Heft 6/2001
November
2001

Schafft ein, zwei, viele Afghanistan ...?

Der 11. September war ein Schock. In der Ermordung tausender Menschen in New York in den brennenden und einstürzenden Twin Towers realisierte sich, was vorher vielleicht Stoff von Filmen war, aber keinen Ort in „unserer“ Welt zu haben schien. Dabei geht es nicht darum, dass täglich irgendwo auf der Welt Menschen in kriegerischen Handlungen umkommen, sondern um eine neue (strategische) Situation. Und doch erschienen die Anschläge als „logisch“, denn die Ingredienzien waren schon lange zuvor da und „warteten“ darauf, kombiniert zu werden: Hass auf die Macht der USA und ihre Symbole, Antisemitismus, Selbstmordattentäter, vollgetankte Flugzeuge, deregulierte Sicherheitskontrollen ...

Und „logisch“ war auch der Gegenschlag. Das zeigten die Angriffe auf Kabul in der Nacht auf den 12. September. Weiße Striche in schwarzgrüner Nacht wurden auf CNN ohne Umschweife als Cruise Missiles identifiziert. Der Anschlag beendete ohne Umschweife die Krise, in die das „legitime Monopol physischer Zwangsgewalt des Staates“ in der Außenpolitik nach der Protestbewegung gegen den Vietnamkrieg sowie nach der weltweiten Friedensbewegung Anfang der 80er gekommen zu sein schien. Dies hatte die Entwicklung neuer Strategien der Kriegsführung (low intensity warfare, schnelle Eingreiftruppen) und ihrer Legitimation als humanitäre Interventionen notwendig gemacht. Diese werden nun vom Gegenschlag abgelöst. Der Anschlag auf die USA mit antisemitischen Vorzeichen hebelte daher auch aus, was vom traditionellen linken Antiimperialismus übrig geblieben war. Dieser wird durch den Triumph der Logik des Krieges nicht bloß zurückgedrängt, er wird desartikuliert und zerbricht als eigenständige, wie auch immer marginalisierte Position in den hegemonialen Konflikten um internationale Politik. Einige seiner Ideologeme werden zu frei floatierenden Signifikanten, die, ihrer Einbettung in den Gesamtzusammenhang einer realitätsnahen Kritik des Kapitalismus beraubt, mit beliebigen und daher auch rechtsextremen Diskursen verknüpft werden können. Rechte Diskurse erhalten daher nach den Anschlägen in doppelter Hinsicht massiven Auftrieb — eben durch den antisemitischen Kontext der Anschläge wie durch deren rassistische Lesart als Ausdruck eines Kampfes der Kulturen (an dem in einem Zirkelschluss natürlich wieder die USA und Israel schuld sind).

Nach dem Antiimperialismus

Die besondere Qualität des Anschlages und die darauf folgende Reaktion der USA machen ein grundlegendes Überdenken der Formen linker Kritik an den globalen Verhältnissen, wie es etwa seit den 70ern im Begriff Antiimperialismus und auch Dritte-Welt-Solidarität [1] zusammengefasst worden war, notwendig, soll eine grundlegende Antikriegsposition aufrechterhaltbar bleiben. Doch davon ist zur Zeit — zumindest hier in Österreich — nicht viel zu sehen. Das analytische Koordinatensystem bleibt unverändert. Das ist evident bei den explizit antiimperialistischen Positionen. Welchen theoretischen Bezug diese auch herstellen, prinzipiell stehen auf der einen Seite die allmächtigen, imperialistischen Metropolen mit den USA an der Spitze den ausgebeuteten und unterdrückten Peripherien auf der anderen Seite gegenüber. Letztere würden durch die militärische Macht des Nordens, korrupte, von den Zentren gesteuerte lokale Eliten, wirtschaftliche Durchdringung oder kulturimperialistische Unterdrückung unterjocht und freier Entwicklungsmöglichkeiten beraubt. Das Resultat sind Hunger, Not und Elend, permanente Kriege, diktatorische Regime und die Unterdrückung der „revolutionären Impulse“ der Massen, Arbeiter und Bauern, ausgebeuteten Völker, etc. [2] In dieser Argumentation muss jede Politik, die sich gegen die Interessen der Zentren manifestiert, als „irgendwie antiimperialistisch“ und damit widerständig erscheinen. Daher erscheint das Attentat diesem Verständnis im Extremfall als Ausdruck des „kämpfenden Islam“, zumindest aber als mehr oder weniger „logische“ Folge von Not und Elend und der ausbeuterischen Weltordnung, und damit als Ausdruck der Verzweiflung darüber.

