänger begrüßt Neuankömmlinge, verabschiedet Gehende.

Es gebe ein eigenartiges Verhältnis zwischen dem Tradierten, immer wieder Dargestellten (Gesungenen/Erzählten) und dem Neugeschaffenen. Das Bild, das sich abzeichnet, sei nicht das eines wirklichen Konflikts zwischen der Bewahrung der Tradition und dem kreativen Künstler; es ist eher eines der Bewahrung der Tradition durch ständige Neu-Schöpfung. [2] Die Technik, die eine solche jeweilige Neu-Schöpfung und zugleich die immer wiederkehrende Rekonstruktion der Epen ermöglicht, sei der Vorrat an stabilen Bildern und zugleich der an variablen Formeln, die man in der Darstellung je nach Situation zusammensetzt oder, wie ich modern lese, montiert.

Der westliche Zuschauer der fünfziger Jahre, für den Lord schrieb, sei anders als der orale Dichter nicht gewöhnt in Begriffen des Flüssigen (fluid) zu denken. Ihm scheine es vielmehr notwendig, einen idealen Text zu konstruieren oder ein Original zu suchen, und so ist er unbefriedigt bei einem unablässig sich wandelnden Phänomen. „Wenn wir aber einmal die Fakten der oralen Komposition kennen, müssen wir aufhören, nach einem Original irgendeines traditionellen Gesangs zu suchen. Unter einem bestimmten Gesichtspunkt gesehen ist jede Darstellung ein Original.[…] Die Wahrheit ist, daß unser Konzept des Originals des ‚Gesangs’ (Werkes, J.F.!), in der oralen Tradition einfach irrelevant ist. Für uns erscheint das Konzept so grundlegend, so logisch, da wir in einer Gesellschaft aufgewachsen sind, in der das Schreiben die Norm einer festen ersten Schöpfung in der Kunst fixiert hat, so daß wir glauben, es müsse für alles ein ’Original’ geben.“ [3]

Diese strukturelle Beweglichkeit könnte man auch als eine Ausdrucksweise sozialer und individueller Interessen deuten, so der Sehnsucht nach dem Besonderen, dem Andersartigen, oder, sehr weit gelesen, als Tendenz zu Veränderungen und in diesem Sinne auch als Kritik des Gegebenen. Unübersehbar ist auf jeden Fall das Dialogische oraler Performances, manifest in den wie selbstverständlichen oftmaligen Adressen der Darsteller an ihr Publikum, und dessen nicht seltenen Interventionen in die Produktion selbst und seinen fast ständigen Kommentaren dazu. Fast alle Formen traditioneller afrikanischer Geschichten-/Erzählungs-Darstellungen benutz(t)en gleichsam eingebaute, „stereotype“ Formeln bzw. Passagen, in denen sich Darsteller und Rezipienten über das Weitergehen der jeweiligen Darstellung und über verschiedene ihrer Aspekte dialogisch, in Rede und Gegenrede verständigen. [4]

So beweglich gleichsam die Struktur ist, sind vielfach die Inhalte und spezifische Formelemente, z.B. die angedeuteten „stereotypen“ Formeln, „unbeweglich“, dauerhaft in der ständigen Wiederholung. Das gilt besonders für die Darstellungen von Epen und anderen Erzählungen, deren Geschichten nicht nur allgemein bekannt sind, sondern die man auch selbst immer wieder „richtig“, „genau“ produzieren, daher wiederholen will (Behauptung der Darsteller) und soll (Erwartung der Zuschauer). Das Konservative, die Wiederholung, oder eben das Dauerhafte, Unbewegte gelten als besonderer Wert; sie wirken gleichsam normativ für die Komposition und auch für die Bewertung der Performances. Das steht im Kontrast zu der Beweglichkeit der oralen Komposition, daher meine Bezeichnung paradoxe oder „unmögliche“ Struktur.

