FORVM, No. 106
Oktober
1962

Djilas oder Die bestrafte Reue

In jener Stille, die Unerhörtes ankündigt, lauschen wir gern den Seufzern eines Reumütigen, der in seiner Buße — verzweifelnd — die Raserei seiner Sünden wiederfinden möchte. Es mißfällt uns nicht, daß er seine Vergangenheit bloßlegt und, um ihr zu entrinnen, sich so tief verwundet, als wäre er der gehässigste Feind seiner selbst. Aber das Zwiegespräch des einsamen Büßers mit sich selbst sollte nicht zu lange dauern. Auch für den Zerknirschten gilt das Gesetz des guten Geschmacks, und dieses gebietet, daß der in die Irre gegangene Held sich nicht anklage, ehe der letzte Akt begonnen hat. Die allerletzte Szene gehört dann den Überlebenden, die sich um das Grab des reuigen Sünders scharen und ihm vergeben.

Der Büßer muß, genau wie der Held nach seinem Triumph, recht schnell verschwinden, wenn er nicht selbst den gütigsten seiner Zeitgenossen lästig werden soll. Das gilt besonders für einen Mann, der sich von der Macht zurückgezogen hat und daraufhin die Macht und die anderen Machthaber anklagt, die sich damit abgefunden haben, auch weiterhin zu herrschen und ihre Vorrechte zu genießen.

Mag der Kronprinz nach seinem Verzicht auf die Thronfolge sich zum Bettler oder zum Propheten eines neuen Glaubens machen: er soll sich davor hüten, den König oder dessen Höflinge zu richten.

Von allen Kommunisten, die aus freien Stücken mit ihrer Partei gebrochen haben, ist Milovan Djilas der einzige, der, vor eine letzte Alternative gestellt, sich entschied, seine Position aufzugeben. Er trennte sich von der Führungsgruppe, die seit 17 Jahren Jugoslawien beherrscht. Seither, seit dem Januar 1954, führt er ganz allein einen ungleichen Kampf, dessen Ausgang gewiß erscheint.

Worum es sich im Fall Djilas handelt, geht weit über eine Person und deren Schriften hinaus, über deren Irrtümer von gestern und Leiden von heute. Es betrifft auch weit mehr als bloß Tito, dessen Regime und Jugoslawien.

Doch handelt es sich immerhin in erster Linie um einen Menschen, der seit seinem Bruch mit der Macht wie eingemauert in der entmutigendsten Einsamkeit lebt: in der Einsamkeit dessen, der von Menschen verfolgt wird, die er gestern noch liebte und von denen er sich geliebt fühlte in der Verzweiflung so gut wie auf der Höhe des Sieges; er lebt in der zweifachen Absonderung des Häftlings, der weiß, daß seine Wächter noch vor kurzem seine Waffenbrüder waren und daß die Gefährten seiner Gefangenschaft niemals vergessen werden, daß er von all ihren Feinden einst der erbarmungsloseste war.

Milovan Djilas wurde 1911 geboren, in den späten Stunden eines launischen Frühlingstages, wie er in seiner Autobiographie „Land ohne Recht“ erzählt. Seine Mutter mußte die Niederkunft geheimhalten, denn es galt als schändlich, ein Kind zur Welt zu bringen, ehe das Haus der Familie ganz fertiggestellt war. Die Djilas aber zogen gerade erst in Podbisce bei Kolasin ein, wo der Vater zum Kommandanten der Grenzwache ernannt worden war.

Die Topographie dieser Gegend weist neben Schlachtfeldern auch Stätten der Ausrottung auf. Hier wurden Montenegriner, die sich unter dem Druck der Türken zum Islam bekehrt hatten, auf ihren Feldern getötet, in den Wäldern, auf den Weiden unter der schwarzen Sonne. Die Überlebenden entflohen; die im Brudermord siegreichen Christen erbten ihre Hütten und ihre Dörfer.

Djilas ist der Sohn eines Volkes, das sich niemals Rast gegönnt und stets abgelehnt hat, Niederlagen anzuerkennen. Während mehr als fünfhundert Jahren (seit dem 28. Juni 1389) führte es einen ununterbrochenen Guerillakrieg gegen die Türken.

