Heft 2/2002
Mai
2002

Niederlagen des Friedens

Gespräch mit Fernando Qisqinay über die Krise der Linken in Guatemala

Vor sechs Jahren wurde mit der Unterzeichnung der Friedensverträge der 36-jährige Bürgerkrieg in Guatemala beendet. Die Guerilla gab ihre Waffen ab und wanderte ins Parlament. Heute befindet sich die Lin­ke im Land in ihrer schwer­sten Krise seit der Konter­revolution von 1954.

Fernando Quisquinay ist Student der Literaturwissen­schaften auf der USAC und jahrelanger Basisaktivist der ehemaligen Guerillabewe­gung und der AEU. Nach den jüngsten politischen Entwicklungen fühlt er sich von der URNG im Stich ge­lassen und macht heute ge­meinsam mit anderen jungen Leuten Straßentheater, eine Literaturzeitschrift, Wand­malereien, etc.

Du bist Student auf der USAC und Teil der StudentInnenbewegung — wann begann dein politisches Engagement?

Ich kam 1991 auf die Uni­versität — politisch aktiv war ich bereits zu Schulzeiten. 1985 während des LehrerInnenstreiks begann ich im Zuge der Zusammenstöße die Realität dieses Landes zu er­kennen. Das war die Zeit, in der mir die Klassenunter­schiede bewusst wurden, ob­wohl ich diese Erkenntnis als Konzept erst viel später lernte. 1985, nachdem Mejía Victores den General Ríos Montt geputscht hatte, be­setzte das Militär die USAC eine Woche lang. Als Schüler sah ich die Bilder im Fern­sehen: Die Regierung wollte beweisen, dass man auf dem Campus Waffen, subversive Propaganda, Bücher und alles was sie selbst dort hin­transportierten und kameragerecht arangierten, gefun­den hatten.

Natürlich stimmt es, dass einige Studentinnenorganisa­tionen mit der Guerilla zusammenarbeiteten, aber die Waffenlager der Guerilla be­fanden sich sicher nicht auf der Universität. Durch die damalige Repressionswelle or­ganisierten wir SchülerInnen der Mittelschule uns stärker.

Wie sah euer Kampf an den Mittelschulen konkret aus?

Diese SchülerInnenbewe­gung gibt es schon seit Anfang der Siebzigerjahre. Zwischen 1977 und 1978 er­reichte die Bewegung einen Höhepunkt, aber auch die Repression dagegen. 1977 wurde Aníbal Caballeros, ein Schüler der öffentlichen Schule „Rafael Aqueche“, er­mordet. Außerdem wurde ein weiteres führendes Mit­glied der Bewegung, Robin Garcia entführt und ist seit­her „verschwunden“. Nach 1975 sind viele wichtige Personen des Widerstands gegen die Militärdiktatur ge­fallen: Fuentes Mohr, Oliverio Castañeda de Leon, etc. 1984 entführte das Mi­litär die gesamte Leitung der AEU. Auch sie sind bis heute „verschwunden“.

Man musste die Gefalle­nen und Verschwundenen in den politischen Organisa­tionen wieder ersetzen und der sozialen Bewegung, die in vielen Fällen mit der Guerilla zusammenarbeitete, wieder neue Impulse geben. Diese von der Welle der Ge­walt erzwungene Rotation der politischen Kader setzte sich die gesamten Achtziger­jahre fort und 1989 wurde er­neut die gesamte AEU-Führung entführt. Fünf Mit­glieder des Leitungsgremi­ums wurden mit Folterspu­ren am ganzen Körper tot aufgefunden, fünf weitere sind bis heute „verschwun­den“. Dadurch hatte ich mei­nen ersten Kontakt mit orga­nisierten KämpferInnen von einer der vier Organisationen der URNG.

1986 war ich in der Schü­lerInnenvertretung aktiv und lernte zum ersten Mal die Herstellung von „Volkswaf­fen“, wie wir sie nannten, also Molotow-Coctails oder jegliche Art von Waffen, die wir brauchten, um uns gegen die Angriffe von Polizeieinheiten zu verteidigen. Das führte dazu, dass unserer Gruppe die Wiedereinschreibung für das nächste Schuljahr verwehrt wurde und wir somit die Schule wechseln mussten. Danach hielt ich mich ca. 3 Jahre von militanter Politik zurück.

Hast du zuvor schon als Kind mitbekommen, was in Guate­mala abgeht? Kommst du aus einem politischen Elternhaus? Gab es Diskussionen?

