Internationale Situationniste, Numéro 8
 
1977

Herrschaft über die Natur, Ideologien und Klassen

Die Aneignung der Natur durch die Menschen — das ist gerade das Abenteuer, auf das wir uns eingelassen haben. Das ist unbestreitbar; nur darüber und davon ausgehend kann man diskutieren. Was im Mittelpunkt des modernen Denkens und Handelns immer wieder in Frage steht, ist der mögliche Gebrauch des beherrschten Sektors der Natur. Die Gesamthypothese über diesen Gebrauch bedingt sowohl jede einzelne Wahl an den Scheidewegen, die in jedem Augenblick des Gesamtprozesses hervortreten, als auch den Rhythmus und die Dauer einer in jedem Sektor produktiven Entfaltung. Der Mangel an einer Gesamthypothese — d.h. praktisch das Monopol einer einzigen, nicht zur Theorie entwickelten Hypothese, das sozusagen durch das blinde Wachstum der gegenwärtigen Macht automatisch erzeugt wird, macht die dem zeitgenössischen Denken seit vierzig Jahren zuteil gewordene Leere aus.

Die Akkumulation der Produktion und immer höherer technischer Fähigkeiten geschieht noch schneller als der Kommunismus des XIX. Jahrhunderts es vorgesehen hatte. Dabei sind wir aber im Stadium der übermäßig ausgerüsteten Vorgeschichte stehengeblieben. Ein Jahrhundert revolutionärer Versuche schlug dadurch fehl, dass das menschliche Leben weder rationalisiert noch leidenschaftlich wurde (das Projekt einer klassenlosen Gesellschaft ist immer noch nicht verwirklicht worden). Die Zunahme an materiellen Mitteln, in deren Periode wir jetzt eingetreten sind, wird kein Ende nehmen, sie bleibt aber im Dienste grundsätzlich statischer Interessen und damit in dem der bekanntlich seit langer Zeit toten Werte.

Der Geist der Toten lastet sehr schwer auf der Technologie der Lebenden. Die überall herrschende wirtschaftliche Planung ist irrsinnig, und zwar nicht so sehr wegen ihrer angelernten Zwangsvorstellung einer organisierten Bereicherung der kommenden Jahre als durch das faule Blut der Vergangenheit, das ganz allein in ihr zirkuliert und bei jedem künstlichen Schlag dieses „Herzens einer herzlosen Welt“ unaufhörlich wieder nach vorn geschleudert wird.

Die materielle Befreiung ist eine Vorbedingung für die Befreiung der menschlichen Geschichte und sie kann nur als solche beurteilt werden. Der Begriff einer minimalen, hier oder dort zuerst zu erreichenden Entwicklungsstufe hängt gerade von dem ausgewählten Befreiungsprojekt ab — also von dem, der diese Wahl getroffen hat: entweder die selbständigen Massen oder die Spezialisten der Macht. Diejenigen, die sich an die Ideen dieser oder jener Kategorie von Organisatoren über das Unerlässliche anpassen, mögen zwar von jedem Mangel an Gegenständen befreit werden, die die betreffenden Organisatoren herzustellen gewählt haben, von den Organisatoren selbst aber werden sie sicher nie befreit werden. Die modernsten und unerwartetsten Formen der Hierarchie werden immer wieder nur die kostspielige Wiederholung der alten Welt der Passivität, der Ohnmacht und der Sklaverei sein, wie groß die materielle Kraft auch sein mag, die die Gesellschaft abstrakt besitzt — das Gegenteil der Herrschaft der Menschen über ihre Umwelt und ihre Geschichte.

Da die Herrschaft über die Natur sich in der heutigen Gesellschaft als eine ununterbrochen verstärkte Entfremdung darstellt und als die einzige große, diese gesellschaftliche Entfremdung rechtfertigende ideologische Bürgschaft, wird sie einseitig, ohne Dialektik oder genügendes historisches Verständnis kritisiert von einigen der Avantgardegruppen, die zur Zeit auf halbem Weg stehen zwischen der alten, herabgesetzten und mystifizierten Auffassung der Arbeiterbewegung, über die sie schon hinaus sind, und der nächsten Form der globalen Kritik, die noch vor uns steht (vgl. z.B. die sehr bezeichnenden Theorien Cardans und anderer mehr in der Zeitschrift Socialisme ou Barbarie). Indem diese Gruppen mit Recht der immer vollkommeneren Verdinglichung der menschlichen Arbeit und deren moderner Folgerung, dem passiven Konsum einer durch die herrschende Klasse manipulierten Freizeit — entgegentreten, werden sie dahin geführt, mehr oder weniger unbewusst eine Art Sehnsucht nach der Arbeit in ihren alten Formen zu hegen, noch den wirklich „menschlichen“ Beziehungen, die sich in damaligen Gesellschaftsformen oder sogar in weniger entwickelten Stufen der Industriegesellschaft haben entfalten können. Es passt übrigens mit der Absicht gut zusammen, eine bessere Leistungsfähigkeit der bestehenden Produktionsweise zu erlangen, indem man in ihr die für die moderne Industrie bezeichnende Verschwendung und die Unmenschlichkeit gleichzeitig beseitigt. Diese Auffassungen geben aber den Mittelpunkt des revolutionären Projektes auf, der nichts Geringeres will als die Abschaffung der Arbeit im herkömmlichen Sinne — sowie die des Proletariats — und aller Rechtfertigungen der alten Arbeit. Der Satz im Kommunistischen Manifest, nach dem die „Bourgeoisie eine höchst revolutionäre Rolle in der Geschichte gespielt hat“, bleibt unverständlich, solange man die durch die Beherrschung der Natur gegebene Möglichkeit einer Beseitigung der Arbeit zugunsten eines neuen Typs freier Tätigkeit außer Acht lässt; solange man gleichzeitig die Rolle der Bourgeoisie bei der „Auflösung der alten Ideen“ vernachlässigt d.h. wenn man weiter der unglücklichen Neigung der klassischen Arbeiterbewegung folgt, sich positiv als „revolutionäre Ideologie“ zu definieren.

