radiX, Texte
 
2000

Die linke Opposition in der PLO und in den besetzten Gebieten

In Westeuropa und den USA wird unter den Begrifflichkeiten „rechts“ und „links“ eine ganze Reihe verschiedener politischer Positionen subsumiert die in dieser Weise nicht weltweit zusammentreffen.

In Europa werden unter „rechts“ im allgemeinen politische Gruppierungen verstanden die wirtschaftspolitisch für eine kapitalistische Marktwirtschaft eintreten, nach außen wie nach innen national oder nationalistisch agieren, autoritäre Denkmuster und Staatsideen haben und gesellschaftspolitisch für eine möglichst restriktive Politik sind.

„Linke“ hingegen sind wiederum tendenziell antikapitalistisch, gesellschaftspolitisch offener, weniger autoritär und zumindest in den letzten Jahren eher antinationaler.

Diese politischen Ausrichtungen treffen in dieser Weise im Nahen Osten nicht aufeinander.

In den meisten Staaten des Trikont haben am Ende der Kolonialzeit insbesondere antikapitalistische Gruppierungen den — vielfach auch bewaffneten — Kampf mit den Kolonialherren aufgenommen. Dem Europäischen Kolonialismus setzten sie hier oft einen eigenen „Nationalismus“ ihrer neuen Nationalstaaten entgegen.

Da der Europäische und US-Amerikanische Imperialismus mit dem Ende der Kolonialzeit und der Unabhängigkeit der arabischen Staaten, der Staaten Afrikas und Asiens jedoch keineswegs zu Ende war und die Menschen des Trikont heute noch unter Ausbeutung UN-Embargos, Militärinterventionen,... zu leiden haben sind Formen des Nationalismus in den meisten Staaten des Südens integraler Bestandteil revolutionärer und linker Gruppierungen geblieben, während sich konservative Regierungen immer wieder zu Handlangern Europäischer und Nordamerikanischer Kapitalinteressen machten und machen.

Auch heute beziehen sich noch eine ganze Reihe von bewaffneten Befreiungsbewegungen des Trikont — von der Kurdischen Arbeiterpartei PKK bis zu den Befreiungstigern von Tamil Elam (LTTE) — auf eine „Nation“.

Selbst „postmoderne“ Guerillas wie die ZapatistInnen in Mexiko mit ihrem Namen „Ejercito Zapatista de Liberacion Nacional“ (EZLN= Zapatistische Armee der nationalen Befreiung) haben den „Gringos“ immer wieder die „Mexikanische Nation“ entgegenzusetzen.

Auch wenn im Nahen Osten von „linken“ Gruppierungen die Rede ist kann dies nicht geschehen ohne das Wort „links“ in diesem Kontext zu sehen und es vom Europäischen Begriff von „links“ abzugrenzen. Im arabischen Kontext — insbesondere in Palästina und unter den ExilpalästinenserInnen sind progressive gesellschaftspolitische Vorstellungen und Antikapitalismus beinahe ausnahmslos mit Nationalismus und Panarabismus verbunden.

Wenn hier also von der „Linken Opposition“ in der PLO und den besetzten Gebieten die Rede ist ist damit genau diese in Palästina verwendete Begrifflichkeit gemeint, unabhängig davon was der Autor über diese Verbindung von Nationalismus mit revolutionärer oder linker Politik denkt.

2. Zwischen Zersplitterung, Radikalisierung und Marginalisierung: eine Charakteriesierung der linken Opposition

Die linke Opposition in Palästina — insbesondere aber jene im Exil — ist von einer sehr starken Zersplitterung und einer vielfachen Ausrichtung auf einzelne Persönlichkeiten gekennzeichnet.

Was Helga Baumgarten über die Spaltung der PFLP schreibt kann durchaus für die gesamte zersplitterte Palästinensische Linke eine gewisse Geltung beanspruchen:

Die idesologischen Unterschiede zwischen den beiden neuen Repräsentanten einer palästinensischen Linken sind allerdings für den Nichteingeweihten kaum zu erkennnen. Zur Abspaltung der Minderheit um Hawatmeh von der von Habash angeführten Mehrheit war es also nicht so sehr aus prinzipiellen ideologisch-programmatischen Divergenzen gekommen, sondern vor allem in der Folge eines persönlich-politischen Machtkampfes zwischen dem jüngeren Qaumiyun-Militanten Hawatmeh und George Habash als dem Repräsentanten der Gründer-Generation. (BAUMGARTEN, 1991: 223)

Ideologische Etikettierungen — obwohl sie auch einiges an Richtigkeit besitzen — „versperren nur den Blick auf eine palästinensische Praxis, die viel komplexer ist“, als daß von Europäischen Ideologiebegriffen sinnvoll umrissen werden könnte. „So gehen die politischen und ideologischen Richtungskämpfe quer durch die einzelnen Widerstandsbewegungen hindurch. Allein in der Al Fatah gibt es eine marxistische Gruppe, eine nasseristische, eine saudi-arabische, eine baathistische und eine pro-algerische Gruppe nichtmarxistischer Ausrichtung.“(HOLLSTEIN, 1984: 235)

Insgesamt gibt es eine Reihe von Faktoren die die Zersplitterung der Palästinensischen Linken massiv begünstigen:

  • Die ExilpalästinenserInnen leben in weit verstreuten Teilen der arabischen Welt, teilweise auch in Europa und den USA. Durch diese regionale Zerstreuung entstehen auch regionale Diskurse welche es begünstigen, daß sich die Exilgemeinde in verschiedenen Staaten auch verschieden entwickelt.
  • Persönliche Rivalitäten einzelner Führungspersönlichkeiten führen ebenso oft zu Spaltungen.
  • Verschiedene arabische Staaten mischen sich immer wieder in die palästinensische „Innenpolitik“ ein und versuchen sich palästinensische Organisationen als verlängerte Arme ihrer eigenen Politik zu halten bzw. zu fördern. Insbesondere Syrien wird von verschiedenen anderen PalästinenserInnengruppen vorgeworfen die in der „Salvation Front“ zusammengeschlossenen kleinen Organisationen für ihre eigenen Zwecke zu benutzen.

3. Panarabismus und Revolution: Der Bund der Arabischen Nationalisten (BdAN)

Der Bund der Arabischen Nationalisten (BdAN) löste sich zwar bereits Ende der Sechzigerjahre in seine einzelnen nationalstaatlich organisieten Teile auf, ist aber für die Entstehung eines großen Teils der palästinensischen Linken von einer so großen Bedeutung, daß seine Geschichte hier kurz geschildert werden soll.