Nein, ich komme aus einer sehr religiösen Familie — mein Vater ist beim Opus Dei. Bei uns wurde nie über Politik diskutiert. Ich kom­me aus der untersten Schicht. Mein Vater ist Gärtner und meine Mutter Babysitterin in einem der reichsten Bezirke der Hauptstadt, der „Canada“ bei einer kubanischen Familie. Die krassen gesellschaftlichen Unterschiede in Guatemala lernte ich späte­stens kennen, als mich die SchülerInnen der Privat­schulen als „cholero“ be­schimpften, ein abwertender Terminus für die Unter­schicht und v.a. für Hausbe­dienstete und Putzfrauen.

1991 kamst du dann an die öf­fentliche und autonome Uni­versität San Carlos, die USAC und warst in der Vorbereitung der „Huelga de Dolores“ ak­tiv. Dieser sogenannte „Streik der Schmerzen“, den die Stu­dentInnen dort jährlich orga­nisieren, ist bekannt für seine beißende Kritik an der je­weiligen Regierung.

Die „Huelga“ wurde 1898 von den StudentInnen aller Fakultäten gegründet. Sie planten eine Reihe von poli­tisch-kulturellen Aktivitäten, die mit einem Faschingsumzug enden. Jährlich wird da­bei der „Rey Feo“, der hässli­che König, gewählt, der so­zusagen die Armen vertritt und all das öffentlich kriti­siert, was sich die Armen zwar denken, aber nicht öf­fentlich formulieren können. Nachdem auch immer die Re­gierungen hart attackiert und lächerlich gemacht werden, haben manche Diktatoren, wie z.B. Jorge Ubico versucht, die „Huelga“ zu verbieten.

Man hört oft, die „Huelga“ sei die „Mutter allen Bewusst­seins“ und tatsächlich werden viele Leute im Zuge der Akti­vitäten politisiert. Zugleich ge­schieht aber die Lächerlichmachung von Personen des öffentlichen Lebens oft mit sexistischen Anspielungen und Witzen. Hat sich dies die letzten Jahre geändert?

Zu früheren Zeiten war die „Huelga“ sehr kämpfe­risch und viele erinnern sich daran, dass es damals nicht notwendig war, Schimpfwör­ter und sexistische An­spielungen zu verwenden um Kritik zu üben. Ich glaube, dass es viel mit der Gewalt und der Repression zu tun hat, dass die StudentInnen teilweise das Ziel vor Augen verloren und statt inhaltliche Kritik zu üben, mit sexis­tischen Schimpftiraden um sich werfen. Dazu kommt, dass viele Kader und erfah­rene PolitaktivistInnen fielen und dadurch ständig uner­fahrene Aktivistinnen die „Huelga“ organisierten.

Der Karfreitagsumzug der „Huelga“ hat immer mehr an Qualität verloren. Die wenigen, die versuchten, eine sinnvolle politische Message zu artikulieren, gingen unter den Tausenden von Teilneh­merInnen leider oft unter.

Was sexistische Positionen betrifft, hat sich das etwas verändert seitdem auch mehr Genossinnen an der Organi­sation des Streiks mitwirken. Aber du hast schon recht, dass auch heute noch in der Öffentlichkeit stehende Po­litikerinnen nur auf Grund­lage von sexistischen Parolen angefeindet werden.

Habt ihr in euren Zusam­menhängen auch Lesekreise oder Diskussionsrunden zu politischer Theorie gehabt?

Als ich 1994 bei der Organisierung der „Huelga“ mitwirkte, haben sich mir ein paar Leute aus der URNG, konkret aus dem PGT, und StudentInnen der Fakultätsvertretung der Geistes­wissenschaften angenähert, um gemeinsam eine Organi­sation zu gründen, mit der wir bei den nächsten Univer­sitätswahlen kandidierten. Diese companer@s waren die ersten, die mir politische Theorie zu lesen gaben, zum Beispiel ein Buch von Aníbal Ponce über Bildung und Klassenkampf.
Unsere Gruppe gewann die Wahlen Ende ‘94 und mehr als über theoretische Bildung begann ich prak­tische Erfahrungen in der politischen Arbeit auf Uni­ebene gemeinsam mit den companer@s der anderen Fakultätsvertretungen zu sammeln. Somit erhielt ich auch den Zugang zu einer der wichtigsten Organisatio­nen der URNG, den FAR, deren Mitglied ich wurde.

Hast du dir die FAR aus poli­tischen Gründen ausgesucht oder war es eher zufällig dass du nicht bei der PGT, der ORPA oder dem EGP gelandet bist?

