Grundrisse, Nummer 10
Juni
2004

Perspektiven der gesellschaftlichen Transformation

Zur Diskussion von Immanuel Wallersteins Utopistik — Teil 2: Von der Krisen- zur Transformationstheorie

Die Frage lautet: Was kommt danach?

Immanuel Wallersteins „Utopistik“ [1] setzt neue Akzente im Zusammenhang der mittlerweile zahlreichen Beiträge zur Entwicklung des kapitalistischen Systems und neoliberalen Globalisierung: Hier wird nicht nur auf die Prekarität oder Krisenhaftigkeit des weltweit dominierenden Wirtschafts- und Gesellschaftstyps verwiesen. Die wesentlich weiter reichende These lautet, dass wir in eine chaotische, instabile Geschichtsperiode eingetreten sind, in der sich zum ersten Mal ganz real die Möglichkeit des historischen Übergangs zu einer neuen, höheren, post-kapitalistischen Gesellschaftsformation eröffnet.

Im Teil 1 meiner Untersuchung [2] wurde das Verhältnis von „Utopistik“ und „konkreter Utopie“ erörtert. Es zeigte sich, dass das utopistische Konzept einer finalen Krisen- und „Übergangsperiode“ des Systems mit dem Marxsche Geschichtsdenken kompatibel ist. Untersucht wurde Wallersteins Auffassung, dass mit der „russischen Revolution“ noch keine neue Produktions- und Gesellschaftsform in die Welt kam, während die „Weltrevolution von 1968“ die erste nachhaltige Erschütterung des Liberalismus als vorherrschender „Geokultur des Weltsystems“ mit sich brachte.

Die weitere Diskussion galt globalen Trends, systemischen Funktionszusammenhängen und den Reaktionen gesellschaftlicher Akteure. Wallerstein verweist auf eine sich abzeichnende „Profitklemme“ der Kapitalwirtschaft, die Schwächung und „Delegitimierung der staatlichen Stukturen“ sowie die Verstärkung weltweiter „Polarisierungen“. Auch die neoliberale Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik könne die Lage nicht ändern. So entsteht eine „grundlegende Instabilität im Herzen der kapitalistischen Weltwirtschaft“. Wir treten in eine „Zeit der Unruhe oder eine Übergangsperiode des bestehenden Weltsystems“ ein. „Glücklicherweise steht das System vor dem Abgang. Die Frage ist: Was kommt danach?“ (91).

Falsche Alternativen und die utopistische Fragestellung

Zeigt sich ein Ausweg aus der gegebenen Situation, kann eine positive Perspektive aufgewiesen werden? Wallerstein möchte zunächst falsche Grundeinstellungen aus der Welt schaffen, was die ehedem so nahe liegende, aber nur scheinbare Alternative zwischen dem „historischen Sozialismus“ und den so genannten „liberalen Staaten“ betrifft:

Zu den so genannten sozialistischen Staaten heißt es unmissverständlich: Sie operierten „stets innerhalb des Rahmens der kapitalistischen Weltwirtschaft“ und waren „niemals autonome Einheiten“. Sie konnten „nicht die Funktionsweise eines alternativen historischen Systems darstellen“. Auf der anderen Seite waren die so genannten liberalen Staaten nur „in einer kleinen Ecke des Weltsystems zu finden, in wohlhabenden Gegenden und nur in jüngster Zeit“. Zudem hingen deren positive Merkmale auch von der vergangenen „realen Polarisierung innerhalb des bestehenden Weltsystems ab“ (79, 80). Für uns heute stellt sich die Frage daher neu: „Wenn wir in den nächsten 50 Jahren eine fundamentale historische Wahl treffen - wie wird sie aussehen?“ (80).

Wir sind also mit dem Thema konfrontiert, welche Bedürfnisse in einem zukünftigen System zu befriedigen sind und welche Beschaffenheit dieses aufweisen sollte. Der Theoretiker möchte die Frage „utopistisch“ stellen, d.h. unter ernsthafter, wissenschaftlich begründbarer Veranschlagung von realen historischen Alternativen (76). Wallerstein trägt die Überlegungen dazu in vorsichtiger Abwägung von noch nicht ausgemachten Möglichkeiten vor - „Prüfen wir …“, „nehmen wir einmal an …“ und „könnte man … die Dinge nicht so organisieren …“ (81, 86, 92). Letztendlich zielen die Vorschläge aber auf greifbare „strukturelle Elemente“ und orientieren entschieden auf ein „alternatives historisches System“ (8, 80), auf eine „glaubhaft bessere und historisch mögliche“, wenngleich „alles andere als sichere“ Zukunft. Ich möchte im Folgenden Wallersteins projektive Ideen ernst nehmen, in bestimmter Weise aufordnen, pointieren und in einigen Aspekten weitergehende Überlegungen anschließen.

Bruch mit dem Profitprinzip und Paradigmenwechsel

Wallersteins grundlegende These lautet: Die uns bedrängenden Probleme könnten erst überwunden werden im Rahmen eines Weltsystems, „das nicht von endloser Kapitalakkumulation angetrieben wird“. Er identifiziert die eigentliche Wurzel des Übels im „Primat der endlosen Kapitalakkumulation“. Daher gilt erst der Bruch mit diesem Prinzip - es gäbe „keine Betätigungsfelder für profitorientierte ökonomische Strukturen“ - als Ermöglichungsbedingung für eine „wirkliche demokratische Beteiligung am kollektiven Entscheidungsprozess“. Nur so könnte ein auf gemeinwirtschaftlichen Organisationsformen beruhendes „demokratisches, egalitäres System“ entstehen (vgl. 86, 88, 92).

In einem solchen System würde die allgemeine „Kommodifizierung, die unserem gegenwärtigen System zugrunde liegt“, nicht statthaben. Damit ist jedenfalls nicht gemeint, dass es in einer postkapitalistischen Wirtschaftsweise überhaupt keine Waren und Werte mehr gäbe: Eine an diese Problematik anknüpfende Grundlagendiskussion zum historischen Charakter der Waren- und Wertform ist Wallersteins Sache an dieser Stelle nicht, und ich möchte ihm das, mit Blick auf umfängliche Vorgaben zur „Logik des Kapitals“ [3] und schwierige Beiträge zur „Wertlehre“ oder „Wertkritik“, [4] an dieser Stelle nachsehen.

Entscheidend ist der Grundgedanke: Es bedarf eines „Bruchs“ mit dem Profitprinzip. Aber hinter dieser einfachen Formulierung verbirgt sich das ungelöste Kernproblem einer alternativen Wirtschaftsweise: Wie sehen die ökonomischen Prozessstrukturen aus, die objektiv-real ein andersartiges ökonomisches Kalkül in Kraft setzen? Kann beispielsweise an die Stelle der systemisch-zwanghaften Mehrwertbilanzierung eine haushälterische Ersparnisrechnung in Verbindung mit andersartigen ökonomischen Stimuli treten? An dieser Stelle kann an die wert- und reproduktionstheoretisch bis heute unerhellt gebliebene Marxsche Idee einer „Ökonomie der Zeit“ [5] erinnert werden.

Trotz ungeklärter Fragen scheint mir hier soviel sicher: Die angesichts des Debakels der neoliberalen Politik wieder auflebende Vorstellung, das in milliardenfachem Wirtschaftshandeln wirksame kapitalistische Krebskalkül könnte allein durch eine zivilgesellschaftlich-demokratische Einbettung der Ökonomie gebändigt werden, ist zum Scheitern verurteilt. Die systemisch vorprogrammierte Verwertungs- und Wachstumsökonomie lässt sich nicht reformistisch bändigen: Das ewige Dilemma der „sozialen Marktwirtschaft“. Die links-sozialdemokratische Idee einer ökonomischen „Verfassungsreform“, die Michael Krätke anvisiert, [6] tastet die funktionale Kerngestalt der Kapitalwirtschaft nicht an. So gesehen würde der Versuch, ohne Aufhebung der kapitalwirtschaftlichen Kernfunktion die Hülle einer „Wirtschaftsdemokratie“ überzustülpen, in historischer Parallele zur Planwirtschaft scheitern. Ich möchte diesen Punkt scharf pointieren, da von hier auch beurteilt werden kann, was durch operative Schnitte wie eine „Tobin-Steuer“ oder von der Handlungsebene einer „Global Governance“ [7] her erreichbar oder nicht erreichbar ist:

Was aussteht, jenseits nur wirtschafts-reformerischer Konzepte oder punktuell ansetzender Programmpunkte in der attac-Stoßrichtung, ist ein Paradigmenwechsel: Die Überschreitung der traditionellen „Kritik“ hin zu einer „Utopistik“ der politischen Ökonomie, welche im Hinblick auf eine wert- und reproduktionstheoretisch fundierte, real mögliche Alternative zur Kapitalwirtschaft nach neuen Lösungen sucht.