In den Basisbanalitäten legt Vaneigem die Bewegung der Auflösung des heiligen Denkens dar und dessen minderwertige Ersetzung durch die Ideologie als eines schmerzstillenden, schlaffördernden und beruhigenden Mittels. Der Ideologie ist das gleiche wie dem Penizillin passiert: Je massiver sie verbreitet wurde, desto weniger wirkte sie. Unaufhörlich müssen Dosis und Aufmachung gesteigert werden — man denke nur an die verschiedenen Exzesse der Nazis und der heutigen Konsumwerbung. Man kann der Meinung sein, dass den herrschenden Klassen seit der Abschaffung der Feudalgesellschaft mit ihren eigenen Ideologien immer schlechter gedient war — und zwar in dem Sinne, dass diese Ideologien (d.h. das erstarrte kritische Denken), nachdem sie von jenen als allseitige Waffen zur Machtergreifung gebraucht wurden, jetzt Widersprüche zu ihrer besonderen Herrschaft aufweisen. Was in der Ideologie unbewusste Lüge — Stehenbleiben bei partiellen Schlussfolgerungen — war, wird zur systematischen Lüge, wenn bestimmte von den Interessen, die jene überdeckt hatte, an der Macht sind und von einer Polizei geschützt werden. Das modernste Beispiel dafür ist zugleich das auffallendste: über den Umweg der Ideologie in der Arbeiterbewegung hat die Bürokratie in Russland ihre Macht errichtet. Alle Modernisierungsversuche einer Ideologie — seien es irrsinnige wie der Faschismus oder konsequente wie die Ideologie des spektakulären Konsums im entwickelten Kapitalismus — laufen auf die Aufrechterhaltung einer selbst durch die Vergangenheit beherrschten Gegenwart hinaus. Ein gegenüber der bestehenden Gesellschaft feindlicher Ideologiereformismus kann niemals wirksam sein, weil er niemals über die Zwangsmittel zu seiner Aufnahme verfügen wird, dank derer diese Gesellschaft die Ideologie immer noch wirksam benutzen kann. Das revolutionäre Denken steht zwangsläufig auf der Seite der unerbittlichen Kritik der Ideologien, die selbstverständlich auch die spezielle Ideologie des „Todes der Ideologien“ einschließt, deren Name schon ein Zugeständnis ist, da die Ideologien von jeher totes Denken gewesen sind und die betreffende empirische Ideologie sich nur über die Pleite einer beneideten Rivalin freut.

Les machines idylliques.
En mai 1962, on a répandu l’image du prototype américain d’un appareil servant à transcrire directement les paroles sur un clavier de machine à écrire. L’human touch de la publicité de cette invention est naturellement le bonheur de la secrétaire qui n’a plus qu’à regarder sa machine taper toute seule. Sans examiner ici les incidences économiques réelles de cette modernisation du travail des secrétaires, on doit remarquer combien une telle image traduit un rêve de base de la société actuelle (les rêverie: dominantes d’une époque sont les rêveries de la classe dominante). C’est l’attente d’un point de l’évolution sociale où la contemplation passive des machines de la production s’articuleraît sans rupture sensible à la contemplation passive des machines de la consommation. Dans un Nirvâna technicisé de la pure consommation passive du temps, il n’y aurait plus qu’à regarder faire ; et ce « faire » étant seulement celui des machines serait à jamais celui des propriétaires de machines (la propriété juridique — droit d’user et d’abuser — s’effaçant toujours davantage en faveur du pouvoir des programmateurs compétents et paternels).

In der Herrschaft über die Natur ist die Frage des „Wozu?“ enthalten, aber diese Frage nach der Praxis geht zwangsläufig über diese Herrschaft hinaus und kann sie nicht entbehren. Sie weist nur die gröbste Antwort zurück — „es wie früher zu machen, nur mit einem größeren Überfluss an Produkten“ —, die verdinglichende Herrschaft, die von Anfang an in der kapitalistischen Ökonomie mitenthalten ist, „aber ihre eigenen Totengräber produzieren“ kann. Man muss den Widerspruch ans Tageslicht bringen zwischen der Positivität der Umwandlung der Natur, diesem großen Projekt der Bourgeoisie, und dessen kleinlicher Rekuperation durch die gesamte hierarchisierte Macht, die in all ihren heutigen Varianten dem alleinigen Vorbild der bürgerlichen „Zivilisation“ folgt. In seiner massenhaft gewordenen Form hat sich das bürgerliche Vorbild zum Gebrauch für einen bunt zusammengesetzten Kleinbürger „sozialisiert“, der die ganze Verdummungsfähigkeit der alten armen Klassen und all die zur Massenerscheinung gewordenen Reichtumszeichen, die auf die Zugehörigkeit zur herrschenden Klasse hinweisen, anhäuft.

Die östlichen Bürokraten schließen sich diesem Vorbild zwangsläufig an und es genügt ihnen, mehr zu produzieren, um die Polizei weniger dazu zu benutzen, ihr eigenes Modell der Beseitigung des Klassenkampfes aufrechtzuerhalten. Der moderne Kapitalismus gibt feierlich ein ähnliches Ziel bekannt. Alle reiten sie auf demselben Tiger: einer Welt, die sich schnell verwandelt und in der sie sich das für die Fortdauer dieser oder jener Schattierung der hierarchischen Macht nützliche Maß an Unbeweglichkeit wünschen.