Ich war damals StudentInnenvertreter auf der Gei­steswissenschaft und da wa­ren eben die meisten bei der FAR. Für mich waren damals auch keine gravierenden ideologischen Unterschiede erkennbar. Es wurde viel­mehr die Einheit in der URNG betont. Wenn es Konflikte gab, waren diese eher persönlicher Natur.

Welche ideologische Bildung bekamst du, als du Mitglied der FAR wurdest?

Ich begann, an Lesekrei­sen, die von der Generalkommandatur der URNG, aber auch von StudentInnen organisiert wurden, teilzu­nehmen. Wir lasen dort Do­kumente über die Notwen­digkeit des revolutionären Volkskrieges, die ideologische Ausrichtung der FAR, usw.

Gab es in diesen Lesekreisen und überhaupt in den FAR v.a. Ladin@s oder auch Indigenas? Wie sah es mit der Be­teiligung von Frauen in die­sen Gruppen aus?

In meiner ersten Gruppe waren alle Ladin@s und im Lesekreis war nur eine von fünf Personen eine Frau. Im Frauensekretariat der AEU gab es zu dieser Zeit eine sehr wichtige Frauengruppe, die aus FAR-Mitgliedern bestand. Sie führten einen harten Kampf um die Teil­nahme von Frauen in den Diskussionen und Entscheidungsprozessen und ver­suchten die Diskussion über die Gleichstellung der Ge­schlechter anzuheizen. Am Anfang wurde ihrer Aufgabe nicht genügend Wichtigkeit zugestanden, aber sie schaff­ten es, immer mehr Frauen zu organisieren und dadurch auch ein größeres politisches Gewicht innerhalb der FAR zu erreichen. Ein Beispiel: Das „Militanzteam“, eine Einheit innerhalb unserer Or­ganisation, die für die politi­sche Bildung zuständig war, wurde von drei Frauen und einem Mann geleitet.

Schon im ersten Jahr eurer Übernahme der AEU wurde im November 1994 Mario Alioto López Sánchez von den Aufstandsbekämpfungstrup­pen der Polizei während einer StudentInnendemonstration angeschossen und anschlie­ßend vor laufender Kamera so heftig verprügelt, dass er noch am selben Tag an seinen Ver­letzungen starb. Du hast die­se Demonstration mitorgani­siert. Ihr wurdet auch von vie­len Linken für Euer Agieren scharf kritisiert. Was ist da­mals genau passiert?

Als wir die neue AEU mit dem Generalsekretär Manolo Vela 1994 übernahmen, begannen wir unsere Arbeit sofort mit massiven Protest­aktionen, die sich gegen die Preiserhöhung des öffentli­chen Verkehrs richteten. Wir wollten eine breite Beteili­gung der Bevölkerung an den Protesten erreichen. Am zweiten November dieses Jahres begannen wir mit dem Abfackeln öffentlicher Busse und waren bis zum elften November jeden Tag auf der Straße, agitierten, errichteten Barrikaden und versuchten, in der Bevölkerung Bewusst­sein über die Vorgänge zu schaffen. Die Spannung stieg täglich.

Bei einer Protestaktion an der Uni wurden einige StudentInnen sogar von Hubschraubern aus mit Trä­nengas angegriffen. Der Hu­mor und die Kreativität unserer companer@s zeigte sich, als sie spontan eine „Fliege­rabwehr“ aufbauten: Sie be­sorgten Eisentrommeln, die normalerweise zum Ab­schießen von Feuerwerken benutzt werden, und wir schossen mit allem zur Ver­fügung Stehenden auf die Hubschrauber. Aus Angst, wir könnten einen der Hub­schrauber tatsächlich treffen, evakuierten wir ein nahege­legenes Mc Donald’s. Da­nach wurden wir vor einem Tor, an dem wir Posten stan­den, von der Polizei be­schossen. Auch ich wurde ge­troffen und verletzt.

Obwohl am Tag darauf die Preiserhöhungen des öf­fentlichen Verkehrs zurückgenommen wurden, ent­schieden wir, unseren Protest fortzusetzen. Bei dieser De­monstration wurde mein Freund Mario von der Poli­zei brutal ermordet. Ich saß verletzt vor dem Fernseher und musste unbeweglich alles mitansehen. Das waren einige der schlimmsten Augenblicke meines Lebens.