Der Kern des späteren BdAN beldete sich unter den Studenten der amerikanischen Universität in Beirut heraus. „Constantine Zurayek, Professor an der amerikanischen Universität in Beirut, lieferte den Aktivisten der BdAN zunächst das wesentliche ideologische Fundament. In seiner Arbeit ‚Die Bedeutung der Katastrophe‘ erläuterte er die Gründe für die Niederlage der arabischen Staaten gegen Israel im Jahre 1948.“ (BAUER, 1993: 24)

Dabei deutete er diese Niederlage als „allgemeine Rückständigkeit der arabischen Welt gegenüber dem Westen.“ (BAUER, 1993: 24)

Bereits im März 1949 einigten sich verschiedene Kleinstgruppen von nationalistischen Studenten „ihre Gruppen zu einer Geheimorganisation zu vereinigen, der sie den Namen“Phalanxen der Arabischen Aufopferung„(Kata`ib al-fida` al arabi) gaben. Ihr dreiköpfiges Leitungsgremium bestand aus la-Hindi, Dahi und Taufiq; später kamen noch Habas und der Ägypter Abd al-Qadir Amir hinzu“. (HÖPP, 1986: 3)

Die Phalanxen verübten bereits in ihrer ersten „Operation“ am 6. August 1949 einen „Bombenanschlag auf die Synagoge von Damaskus; dabei kamen 12 Menschen ums Leben.“ (HÖPP, 1986: 4)

Obwohl Habas in späteren Jahren „attacks on Diaspora Jews“ (STEINBERG, 1988: 24) ausschloß „erkannten Habas und seine Freunde“ damals „keinen Unterschied zwischen Israel, Zionismus und Judentum, und dieser tragische Irrtum begleitete ihren Kampf noch jahrelang.“ (HÖPP, 1986:4)

Die Phalanxen zerbrachen jedoch schon bald wieder und das Schwergewicht der Gruppe um Habas verlagerte sich zu einer Organisation in der StundentInnenschaft der Amerikanischen Universität in Beirut (AUB).

Wie bereits oben ausgeführt unterrichteten an der AUB eine Reihe nationalistischer Professoren. An der Universität studierten seit ihrer Gründung im Jahre 1866 StudentInnen aus 95 verschiedenen Staaten. In den vierziger und fünfziger Jahren studierten dort junge AraberInnen von Marokko bis zum Iraq, vom Jemen bis Syrien denen mit der Gesellschaft „Unauflösliches Band“ (Gam iyat al- urwa al-wutqa) ein wichtiges gemeinsames Forum für politische und philosophische Diskurse zur Verfügung stand.

Diese studentische Vereinigung [...] deren Gründungsdatum in der Mitte der dreißiger Jahre liegt, war als politisch nicht festgelegte, gemäßigt-nationalistische Bildungsgemeinschaft ins Leben getreten. (HÖPP, 1986: 7)

Die arabische Niederlage von 1948 schlug sich jedoch bereits im Studienjahr 1948/49 in einer geänderten Verfassung des „Unauflöslichen Bandes“ nieder „dem nunmehr die Aufgabe gestellt wurde ‚den nationalen Geist unter den arabischen Studenten zu entwickeln und zu pflegen‘“ (HÖPP, 1986: 8) Im selben Jahr wurden Habas zum stellvertretenden Vorsitzenden und al-Hindi zum Mitglied des Redaktionskomitees der Zeitschrift des „Unauflöslichen Bandes“ gewählt. „Im Studienjahr 1949/50 kandidierte Habas gegen eine Liste der Kommunisten und der ‚Syrischen sozialen Nationalen Partei‘ bei den Wahlen zum Vorstand des ‚Unauflöslichen Bandes‘ und wurde mit großer Mehrheit zum Vorsitzenden des Exekutivkomitees gewählt“. (HÖPP. 1986: 9)

Zu Beginn der fünfziger Jahre gelang es dem Kreis um Habas und al-Hindi das „Unauflosliche Band“ endgültig unter ihre Kontrolle zu bekommen und zu einem Herzstück der neuen „Bewegung der Arabischen Nationalisten“ (BdAN) zu machen.

Die Gam iyat al- urwa al-wutqa blieb „bis zu ihrer Auflösung 1955 der libanesische Zweig der BAN, der als“Jugend der Vergeltung„(sabab al-ta`r) aktiv wurde und dessen Organisationsform sich am Vorbild der frühen nationalistischen Geheimgesellschaften orientierte.“ (HÖPP, 1978: 319)

Die Gründung der BdAN fand etwa 1952 statt, als die Studenten aus dem Kreise von al-´Urwa [das "Unauflöslichen Bandes, Anm.] ihr Studium abgeschlossen hatten. [...] Das Hauptquartier wurde nach Amman gelegt, wo Habash und Haddad nach dem Abschluß ihres Medizinstudiums als Ärzte arbeiteten. (BAUMGARTEN, 1991: 97)

Zunächst war die BdAN auch „besonders in Jordanien sehr erfolgreich“ und gründete im Sommer 1954 auch „in Amman eine arabisch-nationalistische Zeitung ‚ar-Rai‘ (die Meinung). Diese sollte dazu beitragen, die arabische Einheit voranzutreiben. Schon nach wenigen Monaten wurde die Zeitung allerdings von der jordanischen Regierung verboten. George Habash mußte Amman verlassen und ging nach Damaskus.“ (BAUER, 1993: 26)

Aber auch außerhalb Jordaniens konnte der BdAN im Laufe der fünfziger Jahre Organisationan aufbauen und somit seinem Anspruch eine panarabische Organisation zu sein weitgehend gerecht werden. Ahmad al-Khatib baute 1953 einen Zweig in Kuwait auf. „Im Libanon spielte Hani al-Hindi Anfang der fünfziger Jahre die führende Rolle, zusammen mit den Südlibanesen Mushin Ibrahim und Muhammad az-Zayat sowie einigen palästinensischen Lehrern aus den Flüchtlingslagern in Saida und Beirut.“ (BAUMGARTEN, 1991: 98)

1954 wurden in Ägypten und Syrien Sektionen des BdAN aufgebaut, 1955 folgte der Iraq, 1958 Bahrain, 1959 der Jemen, 1960 Libyen, Qatar und Oman und 1962 schließlich Saudi-Arabien.

