FORVM, No. 495
März
1995

Frau ins Haus oder fort

Kabrousse, Casamance, Sénégal, 3.3.1998

Ich bin in einem Paradies an der Grenze zu Guinea Bissau, Region Ziguinchor, tiefes schwarzes Westafrika. Hier habe ich genug Platz, um zu denken und zu klären, was ich will. Zunächst will ich für zwei Wochen hierbleiben, um mich zu erholen.

Noch ist es so, daß ich die Menschen endlich wieder uneingeschränkt lieben kann, ohne sie gleichzeitig verachten zu müssen. Noch ist mein gesamter Haß auf die Abart des österreichischen Faschismus fixiert, und ich betrachte die afrikanischen Ausgaben spießiger Kleinbürger entschieden wohlwollender. Ich bin noch nicht lange genug weg, daß Heimweh mein Herz zerreißt und ich mit der Repression liebäugle, nur um die Menschen, die ich liebte, wiederzusehen. Noch ist mir alles neu und ungleich freundlicher. Natürlich, hier bin ich nicht als Flüchtling, sondern für die Menschen hier, als Touristin; warum sollten mich nicht alle lieben, ich bringe Geld.

Gleichzeitig ist mir die Katastrophe dieser Flucht bewußt, denn ich bin in Wahrheit keine Touristin, ich habe mit Mühe auf diesem Kontinent einen unterbezahlten Job als Mitarbeiterin eines Entwicklungszusammenarbeitsprojektes gefunden. Soweit zumindest reicht der Würgegriff des österreichischen Hadesfürsten Haider noch nicht. Doch solange Haider Bundeskanzler ist, kann ich nicht mehr zurück und jetzt zerreißt es mir das Herz, ich darf nicht daran denken.

Die ganzen letzten jahre verstärkte sich der Eindruck einer Politik, die mit angstvollem Blick nach rechts Haider den Weg ebnet.

Daher ist es realitätsfern, ihn als Wegbereiter rechten Terrors zu überhöhen und ihm allein für die Existenz des autoritären Regimes in Österreich zu danken. Daß jemand, dessen inhaltliche Auseinandersetzung kaum reichen würde, um provinzielle Stammtischrunden zu unterhalten, nun Bundeskanzler ist, ist nicht nur sein Werk. Es hat schon vieler Unfähiger, Gleichgültiger, Frustrierter, zu kurz Gekommener, mit Haß verpesteter Menschen bedurft, um ihn dorthin zu hieven, wo er nun thront, als Wärter jener Pesthöhle (seiner Bewegung), zu der er am liebsten dieses ganze Land degradieren würde.

Unser Herr Bundeskanzler Haider wäre nichts als ein lächerliches Mannsbild, das drunten im Bärental sonntäglich krude Wirtshausreden schwingt, auf die sich schon wochentags alle freuen, weil das gesamte öffentliche politische Leben nichts vergleichbar absurdes Unterhaltendes bieten könnte.

Ähnlich wie zu einem Tyrannus Saurus Rex, würde wochenends zu Haider ins Bärentaler Wirtshaus gepilgert werden, um gemeinsam vor der Pathologie des Gedankenguts zu erschauern und sich zu amüsieren, vermutlich ohne, daß er es jemals merken würde. Außer vielleicht bei dem kläglichen Versuch, in den Gemeinderat gewählt zu werden. Jeder und jede würde seine handvoll Wähler und Wählerinnen kennen, da auch diese um nichts weniger geeignet wären‚ Wirtshausrunden zu unterhalten. Er wäre ein kurioser Spinner über den gelächelt würde, nicht mehr.

So aber vertritt er ein Gedankengut, gegen dessen Virus viel zuwenige in Österreich geimpft sind. Waldheim war kein Nazi. Er hat nur geschafft, Österreicherinnen und Österreicher auf höchst bedenkliche Weise durch Bekenntnisse wie „Wir wählen, wen wir wollen“, ‚Jetzt erst recht“, zu einen. Wie immer das kollektive und das Bewußtsein jedes Einzelnen noch nicht reif sind für gewisse Botschaften, ist die beste Methode schmerzvolle Wahrheiten zu verhindern, diese gründlich mißzuverstehen.

Waldheim hat eine sehr große Chance vertan, durch die viele Mitläuferinnen und Mitläufer in Österreich die Möglichkeit gehabt haben könnten, sich mit ihrer Vergangenheit auszusöhnen. Hätte er doch gesagt: „Es tut mir leid, ich war nicht so stark, mich offen dagegen aufzulehnen, ich habe mich zu sehr geschämt und deswegen habe ich geschwiegen. Ich möchte‚ daß so etwas nie wieder passiert und daher spreche ich jetzt.“

Mitte der 90iger wurde die Gelegenheit eines Sparpakets dankend ergriffen und begonnen Projekte, vor allem Frauenprojekte, systematisch zu evaluieren und als unzureichend effizient zu schließen. Der Sozialdemokrat und Sozialminister Hesoun hat nie gegengelenkt. Und wie zufällig deckt sich diese Praxis mit Haiders Grundidee von Familie, in der die Frau allein dort in Erscheinung treten darf, wo sie aus männlich patriarchaler Sicht eine Funktion für einen oder mehrere Männer erfüllen kann.

Immer mit diesem leicht gehetzten Blick nach rechts auf Haider wurden die Rechtsverdrehungen und -verletzungen für unsere ausländischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zusehends unerträglicher. Pragmatismus und Kälte lautete das Gebot der Stunde und Haider konnte dennoch, genau deshalb, immer Mängel und Versäumnisse einklagen.