Performances oraler Kulturen und Avantgarde

Paradox oder „unmöglich“ dürfte auch mein Ansatz scheinen, in solchen Darstellungen oraler Kulturen vorkapitalistischer oder vorindustrieller Gesellschaften spannende Ähnlichkeiten zu den künstlerischen Avantgarden und zu westlichen „avancierten“ kulturellen Haltungen und Konzepten seit Beginn des 20. Jahrhunderts zu finden. Größere Differenzen der historischen Kontexte beider hier als vergleichbar postulierter Phänomene, nicht zuletzt der sozial-technologischen Geschwindigkeiten und der hegemonialen Zeit-Raum-Auffassungen sind kaum denkbar. Tradierte afrikanische Performances z.B. waren Bestandteile/Praktiken von Gesellschaften, in denen, zugespitzt formuliert, das einmal Gesetzte als das Ewig-Bleibende galt, in denen vorgefundene Gegebenheiten meistens mythisch als das Gesetzte einer fernen Vergangenheit und damit als das Maß jeder Gegenwart genommen wurden und für die eine Zukunft als Zeitebene bzw. als Chance der Veränderung von Realitäten, oft gar nicht im Denkhorizont lag. Anders gesagt; in sozial-ökonomisch-institutionellen Grundrastern gesehen, bewegten sich diese Gesellschaften kaum, merklich wohl nur über Jahrhunderte. Das schloss natürlich nicht aus, daß im Rahmen dieser relativen „Geschlossenheit“ fast ständige Bewegung stattfand, besonders auffällig in der weitschweifenden Migration von Völkern oder in der vielfachen Gründung, Entfaltung und dem Zerfall von bedeutenden, einflußreichen Reichen (Imperien), letzteres besonders gut geschichtlich erschlossen für Westafrika. Die sozialökonomischen und politischen Kontexte der avancierten Künste des 20. Jahrhunderts, die Geschwindigkeiten, in denen sich diese Umfelder beweg(t)en, und ihre dominierenden Wertvorstellungen zielen geradezu auf das Gegenteil von Geschlossenheit und Dauer. Offenheit, Veränderung sind zum Überwert erhoben, und in immer schnellerer Geschwindigkeit lösen sich avancierte Kunstrichtungen ab, sehr aufdringlich, als ein Wechsel immer rascher folgender Moden. Die Begierde nach dem Differieren, dem Widerspruch, dem Anderssein, der absoluten Innovation, ist demonstrative Triebkraft. Kunstmachen wird verstanden und praktiziert als das immer wieder andere Experiment, als Versuch (Brecht), als „Work in Progress“ (Peter Brook).

Dennoch: Es gibt faszinierende Ähnlichkeiten, die, in einem bestimmten Maße, wesentliche Konzepte und Praktiken avancierter westlicher Künste des 20. Jahrhunderts als ein „kreative“ oder „neuartige“ Wiederholen oder Anknüpfen an Darstellungen vormoderner oraler Kulturen erscheinen lassen. Nur drei Verweise. In ihrer Analyse der oriki, der tradierten Preislieder-Performances der Yoruba, kam Karin Barber zu der Überlegung, daß Bachtins hochmoderner („postmoderner“) Dialogizitäts-, daher Multivokal-Ansatz geradezu ein Schlüssel für das Verständnis der oriki-Struktur und der von ihnen vermittelten Haltungen seien, oder anders, daß die oriki ein besonders geeignetes Beispiel für die Stimmigkeit dieses Ansatzes seien. [5] Die oriki „could be seen as the living embodiment of the dialogic“. Bachtins (westliche) Sprache, in der er „indeterminacy, a certain semantic open-endedness, a living contact with unfinished, still-evolving contemporary reality“ des Romans ausstellt, scheine „to be made for oriki“. [6] Ihre Analyse der Bedeutung, die Gesichtsmarkierungen in einem oriki haben, schließt sie so: „Difference is what the oriki celebrate.“ [7] Das schließt jedoch zugleich auch eine Differenz ein, die man gleichsam als Behauptung des Gegensätzlichen nehmen kann. So beginnt sie ihr Kapitel sieben über strukturelle und thematische Rollen von „Disjunction and Transition“ mit Bemerkungen zur widerspruchvollen Haltung: „Oriki mark difference. They are imprinted with signs of idiosyncracy through which they evoke and recall the differences between entities. But at the same time they are the means by which boundaries between entities are crossed ... Through it, power flows ... It is the disjunctiveness of the discourse of oriki that makes it possible for them to assert identities and at the same time to cross boundaries between individuals and groups.“ [8] Und: „All oriki mark individuality, but all have a tendency to float, to be shared by more than one subject. An individual’s ‚own’ oriki are a tissue of quotations, a collection of borrowings from diverse sources.“ [9]

