ZOOM 2/1996
März
1996

Rückkehr der Rechten?

Am 3. März dieses Jahres wählte Spanien. Dreizehn Jahre sozialistische Regierung wurden beendet. Wer sind die neuen Machthaber?

Während in Österreich von einem Sieg der Konservativen in Spanien die Rede ist, warnten die Sozialisten (PSOE) vor einem Sieg der Rechten, und nicht wenige KommentatorInnen spanischer Zeitungen sahen die sich als Zentrumspartei präsentierende Partido Popular (PP) weit rechter angesiedelt, als sie sich darzustellen versuchte. Es ist erstaunlich, daß diese Frage hier kaum auftaucht, obwohl in Spanien erst 1975 die Diktatur Francos zu Ende ging.

Vor 1923 gab es in Spanien VertreterInnen einer liberal gesinnten rechts-konservativen Politik. Mit dem Militärputsch von 1923 verschwanden demokratisches Ideal und Überzeugung aus dem Horizont der Rechten Spaniens. Übrig blieben als essentielle Werte der spanischen Rechten: Autorität, starke Regierung, Katholizismus, Verteidigung des Eigentums, Kirche und Militär.

Aus dem Bürgerkrieg ging 1939 die Diktatur Francos hervor, in die sich die meisten rechten Gruppierungen, die in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg existierten, integrierten, auch wenn einzelne Parteiführer ins Exil gehen mußten. Nach der Diktatur versuchten alle möglichst rasch franquistischen Positionen abzuschwören und sich im Wettstreit um die neue Ordnung zu bewerben. Als eine für die Demokratie offene Partei gründete Manuel Fraga die Alianza Popular (AP). Der von Franco als Nachfolger bestimmte König bildete ein Kabinett aus all jenen Kräften, die sich schon gegen Ende der Diktatur für Reformen offen gezeigt hatten. Adolfo Suárez, ehemaliger Falangist, wurde zum Symbol für den Wandel zur liberalen Gesinnung, indem er für die Legalisierung aller Parteien „der Straße“ eintrat. 1976 wurde er vom König mit der Regierung betraut und gründete die Union Centro Democratico (UCD), die bei den ersten Wahlen 1977 fast die absolute Mehrheit erlangte, knapp gefolgt von den Sozialisten. Die Rechten (AP) erlangten nur wenige Sitze im Parlament.

Werdegang der PP

Bei den Wahlen 1982 gingen die Sozialisten als deutliche Sieger hervor. Die Zentrumspartei war der Auflösung nahe, sodaß ein Großteil der Oppositionsstimmen auf die AP entfiel. 1989 trat die Alianza Popular erstmals unter dem neuen Namen Partido Popular und mit dem neuen Spitzenkanditaten Aznar, unterstützt von Manuel Fraga , bei den Wahlen an. Die Stärkung der PP in den folgenden Jahren resultierte in erster Linie aus der Auflösung der Zentrumspartei und auch aus der Schwächung der PSOE. Der Grundstock der WählerInnen der PP ist aber nach wie vor der Rechten zuzuzählen.

Die Partei selbst ist in verschiedene Gruppierungen unterteilt. Zwar sind nicht alle Personen eindeutig einer „Familie“ zuzuordnen, doch gibt es in der PP die Tradition, sich in politischen, sozialen oder kulturellen Stiftungen zu gruppieren. So sammeln sich die alten Fragisten weiterhin in einer von Fraga präsidierten Stiftung. Neben diesem rechten Flügel gibt es die Gruppe der Christdemokraten und die ehemaligen UCD Mitglieder. Starken Einfluß haben aber auch Interessensgruppen wie der Unternehmerverband und der kirchliche Rechts-außen-Flügel Opus Dei. Die Sorge vieler KommentatorInnen, der Wandel der PP zu einer Zentrumspartei sei letztlich bloß eine wahltaktische Behauptung, ist bei diesem Bild nicht unberechtigt, zumal Aznar es bisher konsequent vermieden hat, klare Programmaussagen zu machen. Selbst die Verkündigung der Regierungsziele beschränkte sich mehr oder weniger auf Schlagworte wie Sparsamkeit, Ehrlichkeit und Kampf gegen die Korruption. Ob das Versprechen eingelöst wird, keine Kürzungen im Sozial-, Bildungs- und Kulturbudget vorzunehmen, ist zweifelhaft, da gleichzeitig der Wille bekräftigt wird, bei der WWU von Anfang an dabei zu sein.

Die Regierung

Acht der vierzehn MinisterInnen kommen aus der alten Alianza Popular, drei aus der ehemaligen UCD und drei sind unabhängig. Die aus der AP stammenden MinisterInnen waren fast alle schon zur Zeit der Führung Fragas Personen seines Vertrauens und bekleideten wichtige Positionen in der Partei. Die meisten begannen ihre politische Karriere bereits während der Diktatur. Der Außenminister Abel Matutes, zur Zeit Vorsitzender der Kommission für außenpolitische Angelegenheiten im Europäischen Parlament, war unter Franco bereits Bürgermeister in Ibiza. Er zählt heute zu den reichsten Unternehmern Spaniens, dessen Vermögen auf umgerechnet 2,5 Milliarden Schilling geschätzt wird. Der Gesundheitsminister José Manuel Romay war schon zwischen 1963 und 1969 Generalsekretär im Gesundheitsministerium und fünf Jahre später Staatssekretär des Regierungschefs.

Aznar kämpft mit dem roten Tuch

Die ehemaligen UCDisten bekamen das Innen- und das Entwicklungsministerium sowie das Ministerium für Arbeit und Soziales, die Unabhängigen das Verteidigungsministerium, das Ministerium für Industrie, Energie und Tourismus sowie das Justizministerium. Die Justizministerin Margarita Mariscal ist Mitglied der konservativen Richtervereinigung und Tochter von Jaime Mariscal, der während der Diktatur Polizeichef und später Richter für öffentliche Ordnung war.

Die Regierungsbildung wird als besonderer Erfolg Aznars gesehen, da es ihm, nach der Vereinigung der Rechten mit dem Zentrum innerhalb der Partei, nun auch im Parlament gelang, trotz knapper Mehrheit eine breite Unterstützung zu erlangen. In Spanien wird der Regierungschef vom Parlament mit absoluter Mehrheit gewählt. Die größte nationale Partei, die katalanische Convergencia i Union (CIU), die auch die letzte Regierung der Sozialisten unterstützte, liefert dazu um vier Stimmen zuwenig. Aznar wird zusätzlich von den kanarischen NationalistInnen und zwei Abgeordneten der baskischen NationalistInnen unterstützt. Damit erreichte er zwei Stimmen mehr als unbedingt nötig. Die Unterstützung zu bekommen und zu erhalten, ist auch für Aznar nicht leicht, obwohl die nationalen Parteien in vielen Punkten ähnliche Ziele vertreten wie die PP. Andererseits hat die PP eine starke zentralistische Tradition, die dem Hauptziel der nationalen Parteien entgegenläuft.

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