Wer jedoch die in den westlichen Medien vorgeführte (und insofern mit Vorsicht zu behandelnde) Freude über die Anschläge in vielen arabischen Staaten als Ausdruck „antiimperialistischer“ Impulse oder
Ergebnis von Verzweiflung sieht, kleidet den eigenen (paternalistischen) Rassismus gegenüber dem Orient in emanzipatorische Rhetorik, da er die arabischen Bevölkerungen für unzurechnungsfähig und irrational erklärt, weil sie sich von Armut und Not dazu treiben ließen, den reaktionären Kräften ihrer Gesellschaften und ihren Aktionen Zustimmung zu verleihen. Natürlich streift diese Einschätzung einen richtigen Zusammenhang zwischen einerseits Verelendungsprozessen und politischer Unterdrückung und andererseits der Stärke reaktionärer Bewegungen, wie etwa den Islamismus. Nur führt eben ersteres nicht zu letzterem, sondern untergräbt ersteres den notwendigen Widerstand gegen reaktionäre Bewegungen in den alltäglichen Lebensweisen und den politischen Auseinandersetzungen. Daher sagen diese Sichtweisen mehr über die gesellschaftiche Position hochgebildeter MetropolenbewohnerInnen und deren Verhältnis zu den „Elenden und Ausgebeuteten“ aus, welches letztlich auf Entmündigung und (avantgardistische) Führung letzterer durch die bessere (weil imperialismuskritische) Elite hinausläuft. [3]

Diese Zusammenhänge zu übersehen läuft tatsächlich in Gefahr, sich auf die Seite der Antiantiimperialisten im Süden zu stellen. Er verkennt deren in den Attentaten kommunizierten Führungsanspruch über die „Massen“ und den damit verbundenen Willen zur Unterdrückung von Frauen, Homosexuellen, Andersgläubigen, sozialrevolutionären Bewegungen und zur Feindschaft gegen Israel.

Statt dem Antiimperialismus?

Wenn aber die traditionelle antiimperialistische Position an der in den Anschlägen sich manifestierenden qualitativ neuen Situation bricht, wie ist dann eine linke Position gegen den Krieg möglich jenseits eines moralisierenden Pazifismus, der spätestens dort scheitert, wo er keine Antwort auf die Frage weiß, wie das Leid und die Unterdrückung der Menschen in Afghanistan zu lindern ist, wie diejenigen, deren Leben von Selbstmordattentätern bedroht ist, zu schützen sind? Ich möchte dies gerade in Auseinandersetzung mit einigen Positionen aus dem antideutschen Spektrum versuchen, welche explizit und implizit auf eine prinzipielle Begrüßung von „US-amerikanischen Militärschlägen gegen islamische Zentren“ [4] hinauslaufen.

Die Begrüßung von Militärschlägen, die „wehtun“ sollen, wird mit der Betonung des besonderen Charakters des Islams bzw. des Islamismus begründet, welcher sich in den Anschlägen in New York und Selbstmordattentaten in Israel offenbart habe. Dieser liegt v.a. in einem eliminatorischen Antisemitismus, dem es um die Vernichtung und Ermordung einer möglichst großen Zahl von Menschen geht und der darüber den Zusammenhalt der arabischen Gesellschaften herzustellen versucht. Auf dieser Grundlage wird eine qualitative Vergleichbarkeit des Islamismus mit dem Nationalsozialismus und der Shoah argumentiert und oftmals über Analogien zu begründen versucht. [5] Da der Islamismus als „negative Aufhebung des Kapitals“ jede Möglichkeit der Befreiung, wie sie in der bürgerlichen Zivilisation angelegt sei, verunmöglicht, sei dieser nur noch von außen militärisch zu brechen.