Das Netz der Kritik an der Gegenwart ist kohärent — genau wie das ihrer Verherrlichung. Die Kohärenz der Verherrlichung ist nur weniger sichtbar, insofern sie lügen bzw. viele Einzelheiten und Nuancen des herrschenden Vorbilds gegenüber anderen willkürlich aufwerten muss. Verzichtet man aber wirklich auf jede Schattierung der Verherrlichung, so steht man auf gleicher Ebene wie die Kritik, die dieses subjektive schlechte Gewissen nicht kennt, da sie mit keiner herrschenden Macht der Gegenwart liiert ist. Derjenige, der annimmt, dass eine hierarchisierte Bürokratie eine revolutionäre Macht sein kann, und noch dazu den Massentourismus, wie er von der Gesellschaft des Spektakels auf Weltebene organisiert wird, für etwas Gutes und Vergnügliches hält, der kann wie Sartre ruhig nach China oder sonstwohin reisen. Niemand wird sich dann über seine Irrtümer, Dummheiten und Lügen wundern. Man muss doch dem Hang zu dem, was man liebt, nachgehen und es gibt andere, verabscheuungswürdigere Reisende, die mit realeren Geldern bezahlt werden, wenn sie z.B. Tschombé zu Diensten nach Katanga fahren. Die intellektuellen Augenzeugen der Linken, die so prompt dorthin fahren, wo sie eingeladen werden, legen vor allem über die Hilflosigkeit eines Denkens Zeugnis ab, das seit Jahrzehnten auf seine eigene Freiheit verzichtet hat, um zwischen in Konflikt geratenen Arbeitgebern hin- und herzupendeln. Die Denker, die die aktuellen Errungenschaften im Westen oder im Osten bewundern, indem sie dem Spektakel immer wieder in die Netze laufen, hatten sich also nie über irgendetwas Gedanken gemacht — eine Feststellung, die diejenigen nicht verwundern kann, die ihre Bücher gelesen haben. Selbstverständlich verlangt die Gesellschaft, deren Spiegel sie sind, von uns, ihre Bewunderer zu bewundern. Es steht ihnen sogar an vielen Stellen frei, ihre Spiegelgarnitur zu wählen — das, was sie das „Engagement“ genannt haben — mit oder ohne Gewissensbisse die Verpackung und das Etikett der etablierten Gesellschaft zu wählen, durch die sie beeinflusst werden.

La publicité inconsciente.

Täglich erzielen die entfremdeten Menschen neue Erfolge — das bekommen sie zu hören und zu sehen —, mit denen sie nichts anfangen können. Was nicht bedeuten soll, diese Stufen der materiellen Entwicklung seien uninteressant oder schlecht. Sie können in das wirkliche Leben reinvestiert werden — aber nur mit allen anderen Bestandteilen. Heute siegen nur Starspezialisten. So zeigt z.B. Gagarin, dass man weiter entfernt im Weltraum und unter immer ungünstigeren Bedingungen überleben kann. Zu einer Zeit aber, in der es dank der gesamten biochemisch-medizinischen Bemühungen möglich wurde, länger zu leben, ist diese statistische Ausdehnung des Überlebens keineswegs mit einer qualitativen Verbesserung des Lebens verbunden. Man kann zwar weiter und länger überleben, aber nie mehr leben. Wir dürfen diese Siege nicht feiern, sondern müssen der Fete zu ihrem Sieg verhelfen, deren unendliche Möglichkeit im Alltäglichen durch diese Vorsprünge der Menschen entfesselt wird.

Es handelt sich darum, die Natur als eine „gültige Gegnerin“ wiederzufinden. Das gegen sie gespielte Spiel muss leidenschaftlich sein und die in einem solchen Spiel markierten Punkte müssen uns persönlich betreffen. Die — vorübergehende und bewegliche — Herrschaft über unsere Umwelt und die Zeit, das ist z.B. die Konstruktion eines Augenblicks unseres Lebens. Die Ausdehnung der Menschheit im Weltraum liefert das Beispiel — nach einem der (nach-künstlerischen) Konstruktion des individuellen Lebens entgegengesetzten Pol, der aber diesem anderen Pol des Möglichen eng verbunden bleibt — eines Unternehmens, bei dem die aktuelle Geringfügigkeit der militärischen Spezialistenwettkämpfe mit der objektiven Größe des Projektes in Konflikt gerät. Das Weltraumabenteuer wird erweitert werden und folglich einer ganz anderen Beteiligung als der der Spezialistenversuchskaninchen je schneller und weiter offenstehen, als auf dieser Welt der Zusammenbruch der geizigen Herrschaft der Spezialisten die Schleusen einer ungeheuren, allumfassenden Kreativität öffnen wird. Diese zur Zeit erstarrte und unbekannte Kreativität ist jedoch imstande, bei allen menschlichen Problemen eine geometrische Reihe zu bewirken anstelle des aktuellen kumulativen Zuwachses, der einen einzigen, willkürlichen Sektor der Industrieproduktion betrifft. Das alte Schema des Widerspruchs zwischen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen soll gewiss nicht mehr als eine automatische, kurzfristige Verurteilung der kapitalistischen Produktionsweise verstanden werden, die stagnieren und zur Weiterentwicklung unfähig sein würde. Dagegen soll dieser Widerspruch als die Verurteilung (deren Durchführung mit den dazugehörigen Waffen noch versucht werden muss) der kleinlichen und zugleich gefährlichen Entwicklung gedeutet werden, für die die Selbstregulierung dieser Produktion sorgt, der großartigen möglichen Entwicklung, die sich auf den gegenwärtigen ökonomischen Unterbau stützen würde.

