Heft 5/2001
September
2001

Erwünschte Nebenwirkung

Zur Geschlechterpolitik der neoliberalen Hochschulreform

Als eines der wichtigsten so genannten „Reformprojekte“ der blauschwarzen Regierung gilt der Umbau der österreichischen Universitäten.

Eine erste Etappe auf dem Weg zur „neuen Universität“ war die Einführung eines neuen Universitätslehrerdienstrechtes, welches Anfang Juli im Parlament von ÖVP und FPÖ beschlossen wurde und ab Oktober in Kraft treten soll. Die Zielsetzung und die konkrete Ausgestaltung dieses neuen Dienstrechts für UnilehrerInnen zeigt ganz deutlich, was die derzeitige Regierung mit ihrer „Unireform“ bezweckt: eine beschleunigte neoliberale Umstrukturierung des Hochschulsystems. Damit einher gehen eindeutig feststellbare frauendiskriminierende Auswirkungen, welche die bestehenden hierarchischen Geschlechterverhältnisse an den Universitäten erneut verfestigen und zementieren.

Die Notwendigkeit einer Reform der Universitäten ließ sich das Bildungsministerium gar über ein Meinungsforschungsinstitut vom „Volk“ bestätigen: Über die Hälfte der Österreicher und Österreicherinnen finden, dass die Zeit für eine umfassende Modernisierung der Universitäten reif sei. Darin sind sich auch alle Parlamentsparteien einig. Was ist nun aber unter dieser viel zitierten und diskutierten „Reform“ zu verstehen? In welchem gesellschaftlichen und ideologischen Kontext steht sie?

Deregulierte Universitäten

Die mit dem UOG 93 bereits von Rot-Schwarz eingeleitete Reform des tertiären Bildungssystems muss vor dem Hintergrund eines weitreichenden neoliberalen Transformationsprozesses betrachtet werden. Die Rolle der Institution Hochschule hat sich im Zuge des Wandels vom fordistischen Sicherheitsstaat zum nationalen Wettbewerbsstaat grundlegend geändert. Mit einiger Zeitverzögerung wird die neoliberale Strukturreform nun auch auf die Universitäten übertragen: Die ehemaligen „Massenuniversitäten“ mit freiem Hochschulzugang sollen umgewandelt werden in deregulierte Dienstleistungsunternehmen. In der herrschenden Ideologie steht die Hochschule für die Ressource „Bildung“, die Wettbewerbsvorteile und „Standortvorteile“ sichern soll. Es geht mithin um die Sicherung der nationalen Konkurrenzfähigkeit im Postfordismus. Neoliberale Instrumentarien und Kriterien werden nun auf Universitäten angewandt, um sie zu betriebswirtschaftlichen Dienstleistungsunternehmen umzufunktionieren. Deregulierung ist der neuralgische Punkt, um den sich die Neugestaltung der Universitäten dreht. An die Stelle der bisherigen politischen Steuerung des Bildungssystems tritt nun eine ökonomische bzw. marktwirtschaftliche Steuerung. Da ist die typisch neoliberale Rede von Steigerung der Leistungsfähigkeit, Autonomie (Vollrechtsfähigkeit), Effizienzsteigerung, leistungsgebundene Budgetzuweisung; da schwärmen Industriellenvereinigung und Professoren von Aufnahmetests und studentischer „Selektion“. In den Worten des Bildungsressorts liest sich das so: „Umfangreiche Entscheidungskompetenzen wurden vom Bildungsministerium zu den Universitäten verschoben, um ihnen betriebswirtschaftliches Agieren, Management und Dienstleistungsorientierung zu ermöglichen und damit die Effizienz- und Qualitätssteigerungen, mehr Kostenwahrheit und entsprechende Verbesserungen im Ressourceneinsatz zu erzielen“. [1]

Neues Dienstrecht

Die von Bildungsministerin Gehrer als „Sensation“ gepriesene Einführung des bereits erwähnten neuen Dienstrechts muss also im Zusammenhang mit diesen weitreichenden neoliberalen hochschulpolitischen Umstrukturierungsprozessen gesehen werden. Als Übergangsdienstrecht soll es die Vollrechtsfähigkeit der Universitäten, die bereits für Herbst 2002 geplant ist, einleiten und einer „Zupragmatisierung“ des wissenschaftlichen Personals entgegenwirken. Mit der Dienstrechtsnovelle hat die Regierung an den Universitäten als erster Einrichtung des Bundes das Beamtentum bzw. die Pragmatisierung abgeschafft und stattdessen privatrechtliche, zeitlich befristete Dienstverhältnisse eingeführt. Dies alles ohne Streiks und Proteste von Seiten der betroffenen UniversitätslehrerInnen. Mit den offiziellen VertreterInnen der DienstnehmerInnenseite, der Hochschullehrergewerkschaft erzielte die Regierungsseite einmal mehr einen so genannten „Kompromiss“, ohne jedoch substantielle Zugeständnisse gemacht zu haben oder gar vom geplanten Modell abgerückt zu sein. Kein Wunder also, wenn ÖVP und FPÖ über diesen „Durchbruch“ jubeln (Presse vom 5.7.01).

Als neues wissenschaftliches Laufbahnmodell wurde das so genannte „Vier-Säulen-Modell“ eingeführt: Eine wissenschaftliche Karriere beginnt von nun an als „wissenschaftliche/r MitarbeiterIn“ für die Dauer von vier Jahren; nach der Promotion besteht die Möglichkeit zur Bewerbung für eine auf sechs Jahre befristeten Assistenzstelle; danach ist eine erneute Bewerbung als befristete/r VertragsprofessorIn oder unbefristete/r UniversitätsprofessorIn vorgesehen. Eine Ausnahme bilden die so genannten „Staff Scientists“ als eine Art Systemerhalter mit einem zeitlich unbefristeten Dienstverhältnis. Die Unileitung kann über derartige Stellen eigenständig und je nach Bedarf der Institute entscheiden.