Spätestens seit den theatralen Ausführungen von Grundhaltungen oder anders der Akzentuierung der Performance als Produktions- und Kommunikationsweise von Kunst durch Futuristen und Dadaisten war die seit dem 16. Jahrhundert in Europa dominierende Übermacht oder Überwertigkeit des „festen“, „objektiv“ gegebenen, unveränderlichen „Werkes“ als Geschriebenes oder Gemaltes gebrochen, das gleichsam Monumentalisiert-Verfestigte in das Flüchtige von Performances gebracht. Seit Ende der Fünfziger ist besonders symptomatisch, wie mit Happenings, Aktionskunst, performing art eine der europäischen partikularisierenden „Verdinglichungen“, die Konzeption der „bildenden Künste“ als statische radikal verändert wurde. Wie diese Richtungen das scheinbar Nur-Feste, das Unbewegte Dingliche als Performance/in Performance in Bewegung brachten, erinnert spannend an die „Art in Motion“, [10] an die Performance die in vielen vorkolonialen Kulturen Afrikas das entscheidende Ereignis oder auch überhaupt der einzige sozio-kulturelle Kontext ist, in denen „bildnerische Dinge“, wie Masken, Skulptur, Gemaltes „auftreten“, also kommunikativ werden, ob kunsthaft ausgestellt oder als Momente des pragmatischen, mythisch-religiös dominierten Rituals.

Man Ray: Noire et Blanche

Die Performance oraler Kulturen schließlich, die keine Suche nach einem Urgrund, einem absoluten Anfang (Lord) kennt, dürfte als eine mögliche Form genommen werden, in der sich Derridas Bestehen auf der unaufhörlichen Dekonstruktion des Geschriebenen, einer unendlichen Bewegung, die keine Substanz zuläßt, strukturell wiederfinden ließe. 1967 verallgemeinerte ein Gesprächspartner Derridas, diese „eigentlich unendliche Bewegung könnte man als so etwas wie die geduldige Metapher Ihrer Untersuchung betrachten“. [11] Ich würde das, da es um Metaphern geht, auch auf die permanente strukturelle Flüchtigkeit (Fluid, Prozess) der oralen Performances beziehen. In dieser Eigenart könnten sie vergleichbar „dekonstruierende Tätigkeit“ konnotieren. (Anmerkung: Hier wäre eine Parallele zu ziehen zwischen Derridas kurzen Ausführungen über die Verdrängung der „Mythographie“, daher „einer Schrift, die ihre Symbole in der Mehr-Dimensionalität buchstabiert“ durch Linerarität, sowohl der Schrift wie des Denkens. [12]

