ZOOM 1/1999
Januar
1999
Wilhelm Brauneder:

Österreichische Verfassungsgeschichte

Das schon hinreichend be­sprochene Buch gilt als Stan­dard für die Einführung in die Verfassungsgeschichte. Daher könnte man meinen, es wäre müßig, darüber zu berichten.

Aber das Kapitel IX. ab Seite 255 über die in der Überschrift so genannte „Fremdkontrollierte Repu­blik Österreich 1945-1955“ ist es wert, ein wenig behan­delt zu werden. So wird die Wiederherstellung Öster­reichs auf die Initiative der Alliierten zurückgeführt, gemäß der Moskauer Er­klärung 1943. Der in dieser Erklärung angesprochene notwendige Beitrag von Österreicherinnen zur Wie­derherstellung Österrreichs, der mehr oder weniger dann von einzelnen oder ganzen Gruppen von Widerstands­kämpferinnen geleistet wur­de, kommt nicht zur Spra­che. Diese kommen nur als „diverse Gruppierungen“ vor, die von den politischen Parteien abgelöst werden.

Das national-liberale La­ger wird durch „die Ereig­nisse“ zwischen 1938 und 1945 bis zum Jahre 1949 als „diskriminiert“ betrachtet. Bei diesen „Ereignisse(n)“ handelt es sich zwar um den Zweiten Weltkrieg und die versuchte Vernichtung aller Juden, aber das gehört nach Auffassung des Autors wohl nicht hierher.

Weiters kann man dem Urteil des Autors über die Errichtung der Provisori­schen Staatsregierung nicht ohne weiteres zustimmen, nämlich, daß „der Volkswil­le durch die politischen Par­teien mediatisiert“ nur „er­scheint“ (S.257). Das würde ja implizit auch bedeuten können, daß der Volkswille und die Entstehung einer demokratischen Republik durch die Parteien in diesem Punkt nicht eins waren. Die­se Interpretation legt der Autor auch nahe, da er im nächsten Satz antifaschi­stisch ebenso unter An­führungszeichen setzt, wie er das bei der richtigen Zitie­rung der Kundmachung mit den Worten „dem Sinn und Willen der großen Mehrheit des österreichischen Volkes“ macht. Diese zweimalige Set­zung von Anführungszei­chen ist nicht Ausweis einer korrekten Zitierweise, son­dern im Kontext als eine po­litische Wertung zu verste­hen. Denn schließlich kommt der Autor aus der Nachfolgepartei des von ihm selbst so bezeichneten „dis­kriminierten“ Lagers, dessen Bertrachtungsweise der Zweiten Republik und deren Gesetzgebung genauso eigen waren, wie es die der Nach­folgepartei heute sind.

Ob solche versteckten Re­lativierungen über die Grün­dung der Zweiten Republik für Studentinnen der Zwei­ten Republik zu empfehlen sind?

Wilhelm Brauneder: Öster­reichische Verfassungsge­schichte. 7. Auflage, Manz Verlag, Wien 1998, 292 S, öS 364,—

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