Die Führung der BdAN war von Beginn an von Männern aus dem gehobenen Bürgertum geprägt. „Ihrer Herkunft nach waren sechs Söhne von Großhändlern und Geschäftsleuten, gehörten also der bereits erwähnten Handels- und Finanzbourgeosie an, die sich an der Mittelmeerküste Palästinas und des Libanon gebildet hatte. Fünf stammten aus Familien von leitenden Angestellten, höheren Beamten, religiösen Funktionären und freiberuflich Tätigen.“ (BAUMGARTEN, 1991: 99)

Ideologisch standen sie im Bann des bürgerlichen Nationalismus [...] was sich besonders in der von ihnen vertretenen „Zwei-Stadien-Theorie“ äußerte, die eine starre Trennung zwischen nationalem und sozialem Befreiungskampf vornahm und dem ersteren absoluten Vorrang einräumt. (HÖPP, 1978: 321)

Erst gegen Ende dieser Phase traten die antiimperialistischen Potenzen der Organisation stärker hervor. Sie reihte sich in den Strom der Massenproteste gegen den proimperialistischen Bagdad-Pakt (1955) ein, unterstützte die fortschrittliche jordanische Regierung Nablusi (1956-57), verteidigte die Nationalisierung des Suez-Kanals und mobilisierte ihre Mitglieder gegen die imperialistische Dreieragression (1956). (HÖPP, 1978: 321)

Mit diesen Protesten bahnte sich bereits eine Veränderung des Verhältnisses der BdAN zu Ägypten und dem Nasserismus an. Ab dem Ende der fünfziger Jahre wendete sich die BdAN immer mehr vom bürgerlichen Nationalismus ab und nasseristischen Ideen zu. Schließlich folgte sie „die nächsten zehn Jahre kritiklos dem ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser, der die Einigung der Arabischen Nation, den Pan-Arabismus, propagierte“ (BAUER, 1993: 28) und diesen mit sozialistischem Gedankengut eng verknüpfte.

Die BdAN wurde so in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre und in der ersten Hälfte der sechziger Jahre zu einem der Träger des Nasserismus und schloß sich in Ägypten, dem Iraq und Syrien den dort bereits aktiven nasseristischen Parteien, der „Arabischen Sozialistischen Union“ (ASU) an.

Ab 1963 schließlich „ist durch die Annäherung der Mehrheit der BAN-Kader an Positionen des wissenschaftlichen Sozialismus“ — wie es Gerhard Höpp ganz in DDR-Diktion schreibt — eine „zunehmende ideologische Differenzierung“ und eine „politisch-organisatorische Diversifizierung“ (HÖPP, 1978: 324) zu beobachten.

Insbesondere studentische Mitglieder sahen in Anlehnung an Maos Schriften Bauern, Arbeiter, revolutionäre Intellektuelle und Soldaten als die wirklichen Träger der arabischen Revolution an.

Sprecher dieser neuen Strömungen waren vor allem Nayef Hawathme und Muhsin Ibrahim. (BAUER, 1993: 28)

Muhsin Ibrahim war bereits seit 1959 Herausgeber der neuen BdAN-Zeitung ‚Die Freiheit‘ die schnell zum wichtigsten Organ der neuen Strömung wurde. Unter dem Einfluß des linken Flügels trennten sich die BdAN-Regionalkommandos Ägyptens, Iraqs und Syriens wieder von der ASU. Der Richtungskampf zwischen den „Historikern“ um Habas und dem linken Flügel führte 1963 in Jordanien zur Abspaltung der „Historiker“, in Kuwait zur Abspaltung der „Volksrevolutionären Bewegung“, sowie 1966 zu einer Spaltung des Regionalkommandos Libyen.

Habas gründete 1964 „als Reaktion auf die Gründung der PLO das Regionalkommando Palästina und dessen militärischer Arm ‚Jugend der Vergeltung‘“. (HÖPP, 1978: 327)

Nach der großen Niederlage der arabischen Staaten im Krieg von 1967 schloß sich dieses Regionalkommando mit der ‚Jugend der Vergeltung‘ und einigen kleineren Gruppen zur „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP) zusammen. Zuvor hatten sich die Palästinenser immer in den Regionalkommandos der jeweiligen Gastländer organisiert.

Die 1968 beginnende vierte Phase der BAN ist durch die umfassende politisch-organisatorische Diversivizierung infolge sich vertiefender ideologischer Meinungsverschiedenheiten und abweichender strategisch-taktischer Konzeptionen charakterisiert. Vor allem die sozialistische Orientierung der VDR Jemen (1969), der Tod Nasserns (1970), die Profilierung der PLO sowie der arabisch-israelische Krieg 1973 geeinflußten diesen Prozeß, der zur faktischen Auflösung der BAN führte. (HÖPP, 1978: 329)

4. Von der Kommunistischen Partei bis zur Volksfront zur Befreiung Palästinas: Die einzelnen Gruppierungen der Palästinensischen Linken

Wie bereits Eingangs beschrieben ist die gegenwärtige Situation der Palästinensischen Linken durch eine starke Zersplitterung und eine Vielzahl an Organisationen gekennzeichnet. Eine ganze Reihe davon sind allerdings von nur geringer Bedeutung und so kann es nicht Ziel dieser Arbeit sein jede Kleinstgruppe hier aufzuzählen. Die größeren Gruppierungen der Palästinensischen Linken sollen hier aber doch kurz beschrieben werden.

4.1. Die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP)

Nach der Niederlage der Arabischen Staaten im Sechstagekrieg der „11.500 Ägyptern, etwa 6.000 Jordaniern und 1.000 Syrern das Leben gekostet“ (GLASNECK/TIMM, 1994: 150) hatte und Israel in der Folge eine Fläche von 66.278 Quadratkilometern mit über einer Million Einwohnern besetzen konnte, stand die gesamte Arabische Welt unter Schock.

Unter dem Eindruck dieser verheerenden Niederlage schlossen sich am 10. Dezember 1967 das BdAN-Regionalkommando Palästina, die mit der BdAN „liierten Organisationen ‚Jugend der Vergeltung‘ und ‚Helden der Rückkehr‘ sowie die von Ahmad Gibril geleitete ‚Palästinensische Befreiungsfront‘ [...] zusammen.“ (HÖPP, 1986: 217)

Die neue, von Habas bis heute geleitete Organisation hieß „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (al-Gabha as-sa biya li-tahrir Filastin), PFLP.

Bereits kurz nach der Gründung der neuen Organisation gingen jedoch die Flügelkämpfe die die alte BdAN beschäftigt hatten in der PFLP weiter. Bereits im September 1968 spaltete sich Ahmad Gibril mit der „Volksfront zur Befreiung Palästinas-Generalkommando“ PFLP-GC wieder von der PFLP ab.