Alle in der gegenwärtigen Gesellschaft offen gestellten Fragen bedingen schon bestimmte Antworten. Es werden nie solche gestellt, die zu etwas anderem als zu dieser zwangsläufigen Art von Antwort führen könnten. Wenn man diese Offensichtlichkeit einsieht, dass die moderne Tradition eben darin besteht, Neuerungen einzuführen, verschließt man vor der anderen Offensichtlichkeit die Augen, dass nicht die Rede davon sein kann, überall Neuerungen einzuführen. Zu einer Zeit, als die Ideologie noch an ihre Rolle glauben konnte, sagte Saint-Just, dass „alles, was in einer Zeit der Neuerungen nicht neu ist, schädlich sei“. Die zahlreichen Nachfolger Gottes, die die heutige Gesellschaft des Spektakels organisieren, wissen jetzt recht gut, bis zu welchem Punkt man zu weit gehende Fragen stellen kann. In ihrem Verbot hat auch das Absterben der Philosophie und der Kunst seinen Grund. In ihrem revolutionären Teil haben das moderne Denken und die moderne Kunst mehr oder weniger genau eine heute noch abwesende Praxis als ihren minimalen Entfaltungsraum gefordert. Der Rest leistet Spitzenarbeit über die offiziellen Fragen oder die zwecklose Frage reinen Fragens (die Spezialität der Zeitschrift Arguments).

Es gibt viele ideologische Räume im Haus des Vaters, d.h. in der alten Gesellschaft, deren festes Bezugssystem verlorengegangen ist, während ihr Gesetz unangetastet blieb (trotz Gottes Nichtvorhandensein ist nichts erlaubt). Hier dürfen alle Modernismen wohnen, die zur Bekämpfung des Modernen benutzt werden können. Die Marktschreierbande der unglaublichen Zeitschrift Planète, die so einen großen Eindruck auf Volksschullehrer macht, verkörpert eine befremdende Demagogie, die sich den ungeheuren Mangel an Kritik und an revolutionärer Phantasie wenigstens in deren intellektuellen Erscheinungen zunutze macht (sowie die vielfachen Hindernisse, die deren Wiederaufkommen heute überall in den Weg gelegt werden). Indem sie gleichzeitig die Tatsache geschickt auszunutzen weiß, dass Wissenschaft und Technologie immer schneller fortschreiten, ohne dass man weiß zu welchem Ziel, wird den braven Leuten in Planète eingebleut, von nun an müsse alles verändert werden; wobei man 99% des durch unsere Zeit tatsächlich erlebten Lebens als unveränderlich Gegebenes akzeptiert. So kann man den von Jahrmarktneuigkeiten hervorgerufenen Taumel benutzen, um die rückschrittlichen Albernheiten unentwegt wieder einzuführen, die sich sogar auf den entlegensten Landstrichen nur sehr schlecht erhielten. Die Geschichte der ideologischen Droge wird in einer Verklärung der Rohheit enden, von der Pauwels selbst trotz all seiner Bemühungen heute noch keine Ahnung hat.

Die heutigen Spielarten leicht fließender Ideologie — gegenüber dem festen mythischen System der Vergangenheit — spielen eine immer größere Rolle, je mehr spezialisierte Verwalter alle Aspekte einer zunehmenden Produktion und Konsumtion planen müssen. Der trotz allem unerlässliche Gebrauchswert, der aber bereits dahin tendierte, nur unausgesprochen zu sein, sobald eine für den Markt produzierende Wirtschaft vorherrschte, wird von nun an von den Planern des modernen Marktes ausdrücklich manipuliert (d.h. künstlich erzeugt). Jacques Elluls Buch über „Werbungsformen“ (Propagandes — Verlag A.Colin 1962) macht sich dadurch verdient, dass es die Einheit der verschiedenen Konditionierungsformen beschreibt und aufzeigt, dass diese Werbungspropaganda kein bloßer krankhafter Auswuchs ist, der untersagt werden könnte, sondern gleichzeitig ein Hilfsmittel für eine global kranke Gesellschaft, mit dem sie das Übel ertragen kann, indem sie es verschlimmert. Die Leute sind weitgehend an der Propaganda und dem herrschenden Spektakel mitschuldig, da sie es nur dadurch zurückweisen könnten, dass sie die Gesellschaft vollständig in Frage stellen würden. Und die einzige wichtige Aufgabe des heutigen Denkens muss darin bestehen, sich mit dieser Frage der Reorganisierung der theoretischen und materiellen Kraft der Bewegung der Kritik zu beschäftigen.

Le ciel du spectacle et le désir.
« Un Centre Européen des Loisirs va être créé à Strasbourg pour rechercher les conditions d’une meilleure utilisation des temps libres ... Une longue étude a été consacrée à la télévision qui, estiment les délégués, offre des possibilités nouvelles de loisir au sein du foyer, à la condition que la famille domine cette nouvelle technique par l’usage raisonnable qu’elle en fait. »
Le Monde, 25-4-62.

