Wurzelwerk, Wurzelwerk 38
April
1985

Reichtum, der ständig Armut hervorbringt

Rohstoffe aus der Dritten Welt: Tatsachen und Zahlen

Die Entwicklungsländer sind in hohem Maße, nämlich zu rund 70% von den Exporten ihrer Rohstoffe abhängig. Der Anteil der Rohstoffe (mit Erdöl) am Weltmarkt sank aber von 31% 1950 auf fast die Hälfte, auf 17,3% im Jahr 1981, rechnet man Erdöl weg, von 28% auf nur 9,7%. Rund vier Fünftel der Importe der Dritten Welt sind Industriewaren aus den Industriestaaten.

Die Preise der Rohstoffe der Dritten Welt (ohne Erdöl) werden im Vergleich zu den Preisen für importierte Industriegüter ständig schlechter, für die einzelnen Rohstoffe in unterschiedlichem Ausmaß (Beispiele siehe weiter unten). Allein in den 70er Jahren „fiel“ ihr Preis um ein Fünftel, für die schwarzafrikanischen Staaten sogar um 30% (FR, 16.9.83). Mit anderen Worten: Die Bauern und Arbeiter der Dritten Welt müssen immer mehr Baumwolle, Jute, Kaffee, Kakao u.a. ernten, immer mehr Mineralien schürfen, um den Import derselben Menge an Industriegütern wie früher, vor 10, 20 Jahren zu ermöglichen. Nochmals anders ausgedrückt: Die Arbeit der Dritten Welt wird immer schlechter bezahlt.

Angebot und Nachfrage bestimmen nicht allein die Preise. Ob Preise „steigen“ oder „fallen“, hängt davon ab, wer der Lieferant ist, welche Macht er ausüben kann. Die Macht im Handel hat der, der den anderen zwingen kann, welche Ware zu welchem Preis in welcher Menge abgeliefert werden darf und umgekehrt, welche Ware der Abhängige abzunehmen hat. Es sind eindeutig die Industrieländer, die im Welthandel über diese Macht verfügen (ausgenommen die OPEC-Staaten bei Erdöl).

Das Prinzip derer, die diese Macht haben, heißt, nur das kaufen, worauf man angewiesen ist (Rohstoffe, Nahrungs-, insbesondere Genußmittel), sich alle Konkurrenzprodukte möglichst vom Hals zu halten, aber verkaufen, was sich verkaufen läßt, auch solche Waren, die man im eigenen Land nicht absetzen kann: schlechte, minderwertige Produkte, mitunter auch verdorbenen Weizen, Medikamente, die im eigenen Land nicht mehr zugelassen sind, Pestizide, die gesundheitsschädlich sind, und Waffen, jede Menge Waffen.

Umgekehrt gibt es für den Import aus den Entwicklungsländern in die Industriestaaten allerlei tarifliche (mit Zoll belegte) und sonstige Hemmnisse. Das Beispiel der Baumwolle ist geläufig: Für Rohbaumwolle wird kein Zoll verlangt, aber je mehr sie verarbeitet ist, desto höher ist der Zollsatz. Im Prinzip gilt dieser Grundsatz für alle Rohstoffe aus der Dritten Welt. Die Absicht ist klar: Rohstoffe werden benötigt, also kosten sie beim Import wenig. Je mehr sie verarbeitet sind, desto eher sind sie Konkurrenten für einheimische Produkte.

Beispiele der verschlechterten Austauschbedingungen für Rohstoffe aus der Dritten Welt:
  1. Kaffee: 1 t Rohkaffee war 1960 so viel wert, daß 37,3 t Düngemittel importiert werden konnten, 1982 aber nur mehr 15,8 t. (The Guardian, 25.3.83)
  2. Zucker: Jamaika bezahlte den Import eines Traktors mit 20 t, 1980 aber schon mit 80 t Zucker. (Datta, Asit: Ursachen der Unterentwicklung. München 1982, S. 57)
  3. Bananen: Costa Rica mußte 1972 28 kg Bananen für ein Faß Öl liefern, 1980 bereits 420 kg. (ebenda)
  4. Jute: 1959 konnte Bangladesch oder Indien einen 8-t-LKW um 6 t Rohjute importieren, 1982 mußte man bereits 26 t Rohjute exportieren, um einen gleichen LKW wie 1959 kaufen zu können. (The Guardian, 25.3.83)
  5. Baumwolle: 1970 konnte ein tansanischer Bauer einen Traktor für 14 t Baumwolle kaufen, 1980 brauchte er bereits 50 t. (ÖIE)

Die Entwicklungsländer sind also gezwungen, weiterhin jene Produkte zu liefern, die sie immer schon geliefert haben: Rohstoffe, möglichst unverarbeitet.

Da zwischen 1963 und 1980 der Welthandel enorm angewachsen ist (real um das Vierfache) und sich der Anteil industrieller Produkte am Weltmarkt etwa vervierfacht hat und ihr Preis real um 25% „anstieg“, mußten die Rohstoffpreise real Verluste hinnehmen, damit die Relation in etwa stimmte. Dies war aber kein Naturereignis, sondern darin spiegeln sich Machtverhältnisse wider.

Durch die horrende Verschuldung der Dritten Welt (1984: über 800 Milliarden Dollar) ist diese zunehmend von Geldgebern in den Industriestaaten abhängig. Immer mehr Staaten des ‚Südens‘ werden bankrott. Wenn ein Handel zwischen einem Multimillionär und einem bankrotten Straßenverkäufer stattfindet, so liegt es auf der Hand, zu welchen Bedingungen, zu wessen Vorteil dieser Handel getrieben wird.

Der Wissenschafter Harrison schätzt, daß der ungerechte Welthandel die Entwicklungsländer jährlich rund 35 Milliarden Dollar (etwa 800 Mia öS) kostet (Harrison, Paul: Hunger und Armut. Rowohlt, Reinbek 1982, S. 306).

Der ‚Norden‘ nimmt die Dritte Welt finanziell von zwei Seiten in die Klemme: Einerseits verlangt er, daß die Schulden pünktlich in harten Devisen mit hohen Zinsen zurückgezahlt werden, andererseits verweigert er aber ausreichende Erlöse für die dafür nötigen Rohstoffexporte.

Fazit: Der übliche Welthandel funktioniert wie ein Dieb, der von den schon Benachteiligten immer noch mehr wegnimmt und denen gibt, die schon viel besitzen. In der Zusammenarbeit mit Entwicklungsländern ist Heuchelei die Regel. Große Reden werden nahezu nie von entsprechenden Handlungen gefolgt. Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher.

Es ist nicht gelungen, eine Neue Internationale Weltwirtschaftsordnung auch nur ansatzweise zu verwirklichen.

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