Die Flügelkämpfe zwischen den „Historikern“ um Habas und den „Linken“ um Nayef Hawatmeh waren damit jedoch nicht beendet. Als Habas im April 1968 wegen eines Anschlags von den syrischen Behörden verhaftet wurde und bis zum 4. November 1968 in Damaskus inhaftiert war nutzten die „Linken“ "die Gunst der Stunde und beriefen im August den 1. Kongreß der PFLP in das jordanische Garas ein, um das Kräfteverhältnis in der Front für sich zu entscheiden.

In dem vorgelegten Politischen Grundsatzbericht rechneten die ‚Progressiven‘ in scharfen Formulierungen mit den arabischen Regimes und den Führungen der arabischen nationalen Befreiungsbewegung ab." (HÖPP, 1986: 218)

Sie forderten die mit dem kapitalistischen Weltmarkt verbundene feudal-bourgeoise Wirtschaft niederzureißen und durch Agrarreform und Industrialisierung eine nationale Wirtschaft zu errichten, die auf eigenen Füßen stehe und nicht vom Weltmarkt abhängig sei.

Der Bericht übte auch Kritik an der PLO und forderte statt einer Beteiligung der PFLP an der PLO eine „Einheit der revolutionär kämpfenden Kräfte unter einer Führung, die die politischen und Klassenkämpfe in einer breiten nationalen Befreiungsfront organisiert“ (HÖPP, 1986: 219)

Nachdem Habas im November 1968 aus der Haft zurückkehrte brachen die Flügelkämpfe zwischen den „Historikern“ und den „Progressiven“ erneut los. Dabei ging es weder um wirklich ideologische Differenzen, noch um die Strategie der Front die von beiden getragen wurde und auch nach dem Austritt der Gruppe um Hawatmeh beibehalten wurde. De facto ging es nur um taktische Detailfragen und „—das war letztendlich entscheidend — um die auch von persönlichen, zum Teil schwer objektivierbaren Bestrebungen belastete Hegemoniefrage“. (HÖPP, 1986: 220)

Wenn die Differenzen zwischen den „Historikern“ und den „Progressiven“ an einer inhaltlichen Frage festzumachen sind, dann handelte es sich vor allem um die Frage des Verhältnisses zwischen revolutionärem Kampf und seiner Führung durch eine avantgardistische Organisation. An der kubanischen, chinesischen und vietnamesischen Revolution orientiert votierten Habas und die „Historiker“ für das „Primat des bewaffneten Kampfes“ durch den die Massen mobilisiert werden sollten, während Hawatmeh zuerst den Aufbau einer „organisierten Avantgarde“ und in umgekehrter Reihenfolge für den bewaffneten Kampf votierte.

Die Auseinandersetzungen, in denen es den „Historikern“ vor allem um die Wiederherstellung des Kräfteverhältnisses zu ihren Gunsten ging, nahmen Anfang des Jahres 1969 in Jordanien gewaltsame Formen an; dabei stellten sich die „Progressiven“ unter den Schutz der Widerstandsorganisation Fatah.

Kurz vor dem von den „Historikern“ angestrebten 2. Kongreß der PFLP, in der auch eine Korrektur in der Führung der Front erfolgen sollte, trennten sich die „Progressiven“ von der PFLP und proklamierten am 22. Februar 1969 die Gründung der ‚Volksdemokratischen Front zur Befreiung Palästinas‘ (al Gabha as-sa biya ad-dimuqratiya li-tahrir Filastin, engl. Abk. PDFLP), die sich seit Mitte 1974 "Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (engl. Abk. DFLP) nennt. (HÖPP, 1986: 221)

Die PFLP bedauerte das Ausscheiden der „Progressiven“ die der Organisation wichtige und erfahrene Mitglieder kostete, warf den Abtrünnigen aber „linke Kinderei“ vor.

Der 2. Kongreß der PFLP präzesierte die Festlegungen des 1. Kongresses, verwarf die damals von den „Progressiven“ dominierten Beschlüsse nicht.

Durch erhöhte Mobilisierung der Arbeiter und armen Bauern sowie im Bündnis mit dem Kleinbürgertum und unter Führung ‚einer politischen Organisation, die der Theorie des wissenschaftlichen Sozialismus verpflichtet ist‘, wollte sie auf dem Wege des ‚langfristigen Krieges, der mit dem Guerilla-Krieg beginnt und sich zu einem zum Sieg entschlossenen Volkskrieg entwickelt‘, die technologische Überlegenheit des Gegners überwinden. (HÖPP, 1986: 224)

‚Die Volksfront für die Befreiung Palästinas‘, heißt es in den Beschlüssen ihres 2. Kongresses, ‚übernimmt den Marxismus-Leninismus als grundlegende strategische Linie für den Aufbau der revolutionären Partei‘ (HÖPP, 1986: 226)

Der Kongreß warnte aber auch vor einer „idealistischen und mechanischen“ Auffassung des Marxismus-Leninismus, da er dann seine Fähigkeit verlöre eine lebendige Wirklichkeit zu deuten. Genau diesen Umgang mit dem Marxismus-Leninismus warf die PFLP den Kommunistischen Parteien der arabischen Staaten von.

Für die PFLP war immer nur eine Maximallösung der „Befreiung ganz Palästinas“ Ziel der Politik gegenüber Israel. Für Habas gibt es nur ein „Zionist empire“ oder die „Arabische Einheit“: „In this region either a Zionist empire will be created, or a united Arab society“ (zit. nach STEINBERG, 1988: 4). Die Rückgabe der Besetzten Gebiete konnte nur ein erster Schritt für die Befreiung Palästinas sein.

Die PFLP hielt zwar „practical cooperations against Zionism and Inperialism with certain trends in Israel, such as the Israeli Communist Party (Rakah)“(STEINBERG, 1988: 25) für möglich, unterschied aber im Gegensatz zur Fatah nie zwischen verschiedenen Richtungen des Zionismus.

Die Ideologie der PFLP fußt auf den drei Säulen Palästinenertum, Arabismus und Marxismus-Leninismus. Im Gegensatz zur Fatah, die sich nicht in die Innenpolitik ihrer Gastländer einmischte, kämpfte die PFLP immer dezidiert auch gegen die reaktionären, feudalistischen, arabischen Regime in Jordanien, Saudi-Arabien oder am Golf.

International bekannt wurde die PFLP vor allem durch spektakuläre Aktionen in den späten sechziger und siebziger Jahren, insbesondere die Flugzeugentführungen der Organisation. Am 23. Juli 1968 gelang es einem Kommando der PFLP erstmals eine Maschine der israelischen Fluglinie El Al auf dem Flug von Rom nach Tel Aviv unter seine Kontrolle zu bekommen.