Abgesehen von den Staff Scientists enden im neuen Dienstrecht sowohl das Ausbildungsverhältnis der wissenschaftlichen MitarbeiterInnen als auch die Dienstverhältnisse der AssistentInnen und der VertragsprofessorInnen in allen Fällen durch Zeitablauf. Eine Verlängerung der jeweiligen Vertragsdauer durch irgendeine Form der Weiterbestellung ist nicht vorgesehen. Eine Ausnahme ist die Verlängerung des Dienstverhältnisses eines/einer befristeten VertragsprofessorIn auf unbestimmte Zeit durch den Rektor. Für jede höhere Verwendung ist eine Neubewerbung vorgesehen. Diese Regelung bedeutet, dass keine durchgängige Karrieremöglichkeit mehr gegeben ist. Durch die diskontinuierliche Gestaltung des akademischen Werdegangs wird die Universität von einem Ort der Qualifizierung des wissenschaftlichen Nachwuchses als Teil einer langfristigen Karriereplanung zu einer kurzfristigen Durchgangsstation ohne wissenschaftliche Perspektive.

Die zunehmende Fluktuation des wissenschaftlichen Personals wird längerfristig einen Qualitätsverlust bewirken, da ein kontinuierlicher Aufbau von wissenschaftlicher Kompetenz und Qualifikation erschwert wird.

Was das unter den beschriebenen Bedingungen für kritische SozialwissenschafterInnen und GeschlechterforscherInnen bedeutet, kann man sich leicht ausmalen. Die marktwirtschaftliche Steuerung von Bildungseinrichtungen bewirkt zwangsläufig, dass nur jene Fächer sich entfalten können, die ökonomisch verwertbar sind: technische und betriebswirtschaftliche Studienrichtungen, Teile der Naturwissenschaften und die Medizin. Auf die Sozialwissenschaften steigt der Druck enorm, sich dem Staat und den Märkten anzudienen. Mit der so genannten „Standortbereinigung“ hat diese Kosten-Nutzen-Rechnung von bestimmten Fächern bereits eingesetzt. In der marktorientieren Ausdifferenzierung von ganzen Fachgebieten tut sich der von der Regierung eingesetzte Rat für Forschungs- und Technologieentwicklung besonders hervor: Er empfiehlt die „zukunftsweisenden“ Lebenswissenschaften, Biowissenschaften und Verkehrstechnik als inhaltliche Schwerpunkte zu setzen. Für gesellschaftskritische Wissenschaft — in Österreich ohnehin schwach ausgeprägt — wird der Raum noch enger werden; entweder sie wird finanziell ausgehungert oder die befristeten Dienstverträge werden einfach nicht mehr verlängert.

Geschlechterpolitische Folgen

Von diesen forschungspolitischen Hierarchisierungen einmal abgesehen, sind die geschlechterpolitischen Implikationen des derzeitigen neoliberalen Umbaus des tertiären Bildungssystems katastrophal. Deutlich sichtbar wird dies einmal mehr beim neuen Dienstrecht für die Universitäten, das ja nur bei derzeit nicht-pragmatisierten und neuen Dienstverhältnissen wirksam wird. Auf Frauen wirkt das neue Dienstrecht besonders nachteilig, da gerade sie es sind, die vorrangig in befristeten bzw. provisorischen Dienstverhältnissen an den Unis beschäftigt sind. Im Bereich des wissenschaftlichen Nachwuchses sind ca. 1500 Personen in befristeten Dienstverhältnissen von dieser neuen Regelung bedroht, 2/3 davon sind Frauen. Demnach wird der Frauenanteil am wissenschaftlichen Personal mit der Einführung des neuen Dienstrechts deutlich sinken.

Somit macht die Regierung gerade in einer Situation, in der nach langjährigen gleichstellungspolitischen Bemühungen, Frauen zumindest in der untersten Stufe der universitären Hierarchie verstärkt Fuß gefasst haben, diese ohnehin geringen Erfolge universitärer Gleichstellungspolitik wieder rückgängig. Die wenigen Wissenschafterinnen, die zumeist in befristeten bzw. provisorischen Dienstverhältnissen beschäftigt sind, werden erneut hinausgedrängt und von der Universität verwiesen. Denn die erforderten Neubewerbungen setzen zudem voraus, dass eine entsprechende Stelle in der jeweiligen höheren Hierarchieebene auch frei ist. Es steht jedoch zu befürchten, dass angesichts bestehender Budgetrestriktionen Stellen in Hinkunft zunehmend eher abgebaut als ausgebaut werden. Die angekündigten „Karrieremöglichkeiten“ für junge WissenschafterInnen geraten zur bloßen Augenauswischerei.

Im Zuge der Diskussion rund um die Dienstrechtsnovelle wurde in etlichen Resolutionen und Stellungnahmen dezidiert auf diese geschlechtsspezifischen bzw. frauendiskriminierenden Auswirkungen des geplanten „Vier-Säulen-Modells“ hingewiesen und statistisch belegt. Die demonstrative Missachtung dieser nachweisbaren strukturellen Frauenfeindlichkeit des neuen Dienstrechts zeigt ganz deutlich, wie ernst die derzeitige Regierung gleichstellungspolitische Anliegen nimmt. Eine neokonservative Wende in Hinblick auf eine verstärkte Remaskulinisierung der Universitäten erscheint somit als erwünschte Nebenwirkung.

[1BM:BWK 2001: Universitäten und Hochschulen in Österreich. Reformen 2001, Wien: 9.

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