« Feuerbach part du fait de l’extériorisation religieuse, du dédoublement du monde en monde religieux et monde profane ...
Mais le fait que le fondement profane se détache de lui-même et se fixe un empire indépendant dans les nuages ne peut s’expliquer que par cet autre fait que ce fondement profane manque de cohésion et est en contradiction avec lui-même. Il faut par conséquent que ce fondement soit en lui-même compris dans sa contradiction aussi bien que révolutionné dans la pratique.
Par exemple, après que la famille terrestre a été découverte comme le mystère de la sainte famille, il faut que la première soit elle-même anéantie en théorie et en pratique ».
Marx (1845)

Die Alternative besteht nicht nur in der Wahl zwischen dem echten Leben und dem Überleben, das nur seine modernisierten Ketten zu verlieren hat. Sie stellt sich auch im Überleben selbst bei den ständig schlimmer werdenden Problemen, deren Lösung den Herren über das bloße Überleben nicht gelingen kann. Die Gefahren der Atombewaffnung, der Weltüberbevölkerung und dem verstärkten Rückstand in der materiellen Armut sind sogar offizielle Angstgründe in den großen Zeitungen. Ein besonders banales Beispiel; Robert Guillain schreibt z.B. ohne Ironie über das Problem der Überbevölkerung in einem Bericht über China (in Le Monde, September 1962): „Es sieht so aus, als ob die chinesischen Führer dieses Problem wiedererkennen und anpacken wollen. So nehmen sie den Gedanken der Geburtenkontrolle wieder auf, den sie 1956 versuchsweise unternommen und 1958 aufgegeben hatten. Es ist eine nationale Kampagne gegen die frühzeitige Ehe und für seltenere Geburten in den neuen Familien gestartet worden“. Diese Schwankungen der Spezialisten, denen sofort gebieterische Anweisungen folgen, demaskieren genauso vollständig die Echtheit ihres Interesses für die Emanzipation des Volkes wie die Gewissensängste und Bekehrungen der Prinzen im XVI. Jahrhundert (cujus regio, ejus religio) die Natur ihres Interesses für die mythische Rüstkammer des Christentums enthüllen konnten. Einige Zeilen weiter schreibt derselbe Journalist, dass „die UdSSR China deshalb nicht hilft, weil sie alle Mittel, über die sie jetzt verfügt, für die fantastisch kostspielige Eroberung des Weltraumes verwendet.“ Die russischen Arbeiter haben genauso wenig das Wort gehabt, um das Maß dieser aus ihrer Arbeit überschüssigen, „zur Verfügung stehenden Mittel“ bzw. über deren Verwendung für den Mond oder für China festzusetzen wie die chinesischen Bauern, um darüber zu entscheiden, ob sie Kinder haben wollten oder nicht. Der heldenhafte Kampf der modernen Herrschenden mit dem wirklichen Leben, dessen sie sich allmählich vollständig annehmen müssen, wurde in der Literatur am besten durch den „Ubu“-Zyklus wiedergegeben. Der einzige Rohstoff, mit dem unsere Experimentalepoche immer noch keine Versuche angestellt hat, ist die Freiheit des Geistes und des Verhaltens.

In den breitangelegten drugstores der Ideologie des Spektakels, der Planung und ihrer Rechtfertigung haben die spezialisierten Intellektuellen ihren Job und die von ihnen zu verwaltende Abteilung (und zwar diejenigen, die irgendwie an der Produktion der Kultur selbst teilhaben — eine Schicht also, die mit der verstärkten Maße der „geistigen Arbeiter“ nicht zu verwechseln ist, deren Arbeits- und Lebensbedingungen der Arbeit der Arbeiter und Angestellten immer näher rücken, wie diese sich nach den Grundsätzen der modernen Industrie entwickelt). Für alle Geschmacksrichtungen wird gesorgt — wie z.B. mit diesem Roberto Guiducci, der zuerst zeigt, wie einsichtig er ist, indem er schreibt (in seinem Artikel über Die schwierige Suche nach einer neuen Politik in Arguments Nr. 25/26), dass die vorhandene Verspätung „uns heute noch zwischen der unsinnigen Lage pendeln lässt, unter den Ruinen toter Institutionen weiter zu leben, und der Fähigkeit, immer noch sehr schwer durchzuführende Vorschläge auch nur auszudrücken“. Was will er vorschlagen? Wir entdecken, dass es doch recht leicht durchzuführen ist. Nachdem es ihm gelungen ist, in ein und demselben Satz Hegel und Engels mit Schdanow und Stalin gleichzusetzen, schlägt er uns vor, einzuräumen, dass „die verschiedenen Tendenzen, die romantische Ungeduld des jungen Marx neu zu überprüfen, und die gequälten Auslegungen Gramscis gleichmäßig von der Zeit zerfressen werden …“. Da haben wir also jemanden, der es sich anscheinend anders überlegt hat und dem es in keinem Augenblick eingefallen ist, dass man es wohl merken würde, wenn er Hegel und Gramsci richtig gelesen hätte. Was uns betrifft, könnten wir es aus seiner Vergangenheit und aus seinem Artikel wie aus einem offenen Buch herauslesen. Mit größerer Wahrscheinlichkeit hat er aber glückliche Jahre in voller Ehrfurcht vor Schdanow und Togliatti verlebt, bevor er eines Tages wie die anderen Hampelmänner der Zeitschrift Arguments aus welcher KP sie auch herkommen mögen, alles wieder in Frage stellte. Wenn auch nicht alle schmutzige Hände hatten, so hatten sie doch einen verrußten Geist. Er soll schließlich auch einige Wochen dazu verwendet haben, den jungen Marx „neu zu überprüfen“. Wäre er aber imstande gewesen, sowohl Marx als auch die Zeit, in der wir leben, zu verstehen, wie hätte er Schdanow nicht sofort verstehen können? Schließlich erscheint ihm dieser Augenblick, wo es so lange her ist, seit er und andere das revolutionäre Denken neu überprüft haben, schon als „von der Zeit zerfressen“. Hat er denn vor zehn Jahren irgendetwas neu überprüft? Das ist höchst unwahrscheinlich. Man kann also sagen, dass er einer ist, der alles schneller als die Geschichte selbst neu überprüft, weil er niemals gleichen Schritt mit der Geschichte hält. Seine beispielhafte Nichtigkeit braucht keineswegs von irgendwem neu überprüft zu werden.