Gemeinnützige Produktionsbetriebe mit demokratischer Betriebsverfassung

Auch wenn die Funktionsweise einer alternativen Wirtschaft noch nicht ausreichend kenntlich ist, müssen Sondierungen in Einzelfragen weiter gehen: Ein erstes Element, das Wallerstein als eine „mögliche Basis für ein alternatives System“ anbietet, besteht in der „Errichtung von dezentralisierten gemeinnützigen Betrieben als Grundlage für den Produktionsmodus innerhalb dieses neuen Systems“. Zu klären ist dann, „wie und auf welcher Basis diese Einheiten sich zueinander verhalten“ und wie deren „interne Organisation“ bezüglich Demokratie am Arbeitsplatz beschaffen sein soll (86, 87).

Die Betriebe könnten analog zu den „seit Jahrhunderten funktionierenden ökonomischen Strukturen ohne Profit“ arbeiten, wie wir sie beispielsweise von Krankenhäusern kennen. Auf dieser Grundlage wären beispielsweise „große Organisationen“ nicht von vornherein effizienter als kleine, es könnte „eine große Vielfalt hinsichtlich der Größe wirtschaftlicher Unternehmungen“ geben, man kann Aufhören mit der „Vergötzung der Vergrößerung“ wirtschaftlicher und organisatorischer Strukturen.

Solche „vielfältige gemeinnützige Produktionsbetriebe“ wären durch „den Markt, den wirklichen Markt und nicht den monopolistisch kontrollierten Weltmarkt“ verbunden: Der Markt bliebe also Grundbestandteil eines zukünftigen Wirtschaftens. Es gäbe in einem gewissen Umfang Regulierungen, aber keine behördliche oder gar zentralistische Produktionsplanung. Und die „gemeinnützigen Einheiten“, ob groß oder klein, wären „nach innen“ „nicht autokratisch“: Es gäbe also Manager und Arbeiter, Gewerkschaften und eine „Arbeitermitbestimmung“ (87, 88).

Hier erhebt sich die Frage, inwiefern Wallersteins Erwägungen über das hinausweisen, was bisher schon mit genossenschaftlichen Betriebsformen, im Sinne einer Arbeiterselbstverwaltung oder Mitbestimmung vorgeschlagen und erprobt wurde: An sich werden damit weder die Verwertungsrechnung der Produktionsbetriebe, die marktwirtschaftlichen Konkurrenzverhältnisse noch überhaupt die alten Waren- und Wertkategorien aufgehoben. Ich schlage an dieser Stelle vor, die angesprochenen Probleme erst später weiter zu behandeln, nämlich nach Insichtnahme des gesamtökonomischen Reproduktionszusammenhanges, in dem die Einzelbetriebe oder sozialökonomischen „Einheiten“ agieren.

Sozialwirtschaftliche Dienste und neue Effizienzkriterien

Wallerstein möchte die historische Bruchlinie zwischen dem alten und dem anvisierten neuen System noch einmal herausstreichen und stellt dazu weitere Grundforderungen auf, beispielsweise die Eröffnung eines allgemeinen Zugangs zu Erziehung und Ausbildung sowie die Sicherung einer allgemeinen Gesundheitsfürsorge. Diese Bedürfnisse sollen „außerhalb der Kommodifizierung“ befriedigt werden, „sodass sie von nicht profitorientierten Institutionen getragen und kollektiv bezahlt würden. Wir tun dies jetzt für solche Dinge wie die Wasserversorgung und, in vielen Ländern, für Bibliotheken.... es gibt viele Lösungen bezüglich der Frage kollektiver Kostenverteilung. Dabei handelt es sich um eine gesellschaftliche Entscheidung, der wir nicht ausweichen können ...“ (91).

Die Frage solcher „nicht profitorientierten Institutionen“ und deren Beiträge zur gesellschaftlichen Reproduktion sollte näher untersucht werden: Es gibt einerseits die eher personenorientierten sozial-kulturellen Dienstleistungen wie im Erziehungs-, Bildungs- und Gesundheitswesen oder im Kulturbereich, andererseits die Herstellung und Aufrechterhaltung harter infrastruktureller Voraussetzungen der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion, etwa die Wasserversorgung, der Städte- und Straßenbau und das Kommunikationsnetz. Die Problematik derartiger wirtschaftlicher Tätigkeiten zur Deckung eines gemeinsamen oder allgemeinen gesellschaftlichen Bedarfs ist damit allenfalls angerissen. Es mag zunächst die plausible Annahme genügen, dass die entsprechenden Produktionen und Leistungen wesentliche Formunterschiede zur industriewirtschaftlichen Warenproduktion aufweisen, sowie die Feststellung, dass es hier schon seit Jahrhunderten nicht-kapitalwirtschaftliche Formen wirtschaftlich geordneter Tätigkeit und „kollektiver“ Finanzierung gibt. Wallerstein verweist beispielsweise auf Universitäten und gemeinnützig betriebene Krankenhäuser (86).

Im Zusammenhang eines solchen gemeinnützigen Wirtschaftens ohne Verwertungszwang kann „Effizienz“ anders definiert werden. Als effizient gilt beispielsweise eine Produktion mit weniger Vorleistungen, mit dem Ziel der Befriedigung wirklicher Bedürfnisse oder der Erweiterung des Zugangs dazu. Wallersteins Beispiele besagen letztlich, dass die Maße von Effizienz jenseits des abstrakten Wertertragsdenkens gesellschaftlich definiert werden können, beispielsweise durch Qualitätsnormen, Zertifizierungen oder durch Zieldefinitionen hinsichtlich sozialverträglicher Produktmaße, Umweltstandards oder Bedarfskontingente.

Abgesehen von derartigen qualitativen Kriterien bedarf es aber unter allen Umständen auch einer Kalkulation, Bilanzierung und Kontrolle auf Grundlage einer betrieblichen oder haushälterischen Buchführung, letztlich auch gesamtgesellschaftlich stimmigen Rechnungslegung, wie sie beispielsweise in der Vorform einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung existiert. Damit erhebt sich aber wieder die Frage nach der Möglichkeit oder den Formbildungen einer nichtkapitalistischen betriebs- und volkswirtschaftlichen Rechnungslegung, d.h. im Kern nach einem alternativen ökonomischen Kalkül. Wallerstein lässt anklingen, dass es in diesem Zusammenhang ungelöste Probleme gibt. So belässt er es bei einer Bemerkung, die im Grunde alles offen hält: „Mit der Etablierung eines derartigen historischen Systems (würde) die wirkliche Arbeit nicht aufhören, sondern erst beginnen“ (93).

Sozialwirtschaftliche Reproduktionsordnung und Staat

Wenn es anfangs so schien, als würden Wallersteins Vorschläge zu einer alternativen Ökonomie lediglich auf eine genossenschaftliche Betriebsverfassung hinauslaufen, so entpuppt sich dies nach dem vorherigen als eigentlich nicht zutreffend. In der Beispielführung deutet sich vielmehr an, dass im Grunde von zwei Wirtschaftsabteilungen auszugehen ist, die notwendig auf einander bezogen sind und zusätzliche gesellschaftliche Vermittlungsinstanzen benötigen.