Die PFLP löste damit in Israel einen Schock aus und konnte Israel erfolgreich zu Verhandlungen zwingen. „Widerstrebend erklärte sich Israel zu Verhandlungen bereit und tauschte nach langen Gesprächen, bei denen Vermittler eingeschaltet wurden, eine Gruppe von Terroristen, die in Israel im Gefängnis saßen, gegen die entführten Israelis aus.“(BAR-ZOHAR, 1991: 66f)

Die ganzen siebziger Jahre hindurch sollten weitere Flugzeugentführungen folgen.

Obwohl Habas heute „attacks on Diaspora Jews“(STEINBERG, 1988: 24) ausschließt verübte auch die PFLP in den siebziger Jahren noch vereinzelt Anschläge auf jüdische Bevölkerung außerhalb Israels. So wurde etwa „in einem jüdischen Altenheim in München ein Feuer [gelegt] bei dem sieben Menschen ums Leben kamen“(BAR-ZOHAR, 1991: 67)

Trotz massiver Kritik an Arafat und der Fatah hat sich die PFLP immer wieder als Teil der PLO verstanden und auch an den meisten Sitzungen des Palästinensischen Nationalrates teilgenommen. 1971 hatte die PFLP im Palästinensischen Nationalrat 12 Sitze. Die Fatah Arafats stellte 33, die Sa´iqa und die PLA je 12, die DFLP 8 und die PFLP-GC 4 Sitze.

„An diesem Kräfteverhältnis änderte sich auch in den folgenden Jahren nichts grundsätzlich. Im Entscheidungszentrum der PLO, dem Exikutivkomitee, sind seit dem IX Nationalkongreß von 1971 Al Fatah mit 4, die Sa´iqa mit 2 Sitzen“ (HOLLSTEIN, 1984: 235) und die PFLP, DFLP und FLA mit einem Sitz vertreten.

Die PFLP betrieb bis heute immer eine Art „loyale Opposition“ gegenüber Arafat. Einerseits übte die PFLP immer wieder harte Kritik an der „konservativen“ und „reaktionären“ Fatah und deren Kompromißbereitschaft gegenüber Israel, andererseits bestand sie aber auch immer auf der Existenz einer unabhängigen und möglichst einheitlichen PLO.

So ist es seit sich in Damaskus Mitte der achziger Jahre als Opposition zur PLO die weitgehend von Syrien abhängige und von der PFLP-GC, der Sa´iqa und einigen kleineren Palästinenserorganisationen getragene Rettungsfront etabliert hat, über die Frage des Beitritts der PFLP zu dieser Konkurrenz-PLO zu heftigen internen Richtungskämpfen in der PFLP gekommen.

Ahmad al-Yamani (Codename: Abu-Mahir) „has close ties with Syria and it was not by chance that he was appointed secretary of the Salvation Front.“(STEINBERG, 1988: 16) Während Ahmad al-Yamani für den Eintritt der PFLP in die Rettungsfront eintrat votierte eine Gruppe um Bassam Abu-Sharif, dem ehemaligen Sprecher und Herausgeber von „al Hadaf“, für eine größere Distanz zu Syrien. Schlußendlich verließ Abu-Sharif Damaskus und die PFLP und wurde enger Berater Arafats.

Während der Intifada arbeitete die PFLP noch gemeinsam mit der Fatah in der Vereinigten Nationalen Führung des Aufstandes (United National Leadership of the Uprising, UNLU).

The UNLU was made up of representatives from Fateh, the Popular Front for the Liberation of Palestine (PFLP), the Democratic Front for the Liberation of Palestine (DFLP) and the Palestine Communist Party (PCP). In Gaza they coordinated with the Islamic Jihad from time to time. (HEACOCK/NASSAR, 1990: 191)

Mit dem Beginn des sogenannten „Friedensprozesses“ nahm die Kritik der PFLP an Arafat wieder zu. Wie viele Gruppierungen der PLO — sogar innerhalb Arafats Fatah — sieht die PFLP darin eine Kapitulation und keinen Friedensprozeß. Die PFLP beteiligte sich deshalb auch nicht an den Wahlen zur Palästinensischen Autonomiebehörde.

Obwohl immer mehr PalästinenserInnen mit dem „Friedensprozeß“ nicht mehr einverstanden sind konnte die PFLP davon nicht wirklich profitieren. Die unzufriedenen Massen laufen zwischenzeitlich eher zur Hamas und anderen islamistischen Gruppierungen über. Nach Umfragen der CPRS in Nablus verlor die PFLP sogar an Unterstützung (BAUMGARTEN, 1995: 9) und hat heute nicht einmal mehr 10% der Bevölkerung hinter sich.

Was interne Flügelkämpfe der PFLP betrifft gilt jedoch weiterhin was Matti Steinberg 1988 schrieb:

Although the actual balance of forces within the PFLP is a closed book, there is no doubt that as long as Habas is alive and active — however poor his health — he will go on calling the shots. (STEINBERG, 1988: 17)

4.2. Die Volksfront zur Befreiung Palästinas-Generalkommando (PFLP-GC)

Ahmad Gibril — der sich erst 1967 mit seiner Organisation der „Palästinensischen Befreiungsfront“ der PFLP angeschlossen hatte — spaltete sich schon im September 1968 „mit seinen Kämpfern als ‚Volksfront zur Befreiung Palästinas-Generalkommando‘ (PFLP-GC) wieder ab.“ (BAUMGARTEN, 1991: 220)

Gibrils PFLP-GC blieb immer deutlich kleiner als die PFLP und deren spätere Abspaltung DFLP, machte aber ebenfalls durch besondere Radikalität und spektakuläre Aktionen von sich reden.

The PFLP-GC commando who flew on a hang glider into an Israeli military camp in late November 1987 is seen by many as one of the catalysts contributing to the eruption of the intifada. (HEACOCK/NASSAR, 1990: 194)

Die PFLP-GC feuerte die Intifada von Syrien aus mit einem eigenen Radioprogramm an. „The PFLP-GC on January 1, 1988 began to transmit a test program on a new clandestine Radio al-Quds, ‚the Palestinian-Arab radio on the road of liberating the land and the people,‘ hoping to mount a serious challenge to Arafat´s leadership of the PLO.“ (BAUMGARTEN, 1990: 219f)

Der Sitz der PFLP-GC ist in Damaskus wo sie auch wichtiger Teil der Rettungsfront wurde.

4.3. Die Demokratische Front zur Befreiung Palästinas (DFLP)

Die Abspaltung der „Progressiven“ von den „Historikern“ der PFLP führte am 22. Februar 1969 zur Gründung der „Volksdemokratischen Front zur Befreiung Palästinas“ (PDFLP), welche sich seit 1974 „Demokratische Front zur Befreiung Palästinas“ (DFLP) nennt.