Was die Kritik vieler Lin­ker an unserer Vorgangsweise betrifft, muss ich sagen, dass für uns diese Demonstration völlig gerechtfertigt und not­wendig war. Die Regierung hat zwar die Preiserhöhun­gen kurzfristig zurück­genommen, hat aber nicht mit uns verhandelt und keinerlei Garantien abgege­ben, diese Preiserhöhungen nicht in Zukunft erneut zu beschließen. Außerdem wur­den so viele von uns während der Proteste verletzt, dass wir es nur als Zufall betrachten können, dass nicht zuvor schon jemand im Kugelhagel der Polizei starb. Auch da­gegen wollten wir noch ein­mal unseren Protest kundtun. Das war unser Recht und der Fehler lag somit ausschließlich bei den staatlichen Sicherheitskräften!

Dies alles geschah nach dem gescheiterten Selbstputsch von Serrano Elías als bereits der ehemalige Menschenrechts­ombudsmann Ramiro de León Carpio die Präsidentschaft vom Parlament zugestanden be­kommen hatte. Wurden die unmittelbar beteiligten Beamt­Innen und die politisch Ver­antwortlichen jemals zur Rechenschaft gezogen?

Die AEU bemühte sich mit allen Mitteln, den Fall vor die Gerichte zu bringen und es kam tatsächlich zu ei­nem Schuldspruch: Die un­mittelbaren Täter wurden zu 30 Jahren Haft verurteilt und die politisch Verantwortli­chen zu 10 Jahren. Ramiro war jedoch nur eine willige Marionette des Militärs und somit wurden die Häftlinge innerhalb kürzester Zeit auf freien Fuß gesetzt.

Zwei Jahre später, 1996, en­dete der 36-jährige Bürger­krieg mit der Unterzeichnung der Friedensverträge zwischen Regierung und Guerilla und die URNG zog mit einem linken Wahlbündnis ins Par­lament ein. Wie schätzt du die erzielten Abkommen und deren mangelnde Umsetzung heute ein?

Ich bin nach wie vor überzeugt, dass die Abkom­men ein gutes Instrument sein hätten können. Ich reiste damals als Teil von verschiedenen Teams in meh­rere Operationsgebiete der URNG und erklärte den KämpferInnen die Inhalte der Friedensverträge. Wir sollten damals die KämpferInnen beruhigen, ihnen er­klären, was nach dem Waf­fenstillstand und der Demo­bilisierung passieren würde, welche Rolle sie danach im politischen Kampf überneh­men würden. Ich sagte ihnen, dass sie Tag für Tag ihr Le­ben aufs Spiel gesetzt und sie absolute Priorität für uns hat­ten. Heute bereue ich meine Naivität, ich habe Sachen ge­sagt, die dann ganz anders kamen. Das heißt nicht, dass ich mich nicht mehr mit den Abkommen identifiziere, schon aber, dass die „Comandancia“ der URNG viele Fehler gemacht hat.

Welche Probleme ergab die Demobilisierung für die URNG und ihre Kämpfer­Innen?

Die KämpferInnen stam­men zum größten Teil aus einer isolierten Bevölkerungsschicht aus weit entfernten Teilen des Landes mit enor­men wirtschaftlichen Proble­men. Vielen ging es in Kriegs­zeiten besser als jetzt. Sie wussten wenigstens, dass sie für etwas kämpften. Nach der Unterzeichnung des Friedens­vertrages haben die vier Organisationen der URNG dummerweise viele Leute re­krutiert, nur um eine gewisse Stärke vorzutäuschen und natürlich auch um an finan­zielle Unterstützung, Projekte, etc. heranzukommen. So ge­schah es, dass in verschie­denen Operationsgebieten KämpferInnen demobilisiert wurden, die z.B. erst seit einem Monat Mitglied der URNG waren. Daraufhin er­hielt so mancheR einen „Minugua-Ausweis“ für demobi­lisierte URNG-KämpferInnen und manche schafften es bis hin zu Führungspositionen, die ihnen nicht zustanden.

Obwohl wir selbst wäh­rend unserer Tour durch ver­schiedenen Operationsgebiete der Guerilla von den Kämp­ferInnen extrem viel gelernt hatten, standen am Ende diese einfachen KämpferIn­nen als die Betrogenen da.

Wie erging es den KämpferIn­nen nach 1996? Gingen die Frauen in der URNG „zurück an den Herd“?

Die Ausnahmen sind jene companeras, die auch heute wichtige Posten in der Partei besetzen, wobei ich nicht sagen kann, wieviel Einfluss sie dort wirklich ausüben. Die Mehrheit der URNG-Kämpferinnen befindet sich heute jedoch da, wo sie be­vor sie „in die Berge gingen“ waren: zu Hause, bei den Kindern oder sie überleben mit irgendwelchen Jobs.