Zu gleicher Zeit arbeitet ein Teil der Intelligentsia die neue Kritik aus, fängt an, die wirkliche Kritik unserer Epoche zu durchdenken und entwirft entsprechende Handlungen. In dem Spektakel, das ihre Fabrik ist, kämpft sie gegen das Tempo und die Zweckmäßigkeit der Produktion selbst. Sie hat ihre eigenen Kritiken und Saboteure gestaltet. Sie schließt sich an das neue Lumpenproletariat (des Konsumkapitalismus) an, das vor allem die Ablehnung der Güter ausdrückt, die mit der heutigen Arbeit zu erwerben sind. So fängt sie an, die individuellen Konkurrenzbedingungen abzulehnen — die der Knechtschaft also, in der die schöpferische Intelligentsia gehalten wird: die Bewegung der modernen Kunst kann als eine ständige EntquaIifizierung der geistigen Arbeitskraft durch die Schöpfer betrachtet werden (und das, während die meisten Arbeiter, so weit sie die hierarchische Strategie der herrschenden Klasse akzeptieren, sich untereinander auf eine Konkurrenz der Berufskategorien einlassen können). Riesig ist die Aufgabe, die die revolutionäre Intelligenz jetzt erfüllen wird, insofern sie kompromisslos von der langen, zu Ende gehenden Periode abweicht, in der „der Schlaf der dialektischen Vernunft die Ungeheuer erzeugte“. Die neue, zu verstehende Welt ist gleichzeitig die der sich ohne Verwendung vervielfältigenden materiellen Mittel und die der spontanen Handlungen einer von Leuten ohne Perspektive erlebten Kritik. Im Gegensatz zur alten Utopie, in der mit Willkür behaftete Theorien über jede mögliche Praxis vorgriffen — trotzdem nicht ganz nutzlos —, sind heute in der gesamten Problematik der Modernität eine Menge neuer Formen der Praxis vorhanden, die nach ihrer Theorie suchen.

Es kann unmöglich eine „intellektuelle Partei“ geben, wie es einige erträumen, denn der Intellektualismus, der bei diesem Zunftwesen anerkannt werden könnte, wäre gerade das zulässige Denken der Herren Guiducci, Morin und Nadeau. Vielen Dank! Die anerkannte Intelligenz als eine getrennte und spezialisierte Körperschaft — sollte sie links wählen, was macht das schon aus? — die letzten Endes zufrieden oder sogar mit ihrer mittelmäßigen literarischen Unzufriedenheit zufrieden ist, stellt im Gegenteil den am spontansten antisituationistischen gesellschaftlichen Sektor dar. Wir müssen dafür sorgen, dass dieser dem Publikum einer Voraufführung ähnelnden intellektuellen Schicht, die den Konsum repräsentativ genießt, der allen Arbeitern der hochentwickelten Länder nach und nach angeboten werden wird, bei ihren eigenen Werten und Geschmacksrichtungen (dem sogenannten modernen Mobiliar bzw. den Werken Queneaus) übel wird. Ihre Beschämung wird ein revolutionäres Gefühl sein.

Le vampire du borinage et le boucher du Jutland (Raoul Vaneigem et J.V. Martin, les épurateurs de l’I.S.)
« En stratégie, ils croient aux attaques de front — sans tenir compte des pertes. Ils ne semblent pas réaliser qu’en faisant des attaques frontales sans soutien suffisant ils font le jeu de l’ennemi, et dévastent leurs propres forces. »
Déclaration nashite de Stockholm (Août 1962).

« Notre mandat de représentants du parti prolétarien, nous ne le tenons que de nous-mêmes, mais il est contresigné par la haine exclusive et générale que nous ont vouée toutes les fractions du vieux monde et tous les partis. »
Marx. Lettre à Engels, 18 mai 1859.

In der Intelligenz muss man zwischen den Tendenzen der Unterwerfung und denen der Ablehnung der angeboteten Stellung unterscheiden. Dann müssen alle Mittel angewandt werden, um das Schwert zwischen diese beiden Fraktionen zu werfen, damit ihr totaler Gegensatz den nächsten, herannahenden sozialen Krieg erhellt.

Der Hang zum Karrieremachen, der grundsätzlich die Lage eines jeden Dienstes in einer Klassengesellschaft ausdrückt, führt diese Schicht dazu, wie Harold Rosenberg es in seinem Buch Tradition des Neuen bemerkt, ihre eigene Entfremdung abzuhandeln, ohne ihr praktisch Widerstand zu leisten, da diese ihr bequem gemacht wurde. Während sich die gesamte moderne Gesellschaft zu diesem Übergang zum Komfort hinbewegt und dieser Komfort gleichzeitig immer stärker mit Langeweile und Angst infiziert wird, kann die Praxis der Sabotage im Bereich der Intelligenz erweitert werden. Ausgehend von der modernen Kunst — der Poesie — und ihrer Aufhebung, von dem, was die moderne Kunst gesucht und versprochen hat, von dem sogenannten großen Aufräumen, das sie mit den Werten und Regeln des alltäglichen Verhaltens veranstalten konnte, wird man jetzt die revolutionäre Theorie wiedererscheinen sehen, die in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts aus der Philosophie hervorgegangen war (aus dem kritischen Denken über die Philosophie, aus deren Krise und Tod).