Ich möchte zur Verdeutlichung des Grundgedankens ein umgreifendes Reproduktionsschema konfigurieren, das zunächst die von Marx modellierten zwei Abteilungen zusammenfasst. Neben diesem Bereich, dem die Waren produzierenden, industriewirtschaftlichen Wirtschaftseinheiten und die angelagerten, so genannten unternehmensnahen Dienstleistungen angehören, soll es einen zweiten Wirtschaftssektor „sozialwirtschaftlicher Dienste“ [8] geben, die im Sinne von Wallerstein „von nicht profitorientierten Institutionen getragen und kollektiv bezahlt würden“. Eben dieser Finanztransfer zu der neu hinzugetretenen Abteilung erfordert sodann die Annahme einer dritten, gesamtgesellschaftlichen Vermittlungsinstanz. Um die gemeinwirtschaftlichen Tätigkeiten durch einen Werttransfer zu unterhalten, muss diese über ein hochorganisiertes Steuer-, Finanz- und Haushaltswesen verfügen.

Die systemisch notwendige dritte Instanz stellt das moderne Staatswesen dar. Es handelt sich um ein in sich differenziertes Ensemble gesellschaftlicher Organbildungen, das verschiedene subsidiär verknüpfte Ebenen sowie Institutionalisierungen aufweist, wie wir sie von staatlichen und kommunalen Haushalten oder beispielsweise von der Arbeitsverwaltung, von Sozialversicherungsträgern, von öffentlich-rechtlichen Institutionen oder von Stiftungsorganisationen kennen. Der durch dieses institutionelle Ensemble vermittelte Werttransfer drückt sich heute in der Staats- und Sozialquote aus, die in den hochentwickelten Ländern die 50-Prozent-Marke teilweise sogar überschritten hat.

Ich gehe also von der gegebenen, empirisch-historisch vorgeprägten, kapitalwirtschaftlich verpuppten Konfiguration und von der Annahme aus, dass sich auch die Wirtschaft der Zukunft als Prozesszusammenhang von industrieller Warenproduktion, sozialwirtschaftlichen Diensten und vermittelnden gesellschaftlichen Organen darstellt. Die Ausprägung dieses Zusammenhangs erscheint überhaupt als das Resultat einer Entwicklung im 20. Jahrhundert, die das „automatische System der Maschinerie“ [9] zu einem tragenden Produktionsfaktor machte und dazu führte, dass sich die Gewichte im System der gesellschaftlichen Arbeit entsprechend verschoben.

Innerhalb dieser Konstellation sollen aber jetzt die sozialwirtschaftlichen Dienste nicht mehr im Sinne der klassischen Marxschen Theorie als „unproduktive Arbeit“ rangieren, das heißt wie in der herrschenden Praxis aus kapitalwirtschaftlich erzielten Wertschöpfungen unterhalten oder in kapitalwirtschaftlicher Perspektive als „Sozialkostenfaktor“ behandelt werden. Sie können und sollen vielmehr - durch entsprechende steuer- und haushalts-, finanz- und betriebswirtschaftliche Dispositionen - der industriewirtschaftlichen Warenproduktion als eine gleich werteschaffende Wirtschaftsabteilung gegenübertreten. Die verfassungsgemäß legitimierten gesellschaftlichen, wenn man so will „staatlichen“ Organe würden in dieser Konfiguration also auf allen Ebenen und in allen Bereichen über Mittel aus Steuern und Abgaben verfügen und wirtschaftsgesellschaftliche Aufgaben, im Kern die Steuerung und Kontrolle von Transferleistungen, über ihre öffentlichen Haushalte wahrnehmen; dies vor allem zur notwendigen „kollektiven Finanzierung“ sozialwirtschaftlicher Dienste und insbesondere im jeweiligen sozialpraktischen Wirkbereich, zum Beispiel auf kommunaler und regionalökonomischer Ebene.

Gegen die skizzierte Konfigurierung eines nunmehr dreigliedrigen „organischen Systems .. als Totalität“ [10] drängt sich sofort der gewöhnliche, ebenso zum wirtschaftstheoretischen Dogma verhärtete Einwand auf, wie denn der sozialwirtschaftliche Sektor, jetzt die sozusagen andere Hälfte der Wirtschaft, in dieser Größenordnung finanziert werden soll: Innerhalb der kapitalwirtschaftlichen Ordnung und Perspektive wird heute gerade dieses Problem akut, und die neoliberale Politik setzt genau an diesem Punkt einer vermeintlich nicht mehr finanzierbaren Staats- und Sozialleistung an. Wallerstein bemerkt dazu nachdenklich: „Woher werden auf der einen Seite die großen Summen kommen, wenn es keine endlose Kapitalakkumulation gibt?“. „Wie könnte man im Bereich des Informationsflusses die Dinge .. so organisieren, dass es kein finanzielles Ungleichgewicht zwischen den konkurrierenden Gesichtspunkten gibt?“ (92).

Meine These zur möglichen Auflösung dieser allerzentralsten Fragen und Probleme lautet, dass der skizzierte sozialwirtschaftliche Umbau der Reproduktionsordnung neue Wertverhältnisse in Kraft setzen kann, die dann zugleich praktisch beweisen, dass die veraltete kapitalwirtschaftliche Wertrechnung bereits heute zu verkehrten, das heißt den praktisch-objektiven Reproduktionsverhältnissen nicht mehr adäquaten Wirtschaftsrechnungen führt. Die Wertformen und die Ideologie der bestehenden kapitalwirtschaftlichen Praxis gaukeln vermeintlich unlösbare Probleme vor, die, allerdings erst auf der Grundlage der Instituierung anderer Verhältnisse und in einer anderen Praxisperspektive, so nicht existieren.

Wallersteins Grundthese, dass ein Bruch mit dem Profitprinzip unerlässlich ist und institutionell eingeleitet werden könnte, sollte demnach in der Richtung forschend weiter verfolgt werden, dass dies letztlich eine ökonomisch-politische Transformation der kapitalwirtschaftlichen Reproduktionsordnung verlangt - mit entsprechenden Konsequenzen im Hinblick auf die Geltung neuer Wertformen und die Möglichkeit neuartiger Wirtschaftlichkeitsrechungen: Die Diskussion über solche von der traditionellen, wert-, kapital- und krisentheoretischen politischen Ökonomie weitgehend vernachlässigten Grundlagenfragen sei damit neu provoziert.

Ich nenne die vorstehend im Grundriss, prototheoretisch skizzierte Struktur zusammenfassend „Sozialwirtschaft“ [11] im Unterschied zur „Kapitalwirtschaft“, weil darin die gemeinnützige Verfasstheit der sozialwirtschaftlichen Dienste auch als Vorbild für die industriewirtschaftliche Betriebsverfassung dienen könnte - und nicht umgekehrt, wie es die neoliberale Wirtschaftspolitik im Zuge der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen heute durchzusetzen versucht. Wallerstein dazu direkt: „Wir sollten darüber nachdenken, wie wir Stahlwerke in Non-Profit-Unternehmen verwandeln können, die an niemanden Dividende zahlen“. [12] Durchaus in diesem Sinne versteht sich „Sozialwirtschaft“ als direktes Gegenmodell zur neoliberal ausgerichteten Kapitalwirtschaft und rückt die systemisch-prozessuale Inwertsetzung sozialwirtschaftlicher Dienste, deren darauf aufbauende allgemeine Emanzipation als gesellschaftliche Kraft sowie die damit notwendig verknüpfte Weiterentwicklung demokratischer wirtschaftsgesellschaftlicher Organe in den Mittelpunkt ihres Transformationsprogramms.

Urbane Praxis und zivilgesellschaftlicher Diskurs

Vielleicht sind die utopistischen Denkanstöße Wallersteins oder die Gedankenexperimente für eine sozialwirtschaftliche Alternative auch geeignet, eine grundlegende Schwäche der Theorien der Zivilgesellschaft deutlicher zu machen: Diese verfügen über kein werttheoretisch fundiertes wirtschaftsgesellschaftliches Konzept und sind zudem in dem wesentlichen Punkt der urbanen, kommunal verfassten Praxis unscharf fokussiert: Diese Praxis stellt den grundlegenden Verdichtungsraum des modernen gesellschaftlichen Lebens dar und bildet zugleich - von den Kindergärten und Schulen über die Stadtverwaltung, den Wohnungs- und Städtebau, die örtliche Bildungs- und Medienlandschaft oder Kulturproduktion bis hin zu Krankenhäusern und Altenheimen - den maßgeblichen Ort der Realisierung sozialwirtschaftlicher Funktionen.

