Der Herr Qualtinger
hat in der österreichischen Öffentlichkeit einen Sturm von noch nicht dagewesener Dimension und Dauer hervorgerufen, indem er auf den Fernsehschirmen als „Der Herr Karl“ erschien und dem österreichischen Menschen, insonderheit dem wienerischen, einen Zerr-, Rück- und Hohlspiegel vorhielt, darin so ziemlich alles eingefangen war, was sich an österreichischen und insonderheit wienerischen Fragwürdigkeiten nur irgend einfangen läßt. Und wahrlich, dessen ist vieles. Dieser fast einstündige, von Qualtinger gemeinsam mit Carl Merz verfaßte Monolog erzählt (einem imaginären Zuhörer) die Geschichte der letzten dreißig Jahre, wie sie im selbstgefällig wendigen Hirn und im alles eher als goldenen Herzen eines Feinkost-Magazineurs, eben des Herrn Karl, Gestalt und Deutung angenommen haben, wobei die Deutung sich aus der Gestalt von selbst ergibt, gewissermaßen von ihr ausgeschwitzt wird und zu so völliger, glitschiger, bösartig-naiver Deckung mit ihr gelangt, daß man wahrhaftig vermeint, die ins Optische geronnene Fassung jenes Gedichts von Karl Kraus vor sich zu haben, welches „Das Hiesige“ heißt und Zeilen enthält wie diese: „Es ist da und dort, und wo immer es sei, ist es immer dabei und nie dabei“; oder zum Schluß: „Und was ich auch tat und wie ich sprach — es war zu weich, es gab nicht nach.“ Hätte es eines Beweises für die unheimliche Zielsicherheit bedurft, mit der Helmut Qualtinger da ins Schwarze, ins Schwärzliche, ins gräulich und grauslich Angefaulte getroffen hat: die öffentliche Reaktion auf seinen Treffer hätte den Beweis nachträglich erbracht. Sie beruht indessen auf einem Irrtum. Die Betroffenen hielten den Herrn Karl für eine „Type“. Das ist er nicht. Qualtinger — und es wird Zeit, das endlich einmal klarzustellen — gestaltet überhaupt keine Typen. Er gestaltet Inkarnationen, die in der Wirklichkeit nicht existieren und die man auch auf der Bühne nie zu sehen bekäme, wenn es ihn nicht gäbe. Es ist ein Glück, daß es ihn gibt.