Die lebendigen Werte der geistigen und künstlerischen Schöpfung werden so weit wie nur möglich durch die ganze Lebensweise der untertänigen Intelligenz verleugnet, die gleichzeitig ihre gesellschaftliche Stellung durch ihre uneheliche Verwandschaft mit dieser Schöpfung von „Werten“ ausschmücken will. Die beamtete Intelligenz, die diesen Widerspruch wohl empfindet, versucht, sich dafür durch die zweideutige Verherrlichung dessen, was man die Künstlerbohème genannt hat, zu entschädigen. Sie wird von den Knechten der Verdinglichung als die Zeit des sonst überall ausgeschlossenen qualitativen Gebrauchs des alltäglichen Lebens, des Reichtums mitten in der äußersten Armut usw. anerkannt. Das Märchen soll aber in seiner offiziellen Fassung ein erbauliches Ende haben: so muss dieser Augenblick des rein Qualitativen in der Armut bald in den geläufigen „Reichtum“ übergehen. Die armen Künstler haben dann während dieser Zeit selbst durch den Markt nicht aufgewertete Meisterwerke geschaffen. Sie sind aber gerettet — und ihr Spiel mit dem Qualitativen wird ihnen nicht verargt, es wird sogar erbaulich — da ihre Arbeit, die damals bloß ein Nebenprodukt ihrer wirklichen Tätigkeit war, dann stark aufgewertet sein wird. Damit haben die lebenden, die Verdinglichung bekämpfenden Menschen ihre Quantität Ware trotzdem produziert. So hat die Bourgeoisie ihre Darwinsche Auffassung der Bohème, indem sie den selektierten Werten, die ihr quantitatives Paradies betreten, Beifall spendet. Man macht es sich zur Pflicht, es als reinen Zufall zu betrachten, wenn diejenigen, die die Produkte bei ihrer Schöpfung in den Händen haben, sehr selten dieselben sind, die sie als gewinnbringende Waren besitzen.

Der beschleunigte Verfall der kulturellen Ideologie hat eine ständige Krise dieser geistigen und künstlerischen Aufwertung eröffnet, deren Ausbruch ans helle Tageslicht der Dadaismus angedeutet hat. Eine sehr deutlich zutagetretende Bewegung kennzeichnet dieses Ende einer Kultur: auf der einen Seite die Verbreitung falscher Neuheiten, die durch selbständige Mechanismen des Spektakels automatisch immer wieder mit neuer Aufmachung vorgeführt werden; auf der anderen Seite die öffentliche Verweigerung und Sabotage, durchgeführt von Individuen, die offensichtlich unter den für die Erneuerung einer kulturellen „Qualitäts“-Produktion die begabtesten waren. Arthur Cravan kann als das Vorbild dieser Leute gelten, die bei ihrem Durchgang durch die radioaktivste Zone des kulturellen Unheils aufgefallen sind und weder Waren noch Erinnerungszeichen irgendeiner Art hinterlassen haben. Die Verbindung dieser beiden entmutigenden Einflüsse verdichtet das Unbehagen in der Intelligenz immer mehr.

Seit dem Dadaismus und obwohl die herrschende Kultur eine Art dadaistische Kunst rekuperieren konnte, ist es gar nicht mehr selbstverständlich, dass die künstlerische Revolte immer wieder in Form von durch die nächste Generation konsumierbaren Werken rekuperiert werden kann. Zu gleicher Zeit, als die Nachahmung der post-dadaistischen Kunstweise heute dank dem im Spektakel so leichten Strebertum irgendwelche verkäuflichen Gegenstände produzieren kann, ist in verschiedenen Ländern des modernen Kapitalismus eine nicht künstlerische Bohème vorhanden, die mit derselben Auffassung des Endes bzw. der Abwesenheit der Kunst zusammengekommen ist und nicht mehr ausdrücklich nach irgendeiner Kunstproduktion strebt. Dort kann sich die Unzufriedenheit nur radikalisieren, je weiter die These fortschreitet, dass die „Kunst der Zukunft“ (was ein schon unpassender Ausdruck ist, da er scheinbar über die Zukunft innerhalb des spezialisierten Rahmens der Gegenwart verfügt) nicht mehr als Ware aufgewertet werden kann, da wir eingesehen haben, dass sie völlig von der globalen Umgestaltung unseres Gebrauchs des Raumes, der Gefühle und der Zeit abhängt. Alle wirklichen Experimente eines freien Denkens und Verhaltens, die unter diesen Bedingungen doch entworfen werden können, gehen sicher in unsere Richtung — zur theoretischen Organisation der Kritik.

Connaissance d l’est
Ces quatre schémas publiés dans Zen-Shin (En Avant), du 5 octobre 1962, expriment respectivement — de gauche à droite —— la conception de la lutte de classes selon Marx, selon le stalinokhrouchtchevisme, selon le trotskisme et selon les thèses de la Ligue Communiste Révolutionnaire du japon. Les flèches noires représentent les antagonismes, les flèches blanches l’hypothèse sur le « sens de l’histoire », les passages figurés par deux lignes parallèles signifient la solidarité objective entre des secteurs séparés. A partir du deuxième schéma, qui marque aussi une mondialisation achevée, on voit la polarisation Est-Ouest se superposer à la polarisation verticale des nations industrialisées du XIXᵉ siècle. On remarquera comme ce schéma de la « coexistence pacifique » est caractérisé par un partage fondé sur le statu quo. Il faut noter aussi la complexité et l‘acuité plus ou moins développées des antagonismes de classes : dans le schéma des camarades japonais, la bureaucratie dirigeante de l’Est entretient une tête de pont qui constitue la direction du prolétariat occidental. Les parties hachurées de ces dessins sont les secteurs où est reconnue une légitimité révolutionnaire du régime dit soviétique (le schéma trotskiste se différencie notamment du quatrième schéma par la nature de la séparation qu’il indique à l’Est, entre le prolétariat et la couche dirigeante, séparation pour lui relative et quasî-accidentelle).