Im Zuge einer zukünftigen Emanzipation des sozialwirtschaftlichen Bereichs könnte daher die urbane Praxis einen bevorzugten Ort wirtschaftsgesellschaftlicher Reproduktion und demokratischer Selbstorganisation [13] bilden. Sie stellt als solche Basiseinheit der gesellschaftlichen Praxis einen wesentlichen Angriffsraum der gesellschaftlichen Umwälzung dar. Im reformistischen zivilgesellschaftlichen Diskurs sind aber einschlägige theoretische Vorleistungen, wie sie beispielhaft Henri Lefebvre mit seiner „Kritik des Alltagslebens“ und mit Blick auf eine notwendige „Revolution der Städte“ [14] vorgelegt hat, leider fast vergessen. Nun hat das Modell „Porto Alegre“ [15] der Diskussion wieder neue Nahrung gegeben. Worauf kommt es letztlich an?

Die richtunggebende Idee einer Rücknahme des Staates in die Gesellschaft bedeutet nicht seine Auflösung in Zivilität, sondern ganz wesentlich seine Verwirklichung als erweitertes Ensemble demokratischer wirtschafts-gesellschaftlicher Organe. Im Zusammenhang dieser „Rücknahme“ könnte die mit der heutigen Kommunalverfassung erst protodemokratisch organisierte, kapitalwirtschaftlich ausgebeutete und vernachlässigte urbane Praxis als Basiseinheit der gesellschaftlichen Reproduktion eine wesentlich erweiterte politisch-ökonomische Rolle spielen.

Die akuten Probleme der Verschuldung der Kommunen, ihrer Benachteiligung in der Zuweisung von Steuermitteln, ihres Substanzzerfalls und des Abbaus ihrer sozialen und kulturellen Leistungsfähigkeit, ihrer mangelhaften demokratischen Kultur und unzureichenden Repräsentanz innerhalb der politischen Gesamtstrukturen bis hinauf auf die europäische Ebene verweisen auf die Notwendigkeit eines gesellschaftlichen Umbauprogramms, dessen reale Möglichkeit sich zugleich zunehmend abzeichnet. [16]

Demokratische, egalitäre Strukturen und die Möglichkeiten der Individuen

Vor dem Hintergrund der Idee einer neuen Reproduktionsordnung und politisch-ökonomischen Selbstorganisation, die ohne „Primat der endlosen Kapitalakkumulation“ (81) auskommt, erörtert Wallerstein weitere gesellschaftliche und politische Grundfragen: Als unerlässlich für eine gesellschaftliche Erneuerung gilt dabei die Implementierung „wahrhaft demokratischer Strukturen“. Es heißt: „Nichts wird funktionieren, wenn die Bevölkerung nicht das Gefühl hat, dass sie wirklich einen beträchtlichen Einfluss auf den politischen Entscheidungsprozess hat“ (92).

Mit vorsichtigem Optimismus werden Umrisse eines „relativ demokratische(n) und egalitäre(n) System(s)“ (81) gezeichnet. Fragen einer „Befreiung von der Arbeit“ oder des gesellschaftlichen Zeitbudgets stehen dabei nicht, wie bei Andre Gorz, im Mittelpunkt. [17] Es wird auch nicht auf spezielle Modelle wie die Rätedemokratie oder auf radikaldemokratische Reformkonzeptionen Bezug genommen. Im Grunde referiert Wallerstein hier zum klassischen Thema „Sozialismus und Demokratie“, wobei statt theoriegeschichtlicher Vergewisserungen praktische Fragen ganz im Vordergrund stehen und das besondere Interesse oder die Sorge der Frage gilt, ob und wie beerbenswürdige „liberale Ideale“ (82) in die Tat umgesetzt werden könnten.

Von diesen könnte übernommen werden, dass „die Mittel der kollektiven Gewalt begrenzt wären, sodass sich jeder persönlich einigermaßen sicher fühlte und die größtmögliche Breite individueller Optionen wahrnehmen könnte“. Dazu gehört auch die Möglichkeit, „einen oder mehrere befriedigende Berufe auszuüben und dass im Fall besonderer wie unerwarteter Bedürfnisse soziale Hilfe zur Verfügung stünde“ (82).

Wohl auch mit Blick auf geschichtliche Erfahrungen, das Verhältnis zwischen Individuum und Staat beziehungsweise Bürokratie betreffend, heißt es: Auf der Grundlage einer nicht am Profit orientierten ökonomischen Struktur, des gleichen Zugangs zu Bildung und Gesundheit sowie der Existenzsicherung durch ein garantiertes Grundeinkommen könnte auch „das Webersche Ideal eines interesselosen öffentlichen Dienstes“ erreicht und die Entstehung einer neuen Nomenklatura vermieden werden (92).

Wallerstein sieht durch die anvisierte gesellschaftliche Umstimmung überhaupt die Möglichkeit, dass sich die „Rangordnung sozialer Prioritäten“ und die Motivationen der Menschen ändern (83) und dass noch weitere bedrängende gesellschaftliche und politische Probleme erfolgreicher angegangen werden können, vor allem die „Ungleichheit von Rasse, von Geschlecht und von Nationen“. Die entsprechenden „Diskriminierungen“ sind für das Funktionieren des gegenwärtigen historischen Systems „weiterhin grundlegend“. „Diese Ungleichheiten sind moralisch inakzeptabel und im Rahmen unseres gegenwärtig existierenden Weltsystems unlösbar“. Die Frage stellt sich: „Werden wir somit eine klassenlose Gesellschaft haben? Auch dies bezweifle ich“. Es können sich aber „die tief verankerten und zerstörerischen Unterschiede zu Unterschieden verwandeln, die relativ geringfügig und in ihrer Wirkung begrenzt sind“ (90, 91).

Ökologische Probleme und das Verhältnis von Mensch und Natur

Ich greife die Frage der Ökologie erst nach den Erörterungen zu einer neuen Reproduktionsordnung auf, obwohl sie in der Rangliste der wahrgenommenen Probleme oft vorrangig erscheint. Wallerstein stellt dazu fest: „Die Resultate unseres gegenwärtigen Systems (wirken) immer absurder und unvernünftiger“. Er stellt dann ein einfaches Rezept aus: „Wir müssen verlangen, dass alle Produktionsorganisationen sämtliche Kosten internalisieren, einschließlich jener Kosten, die nötig sind, um sicherzustellen, dass die produktive Aktivität die Biosphäre weder verschmutzt noch aufbraucht“. Diese Kosten würden zu „Herstellungskosten“ (93, 94). Der Vorschlag verspricht einige positive Effekte und würde zugleich die „Profitklemme“ der Kapitalwirtschaft verschärfen.

Wie kann aber das generelle Ziel erreicht werden, „dass die Ressourcen der Biosphäre adäquat geschützt würden“? Die unumgängliche Wahl in den ökonomisch-ökologischen Fragen „sind soziale Entscheidungen, die demokratisch getroffen werden sollten, wobei alle, die von diesen Entscheidungen betroffen sind, involviert sein sollten“. Zu fragen ist beispielsweise: „Was ist material rational im Hinblick auf die Verwendung unserer Ressourcen, die alles andere als unbegrenzt sind?“ (vgl. 82 ff., 93, 94)

Mir scheint nach alldem soviel klar: Eine profitabel organisierte Umweltindustrie, eventuell garniert mit einem Kranz ehrenamtlich gepflegter Biotope, kann keine Lösung darstellen. Man konnte schon im ersten Band des Marxschen Kapitalwerks nachlesen: „Die kapitalistische Produktion entwickelt daher nur die Technik und Kombination des gesellschaftlichen Produktionsprozesses, indem sie zugleich die Springquellen alles Reichtums untergräbt: Die Erde und den Arbeiter“. [18] Offenkundig werden alle an sich sinnvollen Ansätze zu nachhaltigem Wirtschaften bisher noch weit überboten durch die fortwirkenden, sich global kumulierenden kapitalwirtschaftlichen Destruktivkräfte. Es bedarf also in erster Linie einer neuen Wirtschaftsverfassung, wie sie hier utopistisch anvisiert wird. Die weit darüber hinausführenden existenziellen Fragen des Verhältnisses von Mensch und Natur - virulent beispielsweise in den Diskussionen über die Atomkraft und Biotechnologie -, die Marx mit seiner visionären Formel von einem „durchgeführte(n) Naturalismus des Menschen und … Humanismus der Natur“ anspricht, sind damit noch nicht einmal angerissen. [19]