Assoziationen

Die eine betrifft einen Aspekt heutiger außereuropäischer Kulturen, mit dem vor allem westliche Beobachter Analyse- und so Beschreibungschwierigkeiten haben. Seine Umschreibungen reichen von Synkretismus [13] bis Hybridität. [14] Es geht dabei hauptsächlich darum, dass Techniken, Formen, Thematiken, Haltungen, die sich „ursprünglich“ in westlichen Künsten, nicht zuletzt den jeweils zeitgenössisch avancierten entfalten, in nicht-westlicher moderner Kunst eine wesentliche, nicht selten entscheidende Rolle spielen. Die Geschichte dieser Verbindungen („Einwirkungen“) läßt sich — hier nur andeutungsweise —, von den Beziehungen der frühen Négritude-Dichtung zum Surrealismus, über die absurde Dramaturgie und schließlich Artaud-Rezeption Robert Serumagas, über die nicht zuletzt an Eliots Modernität erinnernde Lyrik Christopher Okigbos in den sechziger und frühen siebziger Jahren, bis zur Prosa von Ben Okri in den achtziger und frühen neunziger Jahren, und nicht zuletzt zu dem Verwandtschaftsverhältnis, das Vertreter einer Postmoderne in der lateinamerikanischen Prosa sehen (sahen), zurückverfolgen. Jeder solche Fall erfordert seine besondere historische Erklärungsdiagnose, und diese dürfte jeweils vertrackt-komplex sein. Nicht selten be(ver)urteilt man die tatsächliche oder nur anscheinende „Vereinnahmung“ westlicher Moderne durch nicht-westliche Künstler als völlige Verwestlichung und somit schlimmen Verlust einer „ursprünglichen Identität“. Quelle oder Bezugsrahmen solcher Sicht sind häufig u.a. seit dem 17./18. Jahrhundert verwurzeltes ein eindimensionaler, statisch-starrer Begriff von „Identität“, der jede Prozeßhaftigkeit, jede Realität des Verändernderns und jeder dialektischer Widersprüchlichkeit ausgeblendet hat, und, was mich hier interessiert, mangelnde Einsicht in vormoderne Kulturen, in deren Weltverständnis und Haltungskomplexe. Was die auffällige Annahme europäischer Modelle und Techniken durch afrikanische Kunst betrifft, dürfte dabei das Weiterwirken jener Haltung des immer wieder anderen Umgehens mit dem Tradierten, dem Mythos, der legendär gebrochenen Geschichte eines Königs usw., also mit gleichsam in gewisser Hinsicht tabuisierten Phänomenen, wesentlich sein, die ich so faszinierend in den Geschichtenerzähler-Performances Afrikas finde. Es ist, auf eine moderne Terminologie gebracht, der produktive Pragmatismus, die - vielleicht überziehe ich hier, aber ich kann es nicht anders sehen, kreative Neu-Gierde auf den Anderen, das latente Interesse, Fremd-Neues anzunehmen und für sich, daß heißt für seine je eigenen Zwecke .zu verarbeiten, ohne Bedenken über „Identität“ oder gar das „Originale“, über das in der westlichen Aufklärung geheiligte „Nur-Eigene“, „Ganz-Ursprüngliche“. [15] So gelten z.B. Wole Soyinkas Kunst und seine Kunstkonzepte vielen Europäern und Amerikanern als Äußerungen eines, verkürzt ausgedrückt, „verwestlichten“ Autors. Hatte diese Gruppe Gelegenheit, seine Inszenierungen in Nigeria zu sehen, urteilte sie, gleichsam enttäuscht, man habe nur die Arbeit eines völlig modern-verwestlichten Theatermachers gesehen. Für andere, nicht zuletzt für Afrikaner in den siebziger und achtziger Jahren, konservierte er vor allem ein altes statisches Afrika der Mythen und Rituale. Beides sind binär-vereinfachende Deutungen, die ein schwierig und zugleich auch relativ einfach erklärbares Phänomen mit der Rationalität linearen Denkens wahrnehmen. Besseren Zugang zu seinen oft überraschenden Schritten gewänne man, seine europäisch-„avantgardistische“ Haltung, seine bedenkenlose, oft geradezu demonstrative Annahme wesentlicher Elemente europäischer Kulturen als Moment seiner Zugehörigkeit zur heutigen internationalen Moderne und zugleich als spezifisches Erbe der noch vor einigen Generationen oralen Yoruba-Kultur zu verstehen. Ich betone: Beides zugleich ist in seinen Produktionen, seinen Konzepten nicht zu trennen. „Traditional religion“, so Soyinka über traditionelle Yoruba Gottheiten, „is not only accommodating, it is liberating, and this seems logical, because whenever a new phenomenon impinged on the consciousness of the Yoruba - whether a historical event, a technological or scientific encounter — they did not bring down the barriers — close the doors. They say: Let us look at this phenomenon and see what we have that corresponds to it in our own tradition, that is a kind of analogue in this experience.“ [16]