Spätestens bei der Umbenennung seiner Partei in eine Bewegung hätte denen, die zuvor bei seiner Aussage, die Republik sei eine ideologische Mißgeburt, die Ohren eingeklappt haben, klar sein müssen, daß dieser Mann keine demokratischen Ziele im Sinn hat. Das Wesen einer Demokratie ist, daß es mehrere Parteien gibt.

Doch was ist eine Bewegeung?

Erste Assoziation ist die Bürgerrechtsbewegung und in diesem Zusammenhang bekommt dieser basisdemokratische Begriff plötzlich eine eigenartige Färbung. Es gab die Studentenbewegung, die 68iger Bewegung, die Anti-Atom Bewegung usw. Ihnen allen gemeinsam war, daß sie nach einem größeren grenzüberschreitenden Ziel strebten. Etwas, daß die Menschen über alle Parteigrenzen hinweg zueinanderfinden läßt, um so geeint nach eben diesem Höheren zu streben. Im Nachhinein ist klar, daß Haiders höheres Ziel, ein autoritärer Führerstaat mit einer demokratischen Partei, nicht zu erreichen war. Mit einer Partei wären jene Grenzverletzungen, die er begehen mußte, um dorthin zu kommen‚ wo er jetzt ist, zu offensichtlich gewesen. Bei einer Bewegung aber liegt die Grenzverletzung oder positive Grenzüberschreitung in ihrem Wesen. Mittel, für die eine Partei Rechenschaft ablegen müßte, sind geheiligt, wenn sie einem „höheren Zweck“ dienen‚ da wird dann nicht lange gefackelt.

Die Grenzverletzungen‚ gerichtet gegen Andersdenkende und Andersseiende, wurden politische Zielvorgabe und nur Vollidiotinnen und ebensolche Vollidioten können das nicht von Anfang an gewußt haben. Dank der inflationären Ungeheuerlichkeit seiner periodischen Entgleisungen war es kaum möglich, das wahre Ausmaß der Düsterkeit seines Weltbildes zu erfassen. Jetzt ist es einfacher, jetzt ist allen klar, was seine Begriffe vormals kaum verschleierten.

Als wir die Macht übernahmen, saßen im deutschen Reichstag noch siebzehn Parteien — wir haben sie weggefegt und eine Bewegung zur alleinigen Macht geführt! (Heilrufe, Beifall)

Dr. JosefGoebbels
in Danzig, 6. 4. 1935*

Er hat gedacht, was er gesagt hat. Er wird dafür sorgen, daß in den Redaktionen nicht mehr soviel gelogen wird. Jetzt stehen die meisten der kritischen Joumalistinnen und Journalisten auf der Straße. Wie meint ein Chefredakteur: „Um das Klima nicht unnötig aufzuheizen“. Die Haidersche Wahrheit ist leer. In Haiders Mund gesprochen, verfault jedes Vokabel. Aus Intoleranz wurde Anständigkeit, aus Fleiß Denunziation‚ aus Ruhe und Ordnung wurde Gewalt und aus Familie blindes Patriarchat. Da der einzig relevante Maßstab für Haider, Haider ist, gilt auch nur das, was er für wahr hält und das ist wiederum grundsätzlich ausschließlich nur das, was ihm nützt.

Überall dort, wo seine Leute an den Schaltstellen zur Aufteilung des Volkseinkommens sitzen, wo Förderungen und Subventionen zu vergeben sind, verbreitet sich Schwefelgeruch und es blüht tatsächlich nichts mehr. Auch hier kann Haider dankend auf die Vorarbeit, auch seiner Gegnerinnen und Gegner, zurückgreifen.

Frauenhäuser gibt es nicht mehr. Ein ausschließlich männlich besetztes Gremium befand, daß diese nicht wirtschaftlich genug seien und sie diese daher nicht benötigten. Frauenprojekte gibt es nur mehr dort, wo sie der Familie dienen und den Protagonisten, denn sie sind männlich, nützen — als ob es die Frauenbewegung niemals gegeben hätte. Andere Projekte, AusländerInnenintegrationsprojekte, Kulturprojekte oder Zeitschriften werden nur gefördert, wenn sie sich als Werbeträger für Haiders kleine Welt mißbrauchen lassen, sonst gibt es einfach kein Geld.

Für Menschen, Frauen wie mich, ist ein Leben in Österreich nicht mehr möglich. Nicht nur, daß ich keine Jobs finde. Die meisten Lokale, in denen ich als Juristin noch kellnern könnte, sind geschlossen, ebenso Zeitungen bei denen ich schreiben möchte, an eine Anstellung im Öffentlichen Dienst ist nicht zu denken. Nie war es leichter, Staatsbürgerinnen und Staatsbürger zu kriminalisieren, denn was kriminell ist, dafür wurde Haider dank seiner Kanzlerschaft die Definitionsmacht gegeben. Das Denunziantentum blüht. Wer die Unverfrorenheit besitzt oder besessen hat, Haiderkritisches zu äußern, kann auf seinen existentiellen Untergang warten. Nachdem einige Freundinnen und Freunde aus Staatssicherheitsgründen festgenommen wurden, war es nach den anonymen Anrufen der letzten Monate nur mehr eine Frage der Zeit bis mich ein Rollkommando besucht — oder die Polizei geholt hätte.

Inserat von Elisabeth Kmölniger

*) H. Heider, Goebbels-Reden 1932-1945 (1971/72)

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