Wurzelwerk, Wurzelwerk 24
Oktober
1983

Der Schnaak

„Es ist schon richtig auf der Welt, daß es im Wald so wald ist, da kann einem auch ordentlich wald sein im Wald“ brummelt Schnaak feststellend am nächsten Tag in seinen nicht vorhandenen Bart. „Und daher ist es auch richtig, daß heute, nachdem gestern Sonntag war, wieder Sonntag ist.

„Wir haben einfach mehr Sonntage gebraucht im Wald, daher haben wir jetzt vorläufig einmal vier Sonntage pro Woche: Das sind ca. 36 Wochen im Jahr. Das reicht auch, bei diesen Menschen, da haben sie 52 bis 53 Wochen im Jahr — und was haben sie davon? Nichts!.

Die Wochen haben deshalb auch gleich 7 Tage und gar nur einen Sonntag.

Das ist zuwenig!!“

„Du hast ja recht Schnaak“ unterbricht die Fee, während Schnaak Luft holt „... aber warum höre ich das jede Woche. Wir wissen es alle, daß 4 Sonntage gerade ausreichen hier im Wald.“ „Naja erstens lerne ich jetzt erst, zu meinen Bedürfnissen zu stehen, und zweitens ist da der Onkel Urglowatz, der unbedingt immer ‚Karriere’ machen will ... Kein Mensch möchte ‚Karriere’ machen, ein Kobold schon gar nicht ... nur der Onkel Urglowatz.

Gerade daß er noch am Donnerstag mit mir in den Wald geht. ‚Schnaak‘ sagt er da immer ‚Schnaak, Du kannst nicht so weitertun, wie alle anderen nur nichtstun, träumen, schlafen, liebemachen, essen, basteln, schnitzen, malen, zeichnen, geigespielen, plaudern, in den Wald gehen, faulenzen, usw. ...‘

‚Warum kann ich das nicht‘ hab’ ich ihn gefragt, den Onkel Urglowatz ‚das alles will doch ein jeder ...‘

‚Nein‘ sagt dann immer der Onkel Urglowatz, und ich soll zeitig in der Früh aufstehen und gleich irgendetwas arbeiten, daß ich nicht auf dumme Gedanken komme und dann soll ich schauen, daß was wird aus mir / was soll denn noch werden aus mir? / Ich bin ja eh schon ein Kobold, und außerdem bin ich in der Früh immer müde vom träumen, das ist ja auch eine Arbeit.

Ich sag: Wir täten uns alle viel ersparen, wenn man so wie ich von den grauslichen Sachen nur träumt, dann muß man sie nicht tun die grauslichen Sachen. Ich glaub’ ich muß mich jetzt niedersetzen vor’s Haus und ein bißchen über die Dummheit vom Onkel Urglowatz nachdenken und wenn ich ein wenig einschlafe, dann weck mich bitte in einer halben Stunde auf.

Ich mag mich heute nicht überarbeiten, weil heute ist immerhin Sonntag.

Ja-Wohll!“

Sagt Schnaak,

„Wo?

Wo?“ sagt Schnaak, „ist mein Schneuztuch. Sicher ist es wieder irgendwo vor meiner Nase, weil die Sachen, die vor der Nase sind, die findet man nicht, weil man glaubt, dort wo die Nase ist, ist eh die Nase, und daß manchmal auch vor der Nase etwas ist, daran denkt man ja nicht. Also wo? wo ist mein Schneuztuch ...?“

„Da ist Dein Schneuztuch Schnaak!“, sagt die Fee, „da — vor Deiner Nase.“

Schnaak: „Na hab’ ich es nicht gesagt: Vor meiner Nase. Da kann ich es ja nicht finden.“

Fee: „Schnaak, warum brauchst Du denn überhaupt Dein Schneuztuch. Du bist doch nicht krank?!“

Schnaak: „Nein Fee. Ich bin nicht krank, ich bin nur gerührt. Weil ich habe beim Aufräumen einen Liebesbrief gefunden, den ich Dir einmal geschrieben habe, und ich habe ganz vergessen, daß ich einmal so schöne Briefe geschrieben habe, und da war ich dann gerührt, weil ich Dir schon so lange keinen Brief mehr geschrieben habe, aber andererseits bin ich ja fast immer da und da brauche ich ja nicht zu schreiben ...

Naja.

Soll ich Dir den alten Brief vorlesen liebe Fee?“

Fee: „Ich glaube, daß ich mich zwar noch ganz gut an den einen und außerdem einzigen Brief von Dir erinnern kann, aber einen Brief, den man vorgelesen bekommt, den hab’ ich besonders gerne.“

Schnaak: „Also!

Liebe Fee!! (Das bist Du)“

Fee: „Ich weiß!“

Schnaak: „Ahja!

Also! (Schneuz)

Liebe Fee!!

Heute ist ein schöner Tag, weil heute denke ich an die liebe Fee.

Ja und weil ich heute so an die liebe Fee denke, denke ich mir, daß ich eigentlich der lieben Fee einen Brief schreiben sollte. Und da ist also der Brief an DICH, liebe Fee:

Also!

Liebe Fee!!!

Ich wollte Dir nur sagen, daß Du Dich nicht fürchten brauchst, daß ich immer bei Dir bleib’, weil ich nur so lange bleibe, wie ich bleiben will, wenn ich überhaupt einmal bei Dir bleiben darf. Außerdem bleibe ich nur so lange bei Dir, als bis ich weiß, wie das ist mit uns zwei.

Sollte ich nicht so schnell draufkommen, wie das so ist mit uns zwei, dann muß ich halt länger bleiben, wenn ich darf.

Ja-wohll!“

Fee: „Das ist wirklich ein sehr schöner Brief, mit einem sehr lieben Angebot, das mit dem Bleibendürfen; Du hast Dir ernste Gedanken um mich gemacht, weil man soll ja wirklich nur solange zusammen sein, bis man weiß woran man ist. Und wenn’s einmal passiert, daß man nicht so schnell draufkommt wie das so ist, naja dann ist das halt so wie bei uns ...“

Schnaak: „Das hast Du sehr lieb gesagt, sehr lieb hast Du das gesagt, glaubst Du wirklich, daß ich das damals so gemeint habe in dem Brief? ... Außerdem möchte ich jetzt noch wissen, wo schon wieder mein Schneuztuch ist, und wenn das Schneuztuch wieder vor der Nase sein sollte, wieso ich es dann nie find’?“

Fee: „Weißt Du Schnaak, das ist weil ...“

Schnaak: (unterbricht) „Nein sag’s nicht liebe Fee, sag’s nicht, laß’ mich selber draufkommen ...“ (Sagt’s und schneuzt sich in die Finger, weil die Finger, das weiß er ganz genau, die hat er nicht vor der Nase, zumindest nicht immer.)

Auszüge aus: „Der Schnaak“, erhältlich bei:

  • Grete Neyer
    Neue Schanze 14
    A-6900
    oder
  • Paul Hertel
    Lacknerg. 94/6
    1180 Wien
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