Ihr der neben dem Generalsekretär der neuen Organisation Nayef Hawatmeh„u.a. auch Yasir Abd Rabbih, Abd al Karim Hamad und Bilal al-Hasan angehörten [...] schlossen sich im Juni desselben Jahres Mitglieder einiger kleiner linksradikalen Gruppen an, darunter die der ‚Volksorganisation für die Befreiung Palästinas‘ [...] POLP und der ‚Liga der Palästinensischen Revolutionären Linken‘.“(HÖPP, 1986: 221f)

Auch die DFLP bekannte sich ideologisch zum Marxismus-Leninismus und war der Meinung, „daß das ‚historische Schicksal Palästinas mit dem Schicksal der Palästina umgebenden Gebiete entschieden‘ wird. Dieses Palästina, seinem Charakter nach“volksdemokratisch„— Habas hielt sich hier noch zurück —, sei nur denklbar als Ergebnis und ‚Teil einer großen arabischen sozialistischen Föderation, in der die Macht, die ganze Macht, von den Räten der Arbeiter, armen Bauern und Soldaten ausgeübt wird‘; der Weg dahin bestünde in ‚bewaffnetem Kampf und dem Volksbefreiungskrieg gegen Zionismus, Imperialismus und Reaktion‘.“ (HÖPP, 1986: 261f)

Wenn sich PFLP und DFLP auch in ihren ideologischen Grundlagen stark glichen, so gab es doch unterschiedliche Positionen in der Frage der Methoden des bewaffneten Kampfes.

Die PDFLP übte von Anfang an harte Kritik an den Flugzeugentführungen, die sie aus ‚humanitären Gründen‘ ablehnte, da sie sich gegen ‚Personen, die nicht mit dem Konflikt zwischen Palästinensern und Zionisten zu tun haben‘, richte. (BAUMGARTEN, 1991: 225)

Im Gegensatz zu „individuellem Terror“ wurden bewafnnete Operationen in Israel „als Antwort auf israelische Aktionen gegen arabische Zivilisten gerechtfertigt, allerdings mit der einschränkenden Bedingung, daß sie mit dem Massenwiderstand in den besetzten Gebieten verknüpft sein müßten.“ (BAUMGARTEN,1991: 225)

Auch die DFLP versuchte ähnlich der PFLP eine „loyale Opposition“ zu Arafats Fatah zu bilden und blieb fast immer in den PLO-Gremien vertreten.

Seit 1974 baute die DFLP aber auch ihre „besonderen Beziehungen“ zur UdSSR aus, was ihren Einfluß in der PLO verstärkte.

Erst der „Friedensprozeß“ brachte die DFLP in stärkere Opposition zu Arafat, was auch zur Abspaltung einer Arafattreuen Gruppe, der „Fida“ führte. Die DFLP selbst beteiligte sich wie die PFLP nicht an den Wahlen zur Palästinensischen Autonomiebehörde.

In den Besetzten Gebieten versuchte die DFLP ihr elitäres Imige zu bekämpfen indem sie einge Reihe von Frontorganisationen gründete. Diese Frontorganisationen — wie Gewerkschaften, Jugend- und Frauenorganisationen, ... — „are open to all and have done away with the strict membership terms generally applied to candidates for DFLP membership.“ (STEINBERG, 1989: 32)

Die Debatte um die Methoden des Kampfes wurde von PFLP und PDFLP vor allem nach dem "Schwarzen September 1970 intensiviert als der Jordanische König Hussein nach der Entführung von 3 internationalen Flugzeugen durch die PFLP in Amman ein Blutbad unter den PalästinenserInnen Jordaniens anrichtete und im Juni 1971 die letzten Fida´iyun-Verbände palästinensischer Militanter im Norden des Landes massakrierte.

Auch der DFLP gelang es nicht aus der Unzufriedenheit der palästinensischen Bevölkerung mit dem „Friedensprozeß“ Kapital zu schlagen. Sie verlor in den Besetzten Gebieten deutlich an Anhängerschaft und hatte im Dezember 1994 Umfragen zufolge nur mehr 1,4% der Bevölkerung hinter sich (BAUMGARTEN, 1995: 9). Der DFLP machte auch der Wegfall ihres wichtigen Verbündeten — der Sowjetunion — deutlich zu schaffen.

4.4. Die Fida

Jener Teil der DFLP der für den das Oslo-Abkommen und eine Beteiligung an der Palästinensischen Autonomiebehörde eintrat, spaltete sich „unter der Führung von Yassir Abed-Rabbo“ (Baumgarten, 1995: 8) von der Mutterpartei ab und beteiligt sich seither als kleiner Koalitionspartner an der von Fatah geführten Regierung.

Die relativ unkritische Haltung der Fida gegenüber Arafat bescheerte ihr jedoch keinen anhaltenden Erfolg in der Bevölkerung. Hatten sie zu Beginn noch 3% der PalästinenserInnen unterstüzt, so liegen ihre neueren Umfragewerte auf unter 1%.

4.5. Die Revolutionäre Volksfront zur Befreiung Palästinas (RPFLP)

Im Februar 1972 spitzten sich interne Richtungskämpfe in der PFLP erneut so weit zu, daß sich eine „linke“ Gruppe mit Salim Darduna — dem militärischen Verantwortlichen der PFLP für den Südlibanon — von der Organisation trennte und die „Revolutionäre Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (RPFLP) gründete.

„Die Abspaltung der etwa 150 Personen zählenden RPFLP, die — zumindest am Anfang — Hilfe von Fatah erhielt“ (HÖPP, 1986: 274) war wenig erfolgreich und spielte nie einge bedeutendere Rolle im palästinensischen Widerstand.

4.6. Die Palästinensische Kommunistische Partei (PCP)

Die Palästinensische Kommunistische Partei (PCP) entwickelte sich aus den Teilen der Jordanischen KP die im Westjordanland nach dem Sechstagekrieg unter israelische Besatzung kamen. So wurde sie „die älteste politische Organisation in den besetzten Gebieten.“ (FLORES, 1988: 88)

Auch die Palästinensische KP hat in ihrem Programm die „nationale Befreiung“ der PalästinenserInnen zu einem ihrer Hauptanliegen gemacht und forderte „schon sehr früh klar einen palästinensischen Staat in der Westbank und im Gazastreifen“.(FLORES, 1988: 88)

Im Gegensatz zu PFLP, DFLP und PFLP-GC war die PCP immer mehr auf die Bevölkerung in den besetzten Gebieten ausgerichtet und weniger in der palästinensischen Diaspora vertreten. In der PLO ist sie erst seit den achziger Jahren vertreten. Die übertriebene Betonung des bewaffneten Kampfes hat die PCP nie mitgemacht.

