Erich Mühsam (1878-1934)
Erich Mühsam gehört zu den schillerndsten Personen des Weimarer Kulturlebens. Schon als Schüler und Lehrling (Apothekergehilfe) kam der gebürtige Lübecker mit Staat und Obrigkeit in Konflikt. Vor und während des 1. Weltkrieges gab er die Zeitschfrift „Kain“ heraus und verkehrte in den Kreisen von Pazifisten und Antimilitaristen sowie der politischen Bohème um die Kommunen von Monte Veritá (Ascona).
Sehr beeinflußt von dem in der Münchner Räterepublik ermordeten deutschen Anarchisten Gustav Landauer entwickelt sich Mühsam zu einem pazifistischen Anarchisten. Auch er nimmt an der Münchner Räterepublik als Volksbeauftragter für Kultur aktiv teil und wird dafür zu einer langjährigen Kerkerhaft verurteilt, von denen er einige Jahre auf der Festung Landsberg absitzt. Wieder in der Freiheit engagiert er sich politisch stark bei den Anarcho-Syndikalisten und in der Unterstützung politischer Gefangenen, namentlich der Roten Hilfe. Hierbei vertritt er einen pragmatisch-undogmatischen Anarchismus und arbeitet auch eng mit der KPD zusammen. Neben seiner eigenen Zeitschrift „Fanal“ ist er Mitarbeiter an zahllosen anderen Periodika, schreibt Theaterstücke, Gedichte, Essays. Trotz seines relativ großen Erfolges als Schriftsteller ist er zeitlebens bettelarm geblieben; zur Zeit des Reichstagsbrandes gelang es ihm mit aller Mühe das Geld für eine Fahrkarte zur Flucht nach Prag zusammenzubekommen. In der Nacht vor seiner Abreise wird er von SA verhaftet und kommt in das KZ Oranienburg, wo ein grausamer Leidensweg beginnt: Er wird gefoltert, gedemütigt, man bricht ihm die Finger, damit er nicht mehr schreiben kann. Schließlich stellt ihn die SS-Verwaltung vor die Alternative: „Entweder Sie erhängen sich bis morgen Früh oder wir tun es.“ Mühsam tut seinen Schergen diesen Gefallen nicht. Am nächsten Tag finden ihn seine Mithäftlinge gefesselt und aufgehängt auf einer KZ-Toilette ...
Seine Frau Kreszentia flieht mit seinem umfangreichen Nachlaß nach Prag und — entgegen den beschwörenden Bitten ihres Mannes — in die UdSSR, wo zunächst einige Werke von ihm verlegt werden. Kurz darauf aber wird Kreszentia Mühsam unter der Anklage „antisowjetischer Haltung“ zur Zwangsarbeit nach Sibirien deportiert, wo sie fast 20 Jahre bleibt. Alt und gesundheitlich ruiniert, wird sie später in die DDR entlassen, wo sie stirbt. Erich Mühsams literarischer und politischer Nachlaß lagert im Moskauer Gorki-Institut unter strengem Verschuß.
Aus:
Zeitung für Mittelhessen