In diesem Land brachte man den Kindern vor allem eine Furcht bei: die Furcht davor, sich furchtsam zu zeigen. Daher übten sie sich immerfort in jenem Mut, der die Gefahr sucht oder sie durch unsinnige Wagnisse erst hervorruft. Zweifellos ist Djilas diesem Mut auch später treu geblieben — als illegaler Aktivist und als Funktionär der Kommunistischen Partei.

Auf den 350 Seiten seines Buches „Land ohne Recht“ erweist sich Djilas als Dichter jedesmal dann, wenn die Liebe zu seiner Heimat ihn gleichsam von sich selbst befreit, indem sie ihn aus der Vereinsamung löst, in der er seit seinem Bruch mit dem Kommunismus lebt. Was ihn an die düstern Berge, an den steinigen Boden, an die armseligen Dörfer seines winzigen Heimatlandes bindet, das hat die Erinnerung liebevoll aufbewahrt. Er bekennt sich auch zu seiner Bindung an seinen ältern Bruder Alexa:

Nichts Trennendes gab es zwischen uns, alles band uns aneinander. Ohne die Liebe, die ich für ihn fühlte, hätte ich kaum gewußt, was jene wirkliche Liebe ist, die nichts zerstören und nichts ins Vergessen sinken lassen kann. Vielleicht ist ihm der Tod vor einem Peloton leichter geworden, wenn er noch Zeit gehabt hat, an meine Liebe zu denken.

Djilas war drei Jahre alt, als der Erste Weltkrieg ausbrach, der für die Serben, mehr noch als für andere Nationen, zum furchtbaren Aderlaß wurde. Montenegro, von den Österreichern 1916 besetzt, wurde ein Opfer des Hungers, der Epidemien und, heftiger noch als sonst, der inneren Zwietracht. Der kleine Milovan lernte früh die Gewalttätigkeit kennen, die herausfordert und erniedrigt, ehe sie unterdrückt, und jene Macht, die tötet, ohne zu zögern. Als er Berane verließ, das Städtchen, in dem er das Gymnasium besuchte, betrachtete sich Milovan schon als Kommunist. Er fand sich leicht mit der Gewalttätigkeit des Kommunismus ab, ja dessen apokalyptische Drohungen zogen ihn an.

Der Staatsstreich vom 6. Januar 1929, durch den der König seine Diktatur errichtet, verstärkt in Djilas wie in vielen Intellektuellen seinesgleichen die Überzeugung, daß man alle Verhältnisse ändern und von Grund auf umwälzen müßte.

In Belgrad inskribiert Djilas an der philosophischen Fakultät und nimmt sogleich an verschiedenen studentischen Aktionen teil, die von der illegalen Kommunistischen Partei organisiert oder zumindest angeregt werden. Im Jahr 1932 wird er aktives Parteimitglied; er bringt sich rasch zur Geltung und wird mit Aufgaben von zunehmender Bedeutung betraut.

Ein Jahr darauf wird er verhaftet und zu drei Jahren Zuchthaus verurteilt, die er in Sremska Mitrovica abbüßt — einem Gefängnis, das gleichsam zur politischen Universität wird, an der die Partei ihre höheren und mittleren Funktionäre ausbildet.

1936, kaum aus der Haft entlassen, nimmt er seine politische Tätigkeit wieder auf, welche jenen seltsamen unterirdischen Charakter bewahrt, den die balkanischen und südamerikanischen Diktaturen zugleich ermöglichen und erzwingen: Phasen brutaler Verfolgung wechseln mit Perioden ab, da die Illegalen eine stillschweigende Toleranz genießen. Und auf jede solche erstaunliche „Liberalisierung“, welche die Wiederherstellung aller Freiheiten anzukündigen scheint, folgt unfehlbar eine grausame Verschärfung des Regiments.

Man kennt Milovan Djilas in den intellektuellen Kreisen Belgrads und Zagrebs. Auch der Polizei bleibt seine Rolle in der unterirdischen Bewegung nicht verborgen. Das hindert Josip Broz-Tito nicht, ihm immer wichtigere Funktionen innerhalb der neugebildeten Parteileitung anzuvertrauen. Die stalinistische Liquidation, der nach und nach alle Führer der jugoslawischen Partei in Moskau zum Opfer fielen, beschleunigt den Aufstieg Titos und ebnet den Weg der jungen Leute, die zu seiner engern Gefolgschaft gehören.