Unserer Meinung nach besteht die unerläßliche, aber nicht vorherrschende Rolle der Theoretiker darin, die Wissenselemente und die begrifflichen Werkzeuge zu liefern, die klar (bzw. klarer und kohärenter) die Krise ausdrücken, sowie die latenten Begierden, wie sie von den Leuten erlebt werden — sagen wir, dem neuen Proletariat dieser „neuen Armut“, die zu benennen und zu beschreiben ist.

Wir sehen in unserer Epoche zu, wie die Karten im Klassenkampf neu ausgegeben werden — was sicher weder mit dessen Abschaffung noch mit der genauen Fortsetzung nach dem alten Schema gleichbedeutend ist. Gleichfalls wohnen wir keiner Aufhebung der Nationen bei, sondern einem new deal des Nationalismus im Rahmen einer über die Nationen hinausgreifenden Gliederung — und zwar der zweier Weltblöcke, die selbst aus mehr oder weniger zentrifugalen supranationalen Zonen wie z.B. Europa oder dem beweglichen China bestehen. Innerhalb der so eingerahmten nationalen Gebiete können Neugestaltungen und Rückgliederungen auf verschiedenen Stufen geschehen, von Korea bis zum Land der Wallonen.

Gemäß der zur Zeit im Entwurf begriffenen Wirklichkeit kann man diejenigen als Proletarier betrachten, denen es ganz und gar unmöglich ist, die gesellschaftliche Raum-Zeit zu verändern, die die Gesellschaft ihnen zum Konsum zuteilt (auf den verschiedenen Stufen des erlaubten Überflusses und Aufstiegs). Die Herrschenden sind diejenigen, die diese Raum-Zeit organisieren bzw. Spielraum genug für eine persönliche Wahl haben (auch z.B. wegen des wichtigen Fortbestandes alter Formen des Privateigentums). Revolutionär ist die Bewegung, die die Organisation dieser Raum-Zeit radikal umgestaltet, sowie die Art und Weise selbst, von nun an über deren permanente Neugestaltung zu entscheiden (und nicht eine, die nur die Rechtsform des Eigentums oder die soziale Herkunft der Herrschenden verändern würde).

Heute schon konsumiert die größte Mehrheit die widerwärtige und trostlose gesellschaftliche Raum-Zeit, die von einer winzigen Minderheit „produziert“ wird (wobei betont werden muss, dass diese Minderheit buchstäblich nichts anderes als diese Organisation produziert, während die „Konsumtion“ der Raum-Zeit in dem hier von uns gemeinten Sinne die gesamte gewöhnliche Produktion umfasst, in der natürlich die Entfremdung des Konsums und des ganzen Lebens entsteht). Gegenüber dem menschlichen Aufwand, den die vergangenen herrschenden Klassen mit dem kleinen Teil an Mehrwert trieben, der einer statischen sozialen Produktion auf der Basis einer allgemeinen Knappheit abgerungen worden war, kann man wohl sagen, dass die diese herrschende Minderheit bildenden Individuen heute selbst ihre „Meisterschaft“ verloren haben. Sie sind bloß Machtkonsumenten — aber einer Macht der kraftlosen Organisation des Überlebens. Nur um jene Macht zu konsumieren, organisieren sie dieses Überleben auf so elende Weise. Der Besitzer der Natur, der Herrschende, wird im schäbigen Gebrauch seiner Macht (dem quantitativen Skandal) aufgelöst. Eine Herrschaft ohne Auflösung würde für Vollbeschäftigung sorgen — und zwar nicht für die aller Arbeiter, sondern aller schöpferischen Möglichkeiten eines jeden für sich selbst und für den Dialog. Wo sind nun die Herren? Am anderen Ende dieses absurden Systems. Am Pol der Verweigerung. Vom Negativen kommen die Herren, sie sind die Träger des anti-hierarchischen Prinzips.

Der Zweck der hier gezogenen Trennung zwischen denen, die die Raum-Zeit organisieren (sowie den ihnen unmittelbar dienenden Agenten) und denen, die diese Organisation erleiden müssen, ist es, der kunstvoll gesponnenen Kompliziertheit der Funktionen- und Lohnhierarchien zwei deutlich festgelegte Pole zu geben, da jene Hierarchien vermuten lassen sollen, dass alle Übergänge unfühlbar sind und dass es an beiden Enden einer äußerst dehnbar gewordenen sozialen Kurve kaum mehr wirkliche Proletarier oder wirkliche Besitzer gibt. Ist diese Teilung einmal gemacht worden, sollen die übrigen Standesunterschiede gleich für zweitrangig gehalten werden. Dagegen weiß man aber wohl, dass sowohl ein Intellektueller als auch ein „berufsrevolutionärer“ Arbeiter jeden Augenblick Gefahr laufen, unwiderruflich integriert zu werden — in diese oder jene Stelle dieser oder jener Gruppe im (keineswegs harmonischen oder monolithischen) Lager der herrschenden Gespenster. Bis das wirkliche Leben für alle vorhanden ist, kann das „Salz der Erde“ immer wieder schal werden. Die Theoretiker der neuen Kritik können unmöglich mit der Macht paktieren bzw. sich selbst zu einer getrennten Macht konstituieren, ohne dass sie im selben Augenblick aufhören, als solche zu existieren. Mit anderen Worten wird die revolutionäre Intelligenz ihr Projekt nur dadurch verwirklichen können, dass sie sich selbst auflöst: die „Partei der Intelligenz“ kann tatsächlich nur als eine Partei existieren, die sich selbst aufhebt und deren Sieg gleichzeitig ihr Untergang ist.

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