Große Teile der PCP-Kader haben in der Sowjetunion ein Studium absolviert und sind dadurch mit dem Kommunismus in Berührung gekommen. Unter diesen in der Sowjetunion ausgebildeten AkademikerInnen befinden sich besonders viele ÄrztInnen aus den Besetzten Gebieten. Die wichtigste Organisation zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung der Westbank und des Gazastreifens — die „Union of Palestinian Medical Relief Comitees“ — die als Vorfeldorganisation der PCP gegründet wurde ist deshalb heute noch von (ehemaligen) KommunistInnen dominiert.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Beginn des „Friedensprozesses“ benannte sich die Palästinensische Kommunistische Partei wie viele ihrer Schwesterparteien in Europa um. Sie heißt nun Palästinensische Volkspartei (PPP) und beteiligte sich teilweise sehr erfolgreich an den Wahlen zur Palästinensischen Autonomiebehörde.

Eine Abspaltung der PCP arbeitet weiter unter diesem Namen vor allem im Exil in Damaskus und ist Teil der Rettungsfront von PFLP-GC, As-Sa´iqa, ...

4.7. As-Sa´iqa

Die As-Sa´iqa ist eigentlich nur der militärische Arm der „Vanguards of the Popular Liberation War“ (VPLW), der Name As-Sa´iqa ist allerdings in der Öffentlichkeit wesentlich bekannter.

Die VPLW ist im wesentlichen ein Ableger der syrischen Baath-Partei. Sie arbeitete lange in den Institutionen der PLO mit, bildet aber seit der Etablierung der Salvation Front in Damaskus eine der wichtigsten Säulen dieser Anti-Arafat-Koalition und lehnt das Oslo-Abkommen grundsätzlich ab.

4.8. Die Palästinensische Befreiungsfront (PLF) und die Arabische Befreiungsfront (ALF)

Die Palästinensische Befreiungsfront ist wie die Arabische Befreiungsfront (ALF) ein kleiner Ableger der iraqischen Baath-Partei. Beide Organisationen arbeiteten in der Vergangeneheit in PLO-Gremien mit, lehnen den aktuellen „Friedensprozeß“ aber ab.

4.9. Al-Fatah-Provisional Command

Teile der AL-Fatah revoltierten 1983 im Libanesische Bekaa-Tal gegen die Fatah-Führung Yassir Arafats. Die DissidentInnen um Abu Musa treten seither unter dem Namen „Al-Fatah-Provisorisches Kommando“ auf und sind Teil der Salvation Front „in der auch die [...] As-Saíqa, die PFLP-GC und die PPSF-Volksfront vereinigt waren.“(PRADER, 1988: 217)

Auch die Al-Fatah-Provisional Command lehnt den „Friedensprozeß“ Arafats ab.

4.10. Al-Fatah-Revolutionsrat

Auch beim Al-Fatah-Revolutionsrat handelt es sich um eine Abspaltung von der Al-Fatah Yassir Arafats. Obwohl sich die Al-Fatah-Revolutionsrat unter der Führung des weltweit berüchtigten Terroristen Abu Nidal als besonders revolutionär betrachtet, wird diese Auffassung von keiner anderen PalästinenserInnengruppierung geteilt.

Die besonders blutigen Exzesse gegen Zivilbevölkerung — u. a. auch die Schießerei vor dem El Al-Schalter am Flughaven Schwechat — und der offene Antisemitismus Abu Nidals brachten der „Al-Fatah-Revolutionsrat“ die Feindschaft aller anderen Gruppierungen und Abu Nidal selbst ein Todesurteil der PLO ein.

Die Abu Nidal Gruppe war eine Terroristenorganisation, die Anschläge auf ‚gemäßigte‘ PLO Mitglieder sowie Synagogen und jüdische Einrichtungen in Europa durchführte. Es wurde sogar unterstellt, daß die Abu Nidal Gruppe für den israelischen Geheimdienst arbeitete. (O´BRIEN, 1988: 390)

Diese Verbindungen konnten zwar nie bewiesen werden, zeigen aber wie tief der Haß der anderen Organisationen gegenüber der menschenverachtenden Politik Abu Nidals — der zwischenzeitlich schon längere Zeit nicht mehr aufgetaucht ist — war.

4.11. Jabat al Nidal

Die kleine Gruppe des „Befreiungskommandos“ Jabat al Nidal hat sich angesichts des „Friedensprozesses“ in eine arafatfreundliche und eine oppositionelle Gruppierung gespalten.

5. Frauenorganisationen und Gewerkschaften

Neben diesen quasi als politische Parteien fungierenden Organisationen des Palästinensischen Widerstandes gibt es natürlich eine Reihe verschiedener Organisationen bestimmter Gesellschaftssegmente die insbesondere in den besetzten Gebieten aktiv sind.

Besonders die linken Organisationen haben immer wieder versucht Gewerkschaften, Jugend- und Frauenorganisationen im Gazastreifen und der Westbank aufzubauen. Im Gewerkschaftsbereich waren dabei insbesondere die DFLP und die PCP erfolgreich.

Auch die Frauenorganisationen leisten einen wichtigen Beitrag im Widerstand der PalästinenserInnen, sowie im sozialen und charitativen Bereich.

Die ‚neue‘ Frauenbewegung wurde am internationalen Frauentag 1978 bei einem Treffen in Ramallah gegründet. Eine Gruppe von ungefähr fünfzig Studentinnen und jungen berufstätigen Frauen etablierte das ‚Arbeiterinnenkomitee‘. (RAWI, 1994: 40)

In den darauffolgenden Jahren entstanden in den Städten und Dörfern eine Vielzahl von Frauenorganisationen die meist mit einer der linken Parteien verbunden waren, teilweise aber auch unabhängig von ihnen existierten.

Den Frauenorganisationen ging es dabei sowohl um den Kampf gegen die Israelische Besatzung, als auch darum die Rolle der Frauen in der Palästinensischen Gesellschaft zu thematisieren. So ist im Laufe der Jahre auch in Palästina eine starke feministische Bewegung entstanden, die sich aber angesichts der Unterdrückung von Männern und Frauen nicht nur der Befreiung der Frauen widmet.