Nach seiner ersten Begegnung mit Tito, in Zagreb 1937, nimmt Djilas’ Laufbahn eine neue Wendung. Er steigt immer höher und höher, bis der Bruch mit der Partei ihn in den Abgrund stürzt. Als Mitglied des Zentralkomitees geht er mit besonderer Strenge gegen jegliche „ideologische Abweichung“ vor, da er in ihr den objektiven, wenn nicht gar subjektiven Verrat wittert. Daß er beispielhafter Stalinist war, geht aus den folgenden Zeilen hervor, die er im Oktober 1942, mitten im Elend des Partisanenkrieges, veröffentlichte:

Gibt es eine größere Ehre und eine tiefere Freude, als zu wissen, daß Stalin dein nächster Genosse ist, daß er der geliebteste Genosse ist ... Stalin hat in seiner Verfassung das glorreiche Gedicht der Freiheit und der Brüderlichkeit zwischen Menschen und Völkern verwirklicht. Stalin ist der einzige Staatsmann, der ein ruhiges Gewissen und ein altruistisches Herz hat ... Stalin ist der vollkommenste aller Menschen ... Er weiß alles, er sieht alles; alles, was menschlich ist, geht ihm nahe ... Es gibt für Stalin kein Rätsel, das er nicht auflösen, und kein Geheimnis, das er nicht enthüllen könnte ...

Djilas ist in seinen Worten und in seinen Taten der eifernde Beamte des Stalinismus, dessen Zweifel gegenüber Nicht-Orthodoxen stets zum Mißtrauen führt und sich rasch in einen Verdacht verwandelt, dem ebenso rasch das Verdammungsurteil folgt.

Vladimir Dedijer erzählt in seiner Autobiographie „The Beloved Land“, wie sein Freund Djilas ihm verbot, dem jungen Dichter Oscar Davičo zu helfen, der damals — im Jahre 1938 — gerade eine fünfjährige Gefängnisstrafe abgebüßt hatte. Eben weil dieser junge Schriftsteller so viel für die kommunistische Sache gelitten hatte, war für Djilas seine Kühnheit, wie ein Surrealist zu dichten, desto unerträglicher. Man mußte ihn als Trotzkisten entlarven und Sympathisierende — zu denen damals Dedijer gehörte — davon abhalten, dem Ketzer in seinem Elend beizustehen.

Djilas erklärt: „Davčto ist vor allem ein Surrealist ... Weißt du nicht, daß die Partei zwar Menschen macht, aber auch durchaus imstande ist, sie zu vernichten, sobald sie sich von der Parteilinie entfernen?“

Djilas ist es auch, der den Kampf gegen die kommunistischen und sympathisierenden Intellektuellen führt, die sich um den großen Schriftsteller Miroslav Krleža und dessen Zeitschrift geschart haben. Sie alle meinen, sie könnten den Obskurantismus ablehnen und trotzdem der Sache treu bleiben. Die Jagd nach den „Abweichlern“ hält jedoch an und wird unermüdlich weiterbetrieben auch in der Zeit, da Hitlers Drohungen immer gefährlicher werden, da der Faschismus überall zum Sturmangriff übergeht und in Spanien der Bürgerkrieg ausbricht.

Noch im Jahr 1935 — nach dem VII. Kongreß der Komintern, der beschließt, die wahnwitzige Politik „Klasse gegen Klasse“ und damit den Kampf gegen die sogenannten „Sozialfaschisten“ aufzugeben — gelingt es den jugoslawischen Kommunisten nicht, aus ihrer Isolation herauszukommen und die Initiative zu einer „Volksfront“ zu ergreifen. Die Führung gibt ihren sektiererischen Dogmatismus nicht auf und befreit sich nicht von ihrem aufreizenden Byzantinismus gegenüber Stalin.

Djilas, Wächter der ideologischen Reinheit, ruft unaufhörlich Zwistigkeiten hervor, kritisiert, klagt an und verurteilt alle, die darauf bestehen, wenigstens in ihrem eigenen Fachgebiet eine eigene Meinung zu haben. Krleža versteift sich darauf, seine Romane, Dramen und Essays genau so zu schreiben, wie es ihn gutdünkt. Er lehnt es ab, sich Djilas zu unterwerfen, welcher nichts anderes als einige schlechte Aufsätze veröffentlicht hat und ihm „im Interesse der Emanzipation des Weltproletariats“ eine ästhetische Generallinie aufzwingen will.