Als Parlamentspartei hat sich die URNG nicht gerade be­währt. Auf dem jüngsten Parteitag vom August 2001 wur­de zudem die Spaltung der Partei in eine „Corriente Revolucionaria" und eine „Línea Institucional“ deutlich, obwohl inhaltliche und ideologische Unterschiede zwischen den beiden Rich­tungen für Außenstehende nicht auszumachen sind. Welche Zukunft hat eine solche URNG noch?

Ich glaube nicht, dass die URNG als Struktur, so wie sie geplant war, noch Zukunft hat. Sie wird wohl eine noch viel tiefergehende Spaltung erfahren, da der Kampf zwischen den Führungs- und Mittelkadern alle politischen Aussagen der Partei in der Öffentlichkeit überdeckt.

Vermutlich wurden viel zu viele Erwartungen in die URNG gesetzt, die sie nicht erfüllen konnte. Zur Zeit konsolidiert sich die Rechte in Guatemala und versucht eine Parteiherrschaft im Stil der PRI in Mexiko zu eta­blieren. Anstatt diesem Ver­such etwas entgegenzusetzen, zerfleischt sich die Linke momentan selbst, was wiederum nur der Rechten nutzt.

Bist du selbst noch Mitglied der URNG?

Nein, nach allem was pas­siert ist, wurde die Stu­dentInnenbewegung einfach fallen gelassen, wir alle wurden im Regen stehen ge­lassen. Ich selbst habe meine Mitgliedschaft nie aufge­geben, wurde aber auch nie mehr in den politischen Prozess der Partei integriert. Man hat sich für uns nur noch interessiert, wenn Wah­len anstanden. Da waren wir ihnen gut genug um Wer­bung zu verteilen, Transpa­rente zu malen, etc. und ei­gentlich will ich nicht der Ar­beitssklave der Partei sein.

Das Gespräch mit Fernando Quisquinay führte Mary Kreutzer im Dezember 2001. Das ungekürzte Interview wird in dem Buch von Thomas Schmidinger und Mary Kreut­zer: „Niederlagen des Friedens. Gespräche und Begegnungen in Guatemala und El Salvador“ im Sommer 2002 erscheinen.

Abkürzungen:

  • URNG: Unidad Revolucionaria Nacional Guatemalteca, Na­tionale Revolutionäre Einheit Guatemalas. 1982 erfolgter Zusammenschluss von PGT, FAR, EGP und ORPA, seit dem Ende des Bürgerkriegs 1996 Parlamentspartei.
  • PGT: Partido Guatemalteco del Trabajo, Guatemaltekische Partei der Arbeit. Moskautreue Kommunistische Partei Gu­atemalas, ursprünglich gegen den bewaffneten Kampf, ver­schiedene Strömungen, die unterschiedliche Positionen in der Frage des bewaffneten Kampfes einnahmen.
  • FAR: Fuerzas Armardas Rebeldes, Bewaffnete Rebellische Streitkräfte. Leninistische Guerilla, die aus dem ursprüngli­chen bewaffneten Flügel der PGT hervorgegangen ist.
  • EGP: Ejercito Guerillero de los Pobres, Guerillaheer der Ar­men. Guevaristische Guerilla die aus der FAR hervorge­gangen ist.
  • ORPA: Organizatión Revolucionaria del Pueblo en Armas, Revolutionäre Organisation des bewaffneten Volkes. Sozi­aldemokratische Guerilla.
  • Corriente Revolucionaria: Revolutionäre Strömung. Aus der FAR hervorgegangene Strömung in der URNG, inhaltliche Unterschiede zur Mehrheitsströmung der URNG sind kaum festzustellen.
  • Linea Institucional: Institutionelle Linie. Mehrheitsströmung der URNG bestehend aus ehemaliger EGP, ORPA und PGT. Das Exekutivkomitee (CEN) der Partei wird ausschließlich von Mitgliedern der Linea Institucional besetzt.
  • AEU: Asociación Estudiantil Universitaria Oliverio Castañeda de Leon, Universitäre StudentInnenvereinigung „Oliverio Castañeda de Leon“. StudentInnenvertretung der USAC.
  • USAC: Universidad de San Carlos. Einzige öffentliche Uni­versität Guatemalas, seit der guatemaltekischen „Oktober­revolution“ 1944 autonom.
  • MINUGUA: Misión de Naciones Unidas en Guatemala, UNO- Mission in Guatemala. Soll die Einhaltung der Friedens­verträge überwachen.
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