Es soll und kann hier nicht darum gehen, diese Kritik am Islamismus [6] zurückzuweisen, dessen Antisemitismus schön zu reden oder in der Einschätzung der Anschläge gar abzuleugnen. M.E. handelt es sich um ein theoretisches Missverständnis, wenn als Antwort auf die Analyse des antisemitischen Charakters der Anschläge darauf verwiesen wird, dass dies, solange über die Motive der Attentäter und ihrer Hintermänner nichts bekannt sei, unzulässig sei. Selbst wenn angenommen werden kann, dass Organisationen wie AL-Quaeda zwischen der USA und Israel unterscheiden können und deren unmittelbare strategische Überlegungen zu den Anschlägen andere als antisemitische gewesen sein mögen, so scheint sich in der ideologischen Formierung des Islamismus über den Antisemitismus zumindest eine seiner wesentlichen Charakteristiken zu manifestieren.

Die Differenz zur obigen Position soll jedoch an zwei Punkten aufgemacht werden. [7] Diese bezieht sich zum einen darauf, ob es sinnvoll ist, eine qualitative Vergleichbarkeit zwischen Nationalsozialismus und Islamismus [8] zu argumentieren, und zum anderen insbesondere, wie die daraus gezogenen Schlussfolgerungen über eine notwendigen militärischen Antwort auf die Anschläge und die Bedrohung der Zivilisation ein zu schätzen sind.

Selbst wenn der theoretische Zusammenhang, in den die skizzierten Positionen den Islamismus zu stellen versuchen, diese Vergleichbarkeit logisch zur Folge hat, muss doch noch einmal an die Vorbehalte erinnert werden, die gerade auch aus antideutscher Perspektive, gegen ein derartiges Unterfangen und der damit verbundenen Gefahr einer Relativierung aufgrund der Singularität des Nationalsozialismus und der Shoah vorgebracht wurden. Dies gilt auch hier, ist doch der Verweis auf Ähnlichkeiten islamistischer Regime mit dem Faschismus — was anderswo meist Nazideutschland bedeutet — mit Blick auf internationale Diskussionen kein Spezifikum dieser Position. Kann man tatsächlich davon ausgehen, dass dieser Bezug auf die Shoah hier zufällig mal richtig liegt, oder wäre es nicht besser, die Kritik an der Vergleichbarkeit aufrecht zu erhalten und sie auch im gegenwärtigen Fall nicht durch eine neue Argumentation auszuhebeln. Auch die skizzierten Argumentationen sind vor dekontextualisierter Verwendung nicht gefeit, wie ja auch den angesprochenen Positionen durchaus bewusst zu sein scheint. Darin kann wohl der Grund verortet werden, warum Analysen, die etwa auf die Ausbildung und Ausrüstung der Mudschaheddin durch die CIA im Kampf gegen die Sowjet Union hinweisen, zurückgewiesen werden. Wäre derartiges nämlich unter den Bedingungen einer behaupteten Vergleichbarkeit zulässig, könnte selbiges auch in der Analyse des Nationalsozialismus vorgenommen werden.

Dazu kommt m.E. noch, dass gerade der polemische Gehalt dieser als Kritik an weiten Teile der Linken aufgezogenen Position zunehmend zu den ursprünglichen Intentionen der Kritik des Antisemitismus quer liegt (Schutz Israels, Erarbeitung kritischer Konsequenzen aus der Shoah ...). So wird die inhaltliche Auseinandersetzung zunehmend durch polemischen Distinktionsgewinn ersetzt, wozu dann auch passt, dass der bahamas „anti-antisemitische Hysterisierung“ oder „Instrumentalisierung des Antisemitismus“ vorgeworfen wird, wie dies etwa Ernst Lohoff (jungle world 48/2001) oder Stefan Broniowski (Volksstimme 45/2001) tun. Dies stellt eine Übernahme rechter Topoi dar, die sich auf verkehrte Weise zum bedrohten Objekt der kritischen Auseinandersetzungen um den Antisemitismus macht. Die Polemik mag sich darin zwar bestätigt sehen, mögliche Einwände, die bspw. darin bestehen könnten, welche Konsequenzen diese antisemitismuskritische Theorie für die vom Antisemitismus Betroffenen haben könnten, werden aber verstellt.