Gewiß, ohne die Zustimmung Titos und Moshe Pijades könnte der junge Bürokrat es nicht wagen, Männer von großem Ansehen fortgesetzt herauszufordern. Doch die beiden älteren Führer sind der Meinung, daß die Partei niemandem auch nur die Spur eines Zweifels erlauben darf. Daher stimmen sie zu, daß z.B. ein Intellektueller zum Schweigen gebracht wird, weil er es gewagt hat, an Lenins „Materialismus und Empirio-Kritizismus“ oder an Engels’ „Dialektik der Natur“ Kritik zu üben. Denn keine Kritik kann als harmlos gelten in dieser Zeit der Moskauer Prozesse, die unter anderem Stalins Pakt mit Hitler vorbereiten.

Die Tätigkeit der Partei vollzieht sich fast völlig im Dunkel der Illegalität. In den wortreich ausgefochtenen ideologischen Streitigkeiten, die man in den vorübergehend legalen Zeitschriften veröffentlicht, zeigt man einander beim Hegel’schen Weltgeist an, bei den Manen von Marx, Engels und Lenin und leider auch — ohne es zu wollen — bei der politischen Polizei der verabscheuten Diktatur.

Außerhalb der Sowjetunion unterwerfen sich die Stalinisten freiwillig den Regeln und Verboten der GPU. Sie lesen nichts, was der Generallinie widerspricht, die paradiesische Vollkommenheit des Stalin’schen Reiches oder die Unfehlbarkeit des Vaters der Völker in Zweifel zieht. Djilas empfindet damals nicht das geringste Bedürfnis, etwas anderes zu lesen als die „Imprekorr“ (Internationale Pressekorrespondenz), die Wochenschrift des Komintern, die man auf gefährlichen Wegen ins Land schmuggelt, damit die Parteiaktivisten die Linie kennen und linientreu handeln. Hier erfahren die Bürokraten die immerfort wechselnden und doch stets endgültigen Antworten auf alle politischen, sozialen und wirtschaftlichen Fragen, auf alle philosophischen und ästhetischen Probleme.

Der deutsch-russische Pakt stellt eine ideologische Feuerprobe dar, in der jeder Kommunist und jeder Sympathisant sich zu bewähren hat. Wer das Vertrauen des Parteiapparates genießen will, muß die Kehrtwendung nicht nur gutheißen, sondern als Triumph der gerechten Sache begrüßen.

Tito, Djilas und ihre engeren Gefährten entledigen sich brutal all jener Genossen, die im Verdachte stehen, mit dem Pakt und mit der Teilung Polens nicht ganz einverstanden zu sein. Es heißt, das manche Zweifler der Polizei überliefert wurden — oder gar liquidiert, als man sie später unter den Partisanen aufspürte.

Am 4. Juli 1941 proklamierte die Kommunistische Partei Jugoslawiens die Notwendigkeit einer Volkserhebung gegen die feindliche Besatzung. In seinem Aufruf unterstrich Tito insbesondere, daß es die Pflicht Jugoslawiens sei, der Sowjetunion zu Hilfe zu eilen, damit dieses „heroische Volk nicht allein sein wertvolles Blut vergieße“. Etwa sechs Monate nach dem Bombenangriff auf Belgrad eröffneten Tito, Djilas, Ranković, Kardelj und ihre Gefolgschaft die Feindseligkeiten gegen die Deutschen und Italiener, sodann gegen die Ustaschi und die serbischen Faschisten und schließlich, nach dem Abbruch der Verhandlungen mit Michailović, gegen die Tschetniki, die sich als erste gegen die deutsche Besatzung gewandt hatten.

Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts hatten sich die Völker Jugoslawiens nicht weniger als achtundzwanzigmal gegen die Fremdherrschaft erhoben. Nun, im späten Sommer 1941, zogen sie wieder einmal, ohne Ideologie und ohne Programm, in den Kampf gegen furchtbare Feinde, die auch den Resigniertesten mit jedem Tag hassenswerter wurden und auch den Friedlichsten immer unerträglicher. In den Wäldern sammelten sich kleine und größere Scharen, auf den kahlen Bergen und auf den Inseln der Adria. Überall widersetzten sie sich dem Feind, der unbesieglich schien wie der Tod. Sie erlitten eine Niederlage nach der andern. Immer wieder waren sie auf der Flucht. Die eigene Erde wurde ihren Füßen immer härter. Sie litten Hunger und Kälte, es mangelte an Waffen und an Arzneien für die Verwundeten (die sie auch dann nicht zurückließen, wenn es eine übermenschlich schwere Aufgabe schien, sie mit sich zu führen). Ja, die jugoslawischen Partisanen haben das große Beispiel eines Muts ohne Fehl, einer Ausdauer ohne Grenzen, einer Treue und einer Geduld ohne Ende gegeben. Und Milovan Djilas war einer jener Männer, die sie durch all diese Fährnisse hindurchführten. Er zögerte niemals, sich der Gefahr auszusetzen, er zeigte stets jene montenegrinische Kühnheit, die — häufig nutzlos — die Knabenhaftigkeit des kriegerischen Heldentums unterstreicht.

Fast alle Bürokraten dieser Partei bewährten sich angesichts des Feindes und gewannen damit ein Sicherheitsgefühl, das ihr Vertrauen in die stalinistische Orthodoxie vorerst noch verstärkte. Dieses Sicherheitsgefühl sollte ihnen später — oh Dialektik! — jenen Widerstand erleichtern, den sie nach 1948 Stalin entgegensetzen mußten.

Als die Kommunistische Partei ihre totale und totalitäre Herrschaft über ganz Jugoslawien ausdehnte, schien dies die einzig mögliche Lösung des Problems. Die Ustaschi hatten die Serben in Kroatien, Bosnien und in der Herzegowina abgeschlachtet, die Tschetniki hatten die Kroaten überall verfolgt, wo sie ihrer habhaft wurden. Nur die von den Kommunisten geführte Befreiungsarmee hatte tatsächlich das Prinzip der Gleichheit und Brüderlichkeit aller jugoslawischen Stämme gewahrt. Nun, nach dem Krieg, fürchtete man neue Ausbrüche des nationalen Hasses. So fanden sich viele damit ab, unter einem kommunistischen Regime zu leben, denn sie hofften, daß dieses der Zwietracht der jugoslawischen Völker ein Ende setzen und eine föderative Lösung des Nationalitätenproblems verwirklichen würde.

Gewiß, nach solchem Krieg, nach der Herrschaft des Ante Pavelić, drängte der Wunsch nach Vergeltung zu mörderischen Racheakten. Ranković und Djilas verbreiteten den Terror gemäß jener polizeilichen Geschichtsauffassung, der sie als eifervolle Stalinisten mit größter Entschiedenheit anhingen. Während dieser Jahre verfügte Milovan Djilas über die Macht, alle ideologischen Streitigkeiten selbstherrlich zu regeln, ohne auf Widerstand zu stoßen. Die Bücher, die ihm mißfielen, konnten niemandem gefallen, denn sie erschienen nicht oder verschwanden spurlos, desgleichen Theaterstücke, Bilder usw.

Belgrad wurde für die Nachkriegskommunisten ein zweites Moskau. Der Ruhm des Marschall Tito stand nur dem des Generalissimus Stalin nach, was diesen eifersüchtig stimmte. Man installierte das Kominform in der jugoslawischen Hauptstadt und mit ihm jene Organisationen guten Willens, die unter falscher Marke dem Stalinismus dienten.

Djilas begegnete dem Mann, den er als den „vollkommensten Menschen“ bezeichnet hatte, mehrmals in Moskau. Erlebte er schon damals eine Enttäuschung, so verriet er sie jedenfalls nicht. Stalin, den dieser Montenegriner mit Neugier erfüllte, lud ihn in einen kaukasischen Badeort ein. Djilas sollte sich dort nach einer Krankheit erholen, und der georgische Geheimdienst sollte eingehend den Mann beobachten, der seltsamerweise noch nicht erkannt hatte, wie vorteilhaft es sein konnte, gerade dann zu schweigen, wenn alle andern sich um den Hals redeten.

nächster Teil: Djilas oder Die bestrafte Reue (II)
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