Staatliche Verfasstheit der Nations of the World

Aus der in den bisherigen Überlegungen zugrunde gelegten Modellierung eines gesamtgesellschaftlichen Reproduktionsprozesses ergibt sich, dass die Frage des Gesellschaftsganzen in seiner staatlichen Verfasstheit noch einmal im erweiterten Sinn aufgegriffen werden muss: Moderne Staatlichkeit hat sich wesentlich als Nationalstaat ausgeprägt. Diese Nationalstaaten bilden Wallerstein zufolge keine „autonomen Einheiten“. Sie bilden „Glieder eines zwischenstaatlichen Systems im Zusammenhang des kapitalistischen Weltsystems“ (17 ff., 56).

In der „Weltsystemanalyse“ rangiert der Staat als ein konstitutives Element für das Funktionieren des Systems. Dies aber nicht nur durch seine ökonomischen Funktionen im Dienste der Kapitalwirtschaft. Die Staaten halten ebenso oppositionelle Bewegungen im Zaum und erhalten die sozialökonomischen Hierarchisierungen und Spaltungen, welche zur Erhaltung der bestehenden Ordnung beitragen (28 ff.). [20]

Wallerstein nennt dazu die „Hierarchisierung“ der Arbeiterschaft und eine hochgradig ungleiche Einkommensverteilung. Er verweist auf den „Sexismus“ als eine Praxis, die der Aufrechterhaltung der unbezahlten Arbeit als Nicht-Lohnarbeit im Haushalt dient. Der „Rassismus“ erscheint als eine Ethnisierung ungleicher Einkommensverteilung und als Rechtfertigung für die weltwirtschaftliche Arbeitsteilung zwischen Zentrum und Peripherie. „Nationalismus“ gilt als eine Ideologie der Ungleichheit, die Legitimationszwecken in der Hackordnung des zwischenstaatlichen Systems dient.

Die Rollenspiele des Staates verweisen darauf, dass ein funktionierendes Staatensystem zu den Existenzbedingungen des Bestehenden gehört. Wäre aber der Umkehrschluss erlaubt, dass mit der Aufhebung der Profitwirtschaft auch die nationalstaatliche Verfasstheit der Gesellschaften aufgehoben würde und eine - wie auch immer geartete – entschränkte Weltgesellschaft entstehen könnte? In der „Utopistik“ habe ich keine klare Antwort auf diese Frage gefunden. Kann sich Wallerstein, wie ein Kommentator vermerkte, „den Sozialismus nur auf Basis einer ‚sozialistischen Weltregierung’ vorstellen, deren staatliche Strukturen dann im Marxschen Sinne absterben würden“? [21]

In der linken Diskussion sind die Fragen zur Rolle des Staates [22] im Zusammenhang der Globalisierung und zur Zukunft der Nationbildung [23] äußerst umstritten: Tatsächlich sind die konkreten Gestalten heutiger Gesellschaftlichkeit aus der Selbstorganisation von kulturell geprägten Wirtschaftsgesellschaften erwachsen. Hier sollten die Determinierungen, welche die Nations of the World heute im Zusammenhang des Welt-Systems erfahren, nicht überzeichnet oder gar verabsolutiert werden. Weiterhin möchte ich argumentieren, dass der geschichtlich herausprozessierte Vergesellschaftungstyp umso mehr zur Grundform des gesellschaftlichen Lebens werden kann, wie an Stelle einer per se maßlosen, grenzenlosen industriewirtschaftlichen Warenproduktion die auf die Subsistenz des konkreten Gemeinwesens und die Entfaltung seiner gesellschaftlichen Individuen bezogenen sozialwirtschaftlichen Dienste an Raum gewinnen, die industrielle Warenproduktion einbinden und sich neue politisch-ökonomische Organe der Selbstregulation mit je besonderer sozialpraktischer Reichweite konstituieren.

Aus dieser Sicht wird die Gesellschaft der Zukunft nicht auf einer totalen Entgrenzung des gesellschaftlichen Lebens beruhen. Meiner Ansicht nach werden sich vielmehr, in Gegentendenz zur neoliberalen Globalisierung, mit der Brechung des pervertierten Internationalismus des kapitalwirtschaftlichen Weltmarkts, praktisch-begrenzte Formbildungen von Gesellschaftlichkeit in Anschluss an die heutigen Nations of the World konstituieren. Diese Weltgesellschaften können sich aufgrund des Bruchs mit der Verwertungsökonomie eine vernetzte, kommunalistische [24] und subsidiäre politisch-ökonomische Struktur im Innern geben, sich zugleich auch in übergreifende Zusammenhänge kooperativ eingliedern. Solche Strukturen können sich von der Ebene kommunaler Selbststeuerung, regionaler Vernetzung und interkommunaler Kooperation über Kontinentalverbände wie ein einiges Europa bis hin zu einem Ensemble globaler Institutionen mit der UNO an der Spitze erstrecken, es kann kooperative Formen in der ganzen Bandbreite von Städtepartnerschaften bis hin zu Staatenbündnissen geben.

In diesem Sinne wurde letzthin in einem Kommentar der Nationalstaat verteidigt: „Die Erfahrung des Nationalstaats ist die eines Universellen im kleinen; sie entspricht nicht einfach einer großen Zusammenlegung von Ähnlichkeiten in Form einer ‚Identität’.“ Der Verfasser argumentiert zur zukünftigen „Konstruktion Europas“, dass die Gestaltung Europas „kein Ersatz“ für eine notwendige „Reformierung oder Neubegründung der Nationen“ sein kann, bei der die „Konsolidierung des Wohlfahrtsstaats“ die zentrale Frage darstellt. Der „Text, der Europa seinen politischen Rahmen gibt, (soll) in meinen Augen nach dem Modell einer Charta und nicht nach dem einer Verfassung gedacht werden“: [25] Diese Stellungnahme verweist auf die ebenso dringliche wie weithin ungeklärte Frage, welches Europakonzept in der Perspektive eines angestrebten alternativen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells verfolgt werden sollte.

Jedenfalls deutet sich mit dem Konzept einer sozialwirtschaftlichen Grundorganisation des Gesellschaftlichen die Möglichkeit der praktischen Überwindung jener sozialpathologischen Megastrukturen an, wie sie sich als Reflex der entfesselten Krebsökonomie herausgebildet haben. [26] Hinzu kommt: Eine zukünftige politisch-ökonomische Transformation hat zunächst keine anderen realistischen Einsatzfelder als konkrete Weltgesellschaften. Dagegen mögen nicht wenige Standpunkte ins Feld geführt werden, auch solche, die in jedem Gedanken an Nationalökonomie oder Kulturnation einen „Nationalismus“ vermuten. Die Auseinandersetzung auf diesem Feld muss geführt werden. Beispielsweise führt die Empire-Theorie von Hardt und Negri, mit ihrem Ruf „Weg mit dem allgegenwärtigen Staat“, [27] in diesem Zusammenhang in die Irre. Bourdieus „Gegenfeuer“ spricht dem gegenüber treffend aus, „dass die Beherrschten ein Interesse an der Verteidigung des Staates haben, insbesondere seines sozialen Gesichtes“. [28]

Gesellschaftspolitische Konstellationen und unser Handeln

Zum Schluss der Utopistik-Diskussion „kommen wir zu der politischen Frage: Wie gelangen wir dorthin und was können wir in den nächsten 25 bis 50 Jahren tun, um zu einem historischen Gesellschaftssystem zu kommen, das eine höhere „materiale Rationalität“ aufweist?“. „Denn es geht darum, die Grundlagen für das historische System der nächsten 500 Jahre zu legen“ (95). „Zum ersten Mal in der bekannten Menschheitsgeschichte“ kann ein System entstehen, in dem mehr Demokratie und Gleichheit verwirklicht werden soll. Kurz: Es geht in dem zukünftigen Ringen um die Errichtung eines „wahrhaft sozialistischen welthistorischen Systems“.