Etwas anderes als Krieg ...

Problematischer erscheint mir jedoch, dass die Einschätzung des Islamismus eine Legitimation der militärischen Antwort zur Folge hat. M.E. öffnet man damit die eigene Argumentation einem autoritären Politikbegriff, der sich der an Carl Schmitt orientierten Scheidung von Freund und Feind annähert: [9] Diese Interpretation wird durch eine Rhetorik gestützt, die rechte Ideologeme zur Begründung einer repressiven und militärischen Antwort auf terroristische Angriffe heranzieht und KritikerInnen all zu schnell die Behauptung des Gegenteils unterstellt. So wird die „zielgenaue und konsequente Verfolgung (Andreas Küntzel) der Djihadisten zum Maßstab der Kritik an der Nato, wird eine militärische Antwort mit dem“alten Grundsatz, dass Terror sich nicht auszahlen dürfe„(Antideutsche KommunistInnen, www.trend.partisan.net), begründet, wird vom“Recht auf Selbstverteidigung„(Andrea Albertini) gesprochen und der aus der Terrorismusdebatte der 70er bekannte Vorwurf der“klammheimlichen„Freude wieder aufgewärmt und wird Kritik an der militärischen Antwort der USA als Forderung verstanden, auf den durch die Terroristen erklärten Krieg,“Schwäche zu zeigen„,“die doch allein Terror nach sich ziehen würde" (bahamas).

Diese Position lässt Antifaschismus als Krieg erscheinen, in der Annahme, dass sich so die klarste aller Frontstellungen zum Faschismus ausdrücke. Zweifelsohne war die kriegerische Niederwerfung des Nationalsozialismus eine historisch notwendige Bedingung seiner zumindest zeitweiligen Zurückdrängung. Gleichzeitig bestand aber darin auch ein Teil seines Triumphes, zwang er damit seinen Gegnern doch seine Logik auf. Daher ist hier eine der zentralen Differenzen zur diskutierten Position aufzuzeigen. Auch wenn die Kritik am Islamismus hier nicht zurückgewiesen werden kann, ist es m.E. doch weiterhin Aufgabe linker Kritik, auf die Notwendigkeit und Möglichkeit anderer politischer Lösungen und Formen der Bekämpfung der Entwicklungen im arabischen Raum hinzuweisen. Die strategische Situation im nahen und mittleren Osten kann nicht mit dem Europa des deutschen Vernichtungskriegs und der Shoah verglichen werden, und es ist immer noch die Frage zu stellen, wie umfassend ein eliminatorischer Antisemitismus die arabischen Gesellschaften erfasst hat. Immerhin geht es darum, ob tatsächlich akzeptiert werden muss, dass nur noch ein kriegerischer Angriff die Antwort auf die wahrgenommene Bedrohung sein kann, und ob auf Verdacht bombardiert werden soll. Daher sind weiterhin andere als militärische Möglichkeiten aufzuzeigen, um gegen den Islamismus vorzugehen und seine Macht über die arabischen Bevölkerungen zu brechen, um emanzipatorische Perspektiven zu eröffnen. Es geht daher nicht um Neutralität, sondern um die Subversion der in der Kriegslogik immanenten Homogenisierung der Welt in Freund und Feind, wie sie gerade auch durch die Anschläge zum Ausdruck gebracht wurde.

Gerade wenn es um das Offenhalten der Möglichkeiten gesellschaftlicher Emanzipation geht, ist eine Kritik an der Kriegspolitik notwendig, bedeutet Krieg nach Carl Schmitt doch die Fähigkeit zur Entscheidung zur Tötung anderer wie zur Möglichkeit des eigenen Todes.