6. Intellektuelle Kritik an Yassir Arafat

Die fortschrittliche Opposition gegen die Führung der PLO und der Palästinensischen Autonomiebehörde beschränkt sich jedoch keineswegs auf organisierte Parteien und Organisationen. Besonders „das undemokratische Zustandekommen der ‚Declaration of Principles‘ und der ihr nachfolgenden israelisch-palästinensischen Vereinbarungen haben vielfältige Kritik hervorgerufen“. (SCHERB, 1995: 470)

Auch die immer autoritärere „Staatsführung“ Yassir Arafats sorgt immer mehr für Kritik in den eigenen Reihen der Fatah und unter den Intellektuellen Palästinas.

Der durch die Abkommen erzielte diplomatische Erfolg Israels ist nur etwas geringer zu bewerten als jener der Staatsgründung von 1948. Die Niederlage der Palästinenser dagegen ist total. (WATZAL, 1996: 28)

Die konkreten Lebensumstände der Bevölkerung haben sich seit den Abkommen nicht nur nicht verbessert, sondern vielfach noch verschlechtert. Die Kleinstgebiete unter Palästinensischer Verwaltung erinnern immer mehr BeobachterInnen an die Bantustans Südafrikas. Die Palästinensischen Verwaltungsbehörden dürfen primär Sicherheitsaufgaben für Israel übernehmen und je nach bedarf können die Gebiete einfach abgeriegelt werden.

Der Autor Hilal Khashan, Professor an der Amerikanischen Universität in Beirut meint dazu: „Viele Araber sehen im Friedensprozeß nicht den Weg zum Ende des Konflikts mit Israel, sondern nur dessen Transformation. Sie halten den Frieden (wie ihn die Israelis mit amerikanischer Unterstützung erstreben) für Kapitulation.“ (CERHA, 1997: IV)

Wie Khashan sehen es viele palästinensische Intellektuelle. Einer der prominentesten fortschrittlichen Intellektuellen, der in der USA lebende Edward W. Said, hat zwischenzeitlich wieder die Diskussion um einen binationalen Staat in Palästina eingebracht. „‚Es gibt keine andere Lösung.‘ Eine solche Forderung bedeutet logisch das Ende der Staatsideologie Israels, das Zionismus.“ (STEINBERGER, 1997)

Said kritisiert sowohl Arafats Kapitulationspolitik als auch dessen autoritäre Staatsführung. Aber Said denkt wie viele Palästinensische Intellektuelle nicht nur über Israel und den Westen, sondern auch über die eigenen, arabische Gesellschaft nach. Said will beide verändern und denkt dabei an die Zukunft:

The challenge of Israel is the challenge of our own societies. We are now unequal to task because we are still chained to methods and attitudes that belong to an earlier time. The struggle of the twenty first century is the struggle to achieve self-liberation and self-decolonisation. And then Israel can be properly adressed. (SAID, 1989: 5)

Bibliographie

  • BAGENDA, Prince M.: Comparative Study of Liberation Struggles: Prelude to the uprisings in Palestine and South Africa (Soweto 1976 and Intifadah 1988)
    Sebha (Libyen) 1989
  • BAR-ZOHAR, Michael: Wenn David zu Goliath wird, Geschichte und Entwicklung des israelisch-palästinensischen Konfliktes
    München, 1991
  • BAUER, Kirsten: Palästinenser und PLO
    München, 1993
  • BAUMGARTEN, Helga: „Discontented People“ and "Outside Agitators, The PLO in the Palestinian Uprising
    IN: HEACOCK, Roger / NASSAR, Jamal R.: Intifada, Palestine at the Crossroads
    Birzeit University, 1990; New York, 1991
  • BAUMGARTEN, Helga: Palästina: Befreiung in den Staat
    Frankfurt am Main, 1991
  • BAUMGARTEN, Helga: Das „Gaza-Jericho-Abkommen“, Eine Zwischenbilanz des Friedensprozesses im Nahen Osten
    in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament
    B11/95
    10. März 1995, S 3-11
  • CERHA, Birgit: „Frieden der Könige und Pharaonen“
    in: Salzburger Nachrichten 31. 12. 1997
  • FLORES, Alexander: Intifada, Aufstand der Palästinenser
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  • GLASNEK, Johannes/ TIMM, Angelika: ISRAEL, Die Geschichte des Staates seit seiner Gründung
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  • HEACOCK, Roger / NASSAR, Jamal R.: The Revolutionary Transformation of the Palestinians Under Ocupation
    in: HEACOCK, Roger / NASSAR, Jamal R.: INTIFADA, Palestine at the Crossroads
    Birzeit University, 1990; New York, 1991
  • HOLLSTEIN, Walter: Kein Frieden um Israel, Zur Sozialgeschichte des Palästina- Konflikts
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  • HÖPP, Gerhard: Vom Nationalismus zum Sozialismus - Zur Geschichte und Ideologie der „Bewegung der Arabischen Nationalisten“ (1949-1975)
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  • HÖPP, Gerhard: Vom Nationalismus zum Sozialismus. Zur Geschichte und Ideologie der „Bewegung der Arabischen Nationalisten“ (BAN) und ihrer Nachfolgeorganisationen, 1948-1975.
    Dissertation zur Promotion B eingereicht bei der Akademie der Wissenschaften der DDR;
    Humboldt-Universität Berlin
    Berlin, 1986
  • HOURANI, Albert: Die Geschichte der Arabischen Völker
    London, 1991; dt. Ausgabe Frankfurt am Main, 1992
  • O´BRIEN, Conor Cruise: Belagerungszustand, Die Geschichte des Zionismus und des Staates Israel
    Wien, 1988
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  • RAWI, Rosina-Fawzia Al-: Gelber Himmel Rote Erde, Frauenleben in Palästina
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  • SAID, Edward W.: The challenge of Israel
    in: Al-Ahram Weekly; 15.-21- January 1998
  • SCHERB, Magrit: Krise der Erwartungen, Palästinensische Wirtschaftsentwicklung und Friedensprozeß
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  • STEINBERG, Matti: The Worldview of Habash´s „Popular Front“
    in: Jerusalem quaterly; Band 45-48; S 3-36;
    Jerusalem, 1988
  • STEINBERG, Matti: The Worldview of Hawatmeh´s „Democratic Front“
    in: Jerusalem quaterly: Band 49-52; S 23-40;
    Jerusalem, 1989
  • STEINBERGER, Petra: Provokateur der Gerechtigkeit, Geachtet selbst von seinen Widersachern: der Palästinenser Edward W. Said aus New York
    in: Süddeutsche Zeitung 5./6. Juli 1997, Nummer 152
  • WATZAL, Ludwig: „Wie die Maus in der Falle“-Die Tatsachen des israelisch-palästinensischen Friedensprozesses
    in: International 3/1996; S 26-31;
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