Uns steht dazu eine Konfrontation zwischen den „Privilegierten“ und einer heterogen zusammengesetzten gesellschaftlichen Mehrheit bevor. Die Privilegierten stellen eine „amorphe, ganz unterschiedliche Gruppe von Nutznießern der bestehenden Lage“ dar. Sie sind informierter, reicher und mächtiger als jemals zuvor. Sie haben ein „kollektives Klasseninteresse an gewissen Ergebnissen“, stehen aber auch in Konkurrenz zueinander. Möglicherweise werden sie versuchen so zu tun, als würde man alles ändern, damit sich nichts ändert. Vermutlich werden sie eine Rhetorik entfalten, die einen „Großteil der Terminologie der Unzufriedenen integriert“ (96, 97, 98)

Auf der anderen Seite erhebt sich die Frage: „Und wie werden die Unterdrückten in unserem gegenwärtigen System handeln?“. Diese sind in viel stärkerem Maße eine „heterogene, amorphe Gruppe“. Sie verfügen über weniger Macht, Organisation und Reichtum, um einen globalen Kampf zu führen. Dieser wird in verschiedenen Formen stattfinden - offene Gewalt, Wahl- und Gesetzgebungskämpfe, theoretische Debatten, öffentliche Appelle. „Die Polarisierung ist die stärkste, die es jemals gegeben hat“ und die „Machthaber“ werden ihre Privilegien nicht einfach aufgeben. Es wird „eine Periode schrecklicher politischer Kämpfe sein, da es um so viel mehr geht als in so genannten normalen Zeiten“, ja „es wird einen Kampf auf Leben und Tod geben“ (75, 95, 100, 101).

Es fällt am Ende auf, dass Wallerstein die subjektiven Kräfte einer gesellschaftlichen Umwälzung nicht genauer identifiziert. Im Hinblick auf deren Strategie wird aber eindringlich vor der traditionellen Fixierung der systemkritischen Bewegungen auf die Übernahme der Staatsmacht gewarnt: „Der Zusammenbruch der Sowjetunion war kein Desaster für die Welt-Linke … Er hat uns kollektiv vom Alp nicht länger sinnvoller leninistischer Strategie und Rhetorik befreit“. [29] Solche Machtübernahme führte in der Vergangenheit stets zur Wiedereinbindung in nicht wirklich überwundene institutionelle Zusammenhänge und damit letztlich zur Stabilisierung der kapitalistischen Weltwirtschaft. Immerhin wird die Möglichkeit gesehen, dass eine breite politische Opposition entsteht: „Ich kann darüber eigentlich nicht mehr sagen, als dass das Konzept einer Regenbogen-Koalition wahrscheinlich das einzig wirksame ist“ (101). [30]

Programm der gesellschaftlichen Transformation

Mein Resümee aus den Untersuchungen zur „Utopistik“ lautet: Die politische Strategie der Opposition in der Übergangsperiode kann nur in einer langfristigen Politik der gesellschaftlichen Transformation bestehen, die auf den Veränderungsdruck aus den immer wieder aufbrechenden Dysfunktionalitäten und Destruktionserscheinungen des Systems konkret antwortet. Diese Politik muss an identifizierbaren Interessenlagen und Emanzipationsbestrebungen im System der gesellschaftlichen Arbeit und an alltägliche gesellschaftliche Grundbedürfnisse anknüpfen. Sie kann sich insgesamt als neue Hoffungsperspektive für die Wünsche der Mehrheit nach Frieden und Arbeit, Demokratie und Gerechtigkeit darstellen. Jede solche Politik wird heute auf das universelle gesellschaftliche Individuum zielen, [31] kulturrevolutionär in allen Bereichen der gesellschaftlichen Praxis wirken und sich zugleich bewusst „innerhalb der Weltfamilie antisystemischer Bewegungen“ bewegen, die der „Geist von Porto Alegre“ beseelt, so Wallerstein in den Thesen für eine „Linke Politik“. Aber diese Politik wird nur dann eine starke Koalition der Entschiedenen konstituieren, wenn sie sich auf ein Vertrauen erweckendes, funktionsfähiges Konzept einer alternativen Wirtschaftsverfassung stützt und in entscheidenden Momenten Schritte zu dessen Initialisierung erzwingt.

Demnach ist die aus einer realen Latenz der Praxis entwickelbare postkapitalistische Ökonomik der theoretische Hauptaspekt eines erneuerten linken Projektes für die kommende Periode. Dieses Projekt erfordert eine utopistische Überschreitung der traditionellen Kritik der politischen Ökonomie und dadurch auch eine erneute, tiefgreifende Auseinandersetzung mit der Marxschen Wirtschaftstheorie. Unzureichend ist jedenfalls deren bloße Fortschreibung als traditionelle Wert-, Kapital- und Krisentheorie, mithin als ohnmächtige Begleitreflexion der Systembewegungen. [32] Und nicht getan ist es auch mit der Fortsetzung theoriehistorisch fixierter Ideenklaubereien über Sozialismus, mit reformistischen Wunschzetteln für mehr Demokratie in der Wirtschaft, mit überschwänglichen Proklamationen zur Abschaffung der Arbeit, mit ökologietheoretischen Superrezepten und sonstigen buntscheckigen Ideenkonstruktionen alternativen Wirtschaftens, von denen es nicht wenige gibt. [33]

Daher war mit vorliegender Utopistik-Diskussion auch beabsichtigt, einen Gesamtrahmen zu skizzieren der erlaubt, konstruktive Einzelaspekte aus der Alternativdebatte neu aufzugreifen und in einen zusammenhängenden Rahmen zu stellen. „Dabei sollte klar sein, dass ich hier kein Programm vorgeschlagen habe, sondern nur einige Elemente, die zu einer Diskussion eines Programms führen sollten, wie man ein material rationales historisches System institutionalisieren und die Übergangsphase durchlaufen könnte, um dorthin zu gelangen.“ Wallersteins Version der Elften These lautet: „Wenn wir einmal die Alternativen verstehen, müssen wir bereit sein, uns in einem Kampf zu engagieren, ohne jegliche Garantie dafür, dass wir ihn gewinnen werden“ (101, 102)

[1Wallerstein, Immanuel (1998): Utopistik. Historische Alternativen des 21. Jahrhunderts. Promedia Verlag, Wien 2002. Wallerstein ist seit 1976 Direktor des Fernand Braudel Center for the Study of Economics, Historical Systems, and Civilisations (FBC) an der Birmingham University, New York. Seine Hauptarbeit gilt einer Weltsystemtheorie, von der bisher 3 Bände erschienen sind. Weitere Informationen und aktuelle Texte auf der Internetseite http://fbc.binghamton.edu/ des Instituts. Siehe auch Wallerstein, Immanuel: Aufstieg und künftiger Niedergang des kapitalistischen Weltsystems. Zur Grundlegung vergleichender Analyse, S. 31-67 in: Dieter Senghaas (Hrsg.), Kapitalistische Weltökonomie. Frankfurt/M 1979. Ders.: Der historische Kapitalismus. Argument-Verlag, Hamburg 1984. Ders.: Das moderne Weltsystem I / II 1986 / 1998 im Promedia Verlag, Wien. Ders.: Marx, der Marxismus-Leninismus und sozialistische Erfahrungen im modernen Weltsystem. S. 126-137 in: Zeitschrift Prokla Nr. 78, Auf der Suche nach dem verlorenen Sozialismus. Rotbuch Verlag, Berlin 1990. Ders.: Wegbeschreibung der Analyse von Weltsystemen, oder: wie vermeidet man, eine Theorie zu werden, in: Zeitschrift für Weltgeschichte 2, 2 (2001), S. 9-32. Ders.: Linke Politik für ein Zeitalter des Übergangs, S. 10-17 in: Supplement der Zeitschrift Sozialismus, Nr. 3-2002, VSA-Verlag.

[2Siehe grundrisse Nr. 9/2004

[3Beispielhaft sei genannt: Helmut Reichelt, Zur logischen Struktur des Kapitalbegriffs bei Karl Marx. Europäische Verlagsanstalt Frankfurt / Europa Verlag Wien 1971. Letzthin wurde die Debatte wieder belebt, vgl. Kritik der politischen Ökonomie- Methodenstreit. Mit Beiträgen von W.F. Haug, M. Heinrich, H.-G. Backhaus, Th. Sablowski, in: Zeitschrift Das Argument, Heft 3/2003. Dazu Karl Reitter: Logisch oder historisch? Einführende Bemerkungen zu einer Kontroverse zwischen Michael Heinrich, Hans Georg Backhaus und Wolfgang Fritz Haug. In grundrisse 08/2003.

[4Backhaus, H.-G.: Materialien zur Rekonstruktion der Marxschen Werttheorie. S. 16-177 in: Gesellschaft. Beiträge zur Marxschen Theorie 11. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1978. Ders.: Dialektik der Wertform. Ca ira-Verlag, Freiburg i. Breisgau 1997. Neuere Beiträge zur Ware-Wert-Problematik sind Eicker-Wolf, Niechoj, Wolf (Hrsg.): Nach der Wertdiskussion? Schriftenreihe der Forschungsgruppe Politische Ökonomie Nr. 1, Marburg 1999. Heinrich, Michael: Die Wissenschaft vom Wert. Die Marxsche Kritik der politischen Ökonomie zwischen wissenschaftlicher Revolution und klassischer Tradition. Westfälisches Dampfboot, Münster 1999. Dazu Birkner, Martin: Der schmale Grat. Auseinandersetzung mit Michael Heinrich: Die Wissenschaft vom Wert. In grundrisse 1/2002. Das werttheoretische Kernstück der gesamten Krisis-Theorie findet sich bei Robert Kurz: Abstrakte Arbeit und Sozialismus. Zur Marxschen Werttheorie und ihrer Geschichte, in: Marxistische Kritik Nr. 4, Dezember 1984, S. 57-108. Auch mit inzwischen vorliegenden Beiträgen zur Zurückweisung der „Neuen Deutschen Wertkritik“ dürfte die Diskussion um die Krisis-Position nicht zu Ende sein.

[5Das Marxsche Rätselwort lautet: „Ökonomie der Zeit, darein löst sich schließlich alle Ökonomie auf“. Vgl. Karl Marx, Grundrisse, MEW 42, S. 105, 607, aber auch MEW 19, S. 375-376: „Der Wert der Ware (ist) so nur eine bestimmte historische Form von etwas, was in allen Gesellschaftsformen existiert“. Von da lautet die eigentliche Frage m. E.: Was bedeutet und welche Rolle spielt, in welchen Formbildungen existiert letztendlich „Wert“ im Reproduktionsgefüge einer alternativen Wirtschaftweise?

[6Vgl. S. 66 in Krätke, Michael R.: Demokratisierung der Wirtschaft - Sozialisierung der Märkte. Marktsozialismus, Wirtschaftsdemokratie und radikaldemokratische Reformkonzepte heute. S. 55-67 in: Zeitschrift Widerspruch Nr. 43, Zürich 2003.

[7Dazu Brand, Ulrich u.a.: Global Governance. Alternative zur neoliberalen Globalisierung? Münster 2000

[8Der Begriff „sozialwirtschaftliche Dienste“ verweist zunächst darauf, dass es hierbei keineswegs nur um „Soziales“ oder um „Dienstleistungen“ im herkömmlichen Sinne geht, sondern um die Reproduktion von gemeinschaftlichen bzw. allgemeinen Existenzbedingungen oder ebenso Kulturelementen der gesellschaftlichen Praxis. Siehe auch die weiterführenden Hinweise der Fußnote 11.

[9Vgl. Grundrisse, S. 584 ff.

[10Vgl. MEW 42, S. 203

[11Die Theorie der Sozialwirtschaft wird hier als Forschungshypothese in die Diskussion zu Wallersteins Utopistik mit eingebracht, kann aber in diesem Kontext nicht weiter ausgeführt werden. Jedenfalls wird die Lösung des Problems einer alternativen Wirtschaftsweise durch eine „praxisanalytische“ und „transformationstheoretische“ Herangehensweise gesucht und innerhalb der umrissenen, über die traditionellen Reproduktionsschemata hinausgehenden Modellierung eines umgreifenden Reproduktionsszenarios sowie in einer darauf neu aufsetzenden wert-theoretischen Untersuchung vermutet.

Zum Begriff und zur Theorie der Sozialwirtschaft siehe Müller, Horst: Kapitalwirtschaft und Sozialwirtschaft. Zur konkreten Utopie der politischen Ökonomie (I). In: UTOPIE kreativ. Heft 47/48. Berlin 1994. S. 123-135. Ders.: Kapitalwirtschaft und Sozialwirtschaft (II). Der Übergang zur Sozialwirtschaft. In: UTOPIE kreativ. Heft 50. Berlin 1994. S. 25-37. Ders.: Sozialwirtschaft als Alternative zur Kapitalwirtschaft (Kurzfassung) in: Forum Sozialpolitik. Zeitschrift der AG SPAK Nr. 78/79, März 2000, S. 80-85. Ders.: Die Staatsquote und Transformationstendenzen in Wirtschaft und Gesellschaft. S. 909-924 in: Utopie kreativ, Oktober 2001/Heft 132. Ders.: Vom Streit über die Marxschen Reproduktionsschemata zu einer Theorie der ökonomischen Transformation, S. 142-158 in: VorSchein Nr. 22/23, Jahrbuch der Ernst-Bloch-Assoziation, Philo-Verlag 2002. Ders.: „Von der Kritik zur Utopistik der politischen Ökonomie“, Vortrag auf der Tagung der Initiative für Praxisphilosophie ‚Das PRAXIS-Konzept im Zentrum gesellschaftskritischer Wissenschaft’, Februar 2004 in Nürnberg.

[12Vgl. Wallerstein, Immanuel: Linke Politik für ein Zeitalter des Übergangs, in: Der Geist von Porto Alegre und die Strategie der Linken. Supplement der Zeitschrift Sozialismus 3/2002. VSA-Verlag Hamburg.

[13Das Problemfeld einer partizipatorischen Wirtschaftsverfassung ist damit erst angerissen. Dazu Creydt, Meinhardt: Partizipatorische Planung und Sozialisierung des Marktes. Aktuelle Modelle sozialistischer Wirtschaftsgestaltung aus der angelsächsischen Diskussion, in: Zeitschrift Widerspruch, Bd. 40, Zürich 2001.

[14Vgl. Lefebvre Henri (1968): Das Alltagsleben in der modernen Welt. Suhrkamp Verlag, Frankfurt/M. 1972. Ders.: Die Revolution der Städte. Syndikat Verlag, Frankfurt/M. 1976. Als klassische Theorievorgaben zum Themenkreis möchte ich notieren: Castells, Manuel: Die kapitalistische Stadt. Ökonomie und Politik der Stadtentwicklung. VSA-Verlag, Hamburg 1977. Kebir, Sabine: Antonio Gramscis Zivilgesellschaft. VSA-Verlag 1991.

[15Ausgezeichnet zur Einführung: Vom Süden lernen. Porto Alegres Beteiligungshaushalt wird zum Modell für direkte Demokratie. Herausgeber: Bischöfliches Hilfswerk Misereor, DGB Bildungswerk Nord-Süd-Netz, Servicestelle Kommunen in der einen Welt (Materialien 70/2002). Siehe auch Carsten Herzberg / Christian Kasche: Modell Porto Alegre. Der Bürgerhaushalt auf dem Prüfstand. S. 1375-1384 in: Blätter für deutsche und internationale Politik Nr. 11/2002.

