Streifzüge, Heft 59
Oktober
2013

Der heilige Bund des Apparats

Es ist doch wirklich auffällig, dass bei besonderen Anlässen die kirchlichen Würdenträger, die staatlichen Repräsentanten und die Heeresspitzen stets gemeinsam abgebildet sind. Und es scheint kein Zufall zu sein, dass sich Kleriker, Politiker und Militärs da recht friedlich und freundschaftlich in amtlichen Verbindlichkeiten üben. Sie gehören gewissermaßen zusammen. Es handelt sich ja auch um einen Apparat, einen gesellschaftlichen, der Werte vermittelt und sie dadurch immer wieder neu erschafft. Diese Werte seien nun das Seelenheil, das Gemeinwohl und die Kriegskunst. Die Kirche kümmert sich um die Seele, der Staat um den Volkskörper und die Soldateska um alles Übrige. Kutten, Anzüge und Uniformen schmücken diesen zweifelhaften Anblick. Die Liebe aller drei geht während der Tagesnachrichten auf den Bildschirmen hausieren, wenn sie, wie gesagt, Hände schütteln, lächelnd nicken und in der Gruppe zum insgeheimen Treueschwur anstoßen. Natürlich nennen sie es nicht so. Das wäre auch sehr töricht. Aber sie bilden dennoch eine geläufige Einheit, traditionell also einen Bund, eine Art Zusammenschluss für Recht und Ordnung, wie im Himmel, so auf Erden, als Hüter von sowohl dem Leben wie auch dem Tod. Wenn Politiker einen Krieg mittragen, segnet jeder Kardinal seine Generäle und Soldaten. Der reiche, weiße Mann im Hintergrund ist schlauer, denn er lässt höchstens die Moneten dafür fließen und hält sich ansonsten fern vom ganzen Trubel. Er kassiert sozusagen unsichtbar. Das hält man anschließend für eine mangelnde Verortung der Macht. Aber er selbst ist ebenfalls ein Teil des Apparats, wo er doch jene Fernsehsender, Radiofrequenzen und Boulevardblätter besitzt, die all die Kleriker, Politiker und Militärs belichten und filmen und überhaupt erst in Szene setzen. Das unheilige Triumvirat hat eine treibende Kraft. Manche heißen sie Geld, manche andere Macht, viele glauben, es sei das Ego, viele andere, es sei die Kaste oder Klasse, die meisten hingegen wissen, dass man im Notfall nicht zählen darf auf das Wort dieser Möchtegernehrlichen. Nichts ist kapitalistischer als die Gier, nichts pfäffischer als die Heuchelei, nichts beamteter als das Postenschachern, nichts militärischer als das Diktat. Vom Leben mit ihnen und nach ihren Vorstellungen bleibt oft nur der Tod. Zuerst stirbt die seelische Feinfühligkeit ab. Das kommt von der Kanzel und dem Beten. Bald danach lebt jede politische Hoffnung und Phantasie ab. Das kommt vom Fernsehen und dem Parlament. Im äußersten Fall endet man mit Leichenbergen und Schützengräben. Das kommt von einem Heer im Einsatz. Gut gemacht, Herr General, habe die Ehre, Herr Präsident, Gott segne Sie, heiliger Vater. Der Apparat hat schon zugeschlagen, weil er der Herzschrittmacher eines solchen Systems ist. Die Einheit beweist epochenübergreifend, wie gut sie auf sich selbst eingespielt sind. Der Bund formiert sich nämlich jedes Jahrhundert neu. Abermals mischen Gott, der Staat, seine Truppen und das Gold kräftig mit. Man weiß, was das verheißt: herrschaftliche, herrliche Probleme.

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