ZOOM 7/1997
November
1997
Deutsche Bundeswehr:

Rechtsextreme Videos

Bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate tauchte Ende Oktober ein von Angehörigen des in Schneeberg im Erzgebirge stationierten Gebirgsjägerbataillons 571 gedrehtes Video rechtsextremen und antisemitischen Inhalts auf. Ein Anfang Juli veröffentlichtes Video zeigt Soldaten, wie sie unter anderem eine Frau – dargestellt von einem Bundeswehrangehörigen – vergewaltigen und kreuzigen, einen an einen Baum Gefesselten erschießen oder einem Dritten die Kehle durchschneiden. Aufgenommen wurde der Film 1996, während sich das zu den sogenannten Krisenreaktionskräften gehörende Bataillon auf seinen Einsatz im ehemaligen Jugoslawien vorbereitete. Das zweite Video dokumentiert rechtsextreme und antisemitische Exzesse der Jahre 1994 und ’95, etwa Soldaten beim Hitler-Gruß und dessen Abwandlung, dem Kühnen-Gruß, sowie bei einem gespielten Interview zur Judenvernichtung. Gegen die acht Hauptakteure des Films, unter ihnen zwei Offiziere und zwei Unteroffiziere, ermittelt die Staatsanwaltschaft.

Beide Bänder wurden von einem ehemaligen Zeitsoldaten, Mike R., der in dem neuen Video auch als Darsteller auftritt, dem Fernsehsender SAT 1 übergeben. R. wollte nach eigener Aussage dokumentieren, daß „Rechtsextremismus in der Bundeswehr kein Einzelfall ist“. Er selbst sei spätestens seit 1994 „aus der Szene raus“. Der Polizei seines Heimatorts war er als rechtsextremer Aktivist bekannt, eine Zeit lang gehörte er der Partei Deutsche Volksunion (DVU) an.

Gegenüber der Berliner Zeitung (27.10.1997) schilderte R., wie in der Schneeberger und anderen Kasernen mit Wissen und teilweise sogar unter Beteiligung Vorgesetzter mit rechtsextremen Propagandamaterial gehandelt wurde, mit Werken von Hitler und Göbbels ebenso wie mit der Reichskriegsflagge, Hakenkreuzfahnen, Videos, T-Shirts mit Aufdrucken wie „Rudolf Heß lebt“ oder mit Kassetten von Skinhead-Bands und dem „nationalen Liedermacher“ Frank Rennicke. Das Material sei regelmäßig von einem Kurier außerhalb der Kaserne an Eingeweihte verteilt worden. Darüber hinaus hätten Mitglieder von Wiking-Jugend, NDP und DVU in den Kasernen Aufkleber und Schriften verteilt. Der Militärische Abschirmdienst (MAD) habe zwar mehrfach Durchsuchungen durchgeführt, aber offensichtlich immer ohne greifbares Ergebnis.

Das Verteidigungsministerium wies die Vorwürfe „mit aller Schärfe“ zurück, gegen R. erstattete es Anzeige wegen Verbreitung rechtsextremistischen Gedankenguts. Der Sprecher des Ministeriums betonte, daß der Behörde die Vorfälle erst seit der Video-Veröffentlichung bekannt seien. Im übrigen wandte er sich gegen den Eindruck, ostdeutsche Truppenteile der Bundeswehr seien besonders anfällig für rechtsradikales Gedankengut. Auch in den „alten Ländern“ seien Vorkommnisse mit rechtsradikalem Hintergrund zu verzeichnen.

Tatsächlich nimmt die Zahl rechtsextremer Zwischenfälle bei der deutschen Bundeswehr rapide zu: von 46 Fällen im Jahr 1996 auf bereits 80 Fälle in den ersten acht Monaten dieses Jahres. Insgesamt wird gegen 110 Soldaten, zum überwiegenden Teil Grundwehrdiener, ermittelt.

Aus einer im Zuge der aktuellen Debatte bekanntgewordenen sozialwissenschaftlichen Studie der Bundeswehr und der Universität Konstanz geht weiters hervor, daß sich die Mehrheit des Offizierskorps rechts von der Mitte einordnet. Jeder fünfte Offiziersstudent bezeichnet sich selbst als „national-konservativ“.

Quellen:

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