Die zweite Assoziation. Sieht man die oralen Performances so, wie ich es vorschlage, könnte man Hoffnungen darauf setzen, daß die persönliche Kommunikation, daher im Künstlerischen das in Widersprüchen, mit Paradoxen als Grundlage arbeitendes Theatrale, also Live-Performances im weiten Sinne, zumindest bescheidene Gegenkraft gegen die Überflutung durch die audiovisuelle Mediatisierung bleiben dürfte. In der fast lächerlich-unzeitgemäßen Langsamkeit, in der altmodischen Fesselung des lebendigen Körpers an den ihn nächst umhüllenden Raum, könnte, so die Lektion alter oraler Performances, dennoch ein beachtliches Maß an jener Viel-Dimensionalität und jener Geschwindigkeiten bedeutet werden, die unsere Lebenspraxis, unsere gleichsam zeitgemäße Wahrnehmung bestimmen. Zugleich aber kann eben die Nähe der lebendigen, sinnlich präsenten und sich so ganz spezifisch-alternativ „dialogisierenden“ Leiber erfahren werden. Spezifisch-alternativ, denn das ist oft die Ausnahmesituation für die Subjekte, die Körper, die überwiegend nur noch über Apparate miteinander kommunizieren. Die strukturellen Möglicheiten [17] solcher direkten, anders formuliert persönlich kommunizierenden und so tatsächlich dialogischen künstlerischen Äußerungsweisen sollten nicht unterschätzt, natürlich auch nicht überschätzt werden für die Suche nach der Verständigung über, nach dem „Durchspielen“ von kritischen, alternativen Haltungen und Praktiken zu dem heute anscheinend monolithisch unantastbaren, unveränderbar übermächtigen Welt-System des neoliberal entfesselten, arroganten Kapitalismus. Der schärfere Blick auf die „vormodernen“ afrikanischen Erzähler-Darstellungen, der Performances oraler Kulturen generell dürfte dabei, vielleicht überraschend, wichtige Modelle erkennen und somit produktive Anregungen für unsere „Hyper-Moderne“ geben.

[1Albert B. Lord: The Singer of Tales. Cambridge, Mass.1960, S.4

[2Lord, S.34ff.

[3Lord, S. 100ff.

[4Vgl. z.b. die ständig wiederholte Formel „Caller: O Story!/ Group: Yes!“ in der ausgezeichneten Dokumentation der siebentätigen Darstellung der Ozidi-Saga der Ijaw aus dem Nigerdelta durch J. P. Clark: The Ozidi Saga. Collected and Translated from the Ijo of Okabou Ojobolo. Ibadan 1977.

[5Karin Barber: I Could Speak Until Tomorrow. Oriki, Women and the Past in a Yoruba Town. Edinburgh University Press. London 1991, S.36.)

[6ebenda 37

[7ebenda 142

[8ebenda 248

[9ebenda 249

[10R. F. Thompson: Art in Motion. Icon and Act. Los Angeles / Berkeley / London 1974

[11H. Derrida: Positionen. Edition Passagen 1986, S.49

[12J. Derrida: Grammatologie. Frankfurt/Main 1983, S. 151f.

[13Siehe u.a. , Kwame Anthony Appiah: In My Father’s House. Africa in the Philosophy of Culture. Oxford University Press 1992, S. 149; Ch. Balme: Theater im postkolonialen Zeitalter. Studien zurm Theatersynkretismus im englischsprachigen Raum. Tübingen 1995

[14Vgl. u.a. Homi K. Bhabha: The Location of Culture. London / New York 1994 und als Antwort darauf G. Kapur: Globalization and Culture: Navigating the Void, in F. Jameson/ M. Miyoshi (Hg.): The Cultures of Globalization. Duke University Press 1998; Ulf Hannerz: Scenarios for Peripheral Cultures, in A. D. King (Hg): Culture: Globalization and the World-System. Macmillan 1991.

[15Siehe meinen Versuch über modernes populäres westafrikanisches Wandertheater J. Fiebach: Cultural Identities, Interculturalism, and Theatre. On the Popular Yoruba Travelling Theatre., in: Theatre Research International. Vol. 21, No. 1, Spring 1996, pp. 52-59.

[16Orisha Liberates the Mind. Wole Soyinka in Conversation with Ulli Beier on Yoruba Religion. Iwalewa (Bayreuth) 1992, S. 4f

[17Vgl. J. Fiebach: Inseln der Unordnung. Fünf Versuche zu Heiner Müllers Theatertexten. Berlin 1990, Fünfter Versuch; J.Fiebach: Resisting Simulation. Heiner Muller’s Paradoxical Approach to Theater and Audiovisual Media since the 1970s. In: New German Critique. Number 73, Winter 1998, S. 81-94

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