Die Linke müsste daher die Herstellung der Kriegsfähigkeit bürgerlicher Gesellschaften als Form hegemonialer Politik in den Blick nehmen, in der um die aktive Zustimmung zur gewaltförmigen Panzerung der hegemonialen Verhältnisse und den Willen zur Teilnahme an Repression und Krieg durch die Bevölkerung gerungen wird. Oder andersrum, die zeitweilige Zurückdrängung des Faschismus in den deutschprachigen Gesellschaften hatte zwar seine militärische Niederschlagung als Bedingung, doch ihre Basis lag in der hegemonialen Durchsetzung einer angloamerikanischen Kulturrevolution aus Hedonismus, Subkultur und Protestbewegungen in der Zivilgesellschaft seit den 50ern und 60ern.

Linker Widerstand gegen Islamismus wäre daher auf der Ebene der Zivilgesellschaft, wo dieser sich ja auch durchgesetzt hat, sowohl als Unterstützung oppositioneller Bewegungen und Lebensweisen vor Ort zu führen, wie in den Metropolen als Opposition gegen rassistische Sicherheitspolitik.

...aber was?

Not tut daher ein Überdenken des linken Kritik an den globalen Verhältnissen. Die Entwicklungen im arabischen Raum machen ein fundamentales Überdenken der binären Gegenüberstellung eines imperialistischen Zentrums und einer dazu wie auch immer in Opposition stehenden Peripherie, wie dies für die politisch-strategisch begründete Position des Antiimperialismus nach 1945 charakteristisch war, notwendig? Immerhin existierte etwa vor dem 1. Weltkrieg auch ein Verständnis des Imperialismus (bspw. bei Rosa Luxemburg oder auch Lenin), welches die Auseinandersetzung zwischen verschiedenen Staaten hervorhob. Natürlich haben sich seitdem die Verhältnisse geändert. Auch gilt erstere Konzeption für weite Teile der Welt und insbesondere auf ökonomischer Ebene immer noch, wie etwa die Auseinandersetzungen um die Globalisierung zeigen. Doch darf deswegen nicht übersehen werden, dass es sehr wohl zur Formierung eigenständiger machtpolitischer, ideologischer und ökonomischer — also imperialistischer — Interessen in den halbentwickelten Regionen des Trikonts — also etwa im arabischen Raum — kommen könnte. Dass diese über Religion erfolgt, sollte aufgrund der Bedeutung der protestantischen Ethik für die Entwicklung des Kapitalismus niemand verwundern und dass diese in seiner reaktionären Ausprägung über den Antisemitismus kriegsfähig wird, ebenfalls nicht. Die Reaktion auf den Anschlag vom 11.09. ist daher keine Niederschlagung „antiimperialistischer Impulse“ im Süden. Die radikal islamistischen Gruppen versuchen, mit Antiamerikanismus und Antisemitismus ihre hegemoniale Position in den arabischen Gesellschaften zu kitten. In den „Metropolen“ geschieht dies über einen antiarabischen und antimuslimischen Rassismus, den anzugreifen die zum gegenwärtigen Zeitpunkt wohl notwendigste Strategie gegen den Krieg wäre.

Flucht und Migration sind Formen der Menschen, sich der kriegsförmigen Herrschaftssicherung durch die herrschenden Klassen zu entziehen. Flucht und Migration gerade aus Afghanistan und Pakistan, aber auch anderen Ländern mit starken radikal-islamistischen Bewegungen sind u.a. auch Ausdruck der „antiimperialistischen Impulse“ der dortigen Bevölkerung. Warum galt die Situation von Frauen in Afghanistan nicht als Fluchtgrund, warum wird wegen der „islamischen Gefahr“ das Asylrecht weiter verschärft? Der antirassistische Kampf für offene Grenzen, gegen die Illegalisierung von Menschen und für die Unterstützung emanzipatorischer Bewegungen ist daher notwendiger Ausgangspunkt einer erneuerten Linken.

Denn die weitere Verschärfung des europäischen Migrationsregimes, die rassistische Begründung einer Reorganisation der Sicherheitspolitik, so erwartbar sie nach dem 11.09. waren, sind Teil des Krieges, der nun geführt wird.

[1Zu den Dritte-Welt-Soli-Bewegungen vgl.: Balsen,Werner und