[16Ein Ausdruck beginnender Interessenartikulation ist beispielsweise: Deutscher Städtetag (Hrsg.): Leipziger Resolution für die Stadt der Zukunft. S. 165-171 in: Mitteilungen des Deutschen Städtetages Folge 10, Nr. 386-424. Köln und Berlin, 2001. Zur aktuellen Problemlage Lattmann, Jens: Die Stadt der Zukunft und der Wirtschaft. Standort Stadtstärken, in: Der Städtetag Nr. 5/2003, S. 22-27.

[17Gorz, Andre: Kritik der ökonomischen Vernunft. Sinnfragen am Ende der Arbeitsgesellschaft. Rotbuch Verlag, Berlin 1989.

[18Marx, Karl: Das Kapital, MEW 23, S. 529.

[19Das Marx-Zitat aus den Pariser Manuskripten von 1844 wendet Bloch im Prinzip Hoffnung zu „Naturalisierung des Menschen, Humanisierung der Natur“, ebd. S. 235. Umfassend dazu Schmied-Kowarzik, Wolfdietrich: Das dialektische Verhältnis des Menschen zur Natur. Philosophiegeschichtliche Studien zur Naturproblematik bei Karl Marx. Alber Verlag, Freiburg/München 1984.

[20Dazu auch Balibar, Etienne / Wallerstein, Immanuel: Rasse, Klasse, Nation. Ambivalente Identitäten. Argument Verlag, Hamburg/Berlin 1990.

[21Unruh, Ludwig: Das moderne Weltsystem. Immanuel Wallerstein zum 70. Geburtstag, in: Direkte Aktion Nr. 141, Oktober 2000.

[22Verweise auf staatstheoretische Grundlagenliteratur würden den gegebenen Rahmen sprengen. Wenigstens eine Fundgrube sollte nicht unerwähnt bleiben: Karl Marx / Friedrich Engels. Staatstheorie. Materialien zur Rekonstruktion der marxistischen Staatstheorie, hrsg. von Eike Hennig, Joachim Hirsch, Helmut Reichelt und Gert Schäfer. Ullstein Buch Nr. 3008, 1974. Von diesen Autoren hat in neuerer Zeit Joachim Hirsch noch mehrfach Stellung genommen, zuletzt mit: Herrschaft, Hegemonie und politische Alternativen. VSA-Verlag, Hamburg 2002.

[23Ich erinnere an T. Nairn / E. Hobsbawm / R. Debray / M. Löwy: Nationalismus und Marxismus. Anstoß zu einer notwendigen Debatte. Rotbuch Verlag, Berlin 1978. Ein relevanter Beitrag in der aktuellen Diskussion: Crome, Erhard: Die Linke und ihr Verhältnis zu Nation und Nationalstaat. Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung. 2002.

[24Der unübliche Ausdruck „kommunalistisch“ wird verwendet in Anlehnung an die Ausführungen von Karl Marx zur Pariser Kommune in: Der Bürgerkrieg in Frankreich, MEW 17, u.a. S. 339-343 und 351. Marx sah in der sich abzeichnenden neuartigen Städte- oder Kommunalverfassung der Pariser Kommune eine „durch und durch ausdehnungsfähige politische Form“. Die „Einheit“ des „in Kommunen konstituierten Volk(es)“ „sollte nicht gebrochen“, sondern im Gegenteil neu „organisiert werden durch die Kommunalverfassung“. Als Grundform der befreiten, jetzt gesellschaftlich „assoziierten Arbeit“ gelten „genossenschaftliche“ Betriebe, welche die „nationale Produktion“ dann „nach einem gemeinsamen Plan regeln, sie damit unter ihre eigne Leitung nehmen“.

[25Vgl. Rosanvallon, Pierre: Die Konstruktion Europas. Ein neues Zeitalter erfordert ein Laboratorium der Demokratie, S. 68-71 in: Lettre International Nr. 60, I / 2003.

[26Der italienische Städtebau-Architekt Lampugnani, nachdem er über die „Zukunft der telematischen Stadt“ nachgedacht hat: „Gegenwärtig könnte Shanghai eher von München lernen als umgekehrt“. In: Süddeutsche Zeitung (SZ), Feuilleton am 28.03.2003).

[27S. 357 in: Hardt Michael u. Negri Antonio: Empire. Die neue Weltordnung. Campus Verlag, Frankfurt/M. 2002.

[28S. 49 in: Pierre Bourdieu, Gegenfeuer. Wortmeldungen im Dienste des Widerstands gegen die neoliberale Invasion. Insbesondere S. 39-52: Der Mythos Globalisierung und der europäische Sozialstaat. UVK Universitätsverlag, Konstanz 1998.

[29Wallerstein, Immanuel: Linke Politik für ein Zeitalter des Übergangs, in: Der Geist von Porto Alegre und die Strategie der Linken. Supplement der Zeitschrift Sozialismus 3/2002. VSA-Verlag Hamburg. Helmut Fleischer verdanke ich den Hinweis auf eine wenig bekannte Fundstelle, die den Marxschen Standpunkt zum Verhältnis von „sozialer Umwälzung“ und „politischem Aufstand“ erhellt: Wo es beim politischen Aufstand nur darum geht, dass die „einflusslosen Klassen“ ihre „Isolierung“, d.h. ihren Ausschluss „von der Herrschaft auf(zu)heben“, verbirgt dieser Aufstand „unter der kolossalsten Form einen engherzigen Geist“. Wo dagegen die „politische Revolution mit einer sozialen Seele“ geschieht und sodann die eigentliche „organisierende Tätigkeit“ für die Errichtung des „wahren Gemeinwesens“ beginnt, da „schleudert der Sozialismus die politische Hülle weg“. In: Karl Marx, Kritische Randglossen zu dem Artikel eines Preußen, MEW 1, S. 408 f.

[30Die „Regenbogen-Koalition“ gibt einen Denkanstoß, stellt aber natürlich kein ausreichendes politisches Konzept dar. Im vorliegenden Zusammenhang wäre es am Platz, erneut Gramscis Ideen des „historischen Blocks“ und des Ringens um „Hegemonie“ zu diskutieren. „Der für Gramscis gesamtes Werk konstitutive Bündnisgedanke tritt unter der Formel des ‚Blocks’ auf“, bemerkt Sabine Kebir in: Antonio Gramscis Zivilgesellschaft. VSA-Verlag, Hamburg 1991. Siehe ebd. S. 74-89.

[31Auf der politisch-ökonomischen Basis der neuen Gesellschaft im Marxschen Sinne soll sich die „Möglichkeit der universellen Entwicklung des Individuums“ eröffnen. Die angestrebte „Universalität“ der assoziierten Individuen schließt ein neues gesellschaftlich-geschichtliches Wirklichkeitsbewusstsein ein, insbesondere ein „Begreifen seiner eignen Geschichte“ als unaufhebbarer Werdensprozess und ein Wissen davon, dass die Natur der „reale Leib“ des Menschen (und selbstverständlich als solcher zu behandeln) ist. Siehe Grundrisse, MEW 42, S. 447.

[32Vgl. Horst Müller, Politische Ökonomie heute: Krisen- oder Transformationstheorie? Thesen zur Kritik der traditionellen Kapital- und Krisentheorie, S. 317-319 in: Erwägen Wissen Ethik, EWE 13 (2002), Heft 3, Westdeutscher Verlag, Opladen.

[33Ich nenne aus dem Spektrum des Alternativ-Denkens einige typische Positionen: Joachim Bischoff / Hans-Georg Draheim: Sozialismus im 21. Jahrhundert. Zur politischen Ökonomie einer nicht-kapitalistischen Wirtschaft, in: Supplement der Zeitschrift Sozialismus Nr. 1/2003. Krätke, Michael R.: Demokratisierung der Wirtschaft - Sozialisierung der Märkte. Marktsozialismus, Wirtschaftsdemokratie und radikaldemokratische Reformkonzepte heute. S. 55-67 in: Zeitschrift Widerspruch Nr. 43, Zürich 2003. Gorz, Andre: Kritik der ökonomischen Vernunft. Sinnfragen am Ende der Arbeitsgesellschaft. Rotbuch Verlag, Berlin 1989. Rifkin, Jeremy: Die H2-Revolution. Campus Verlag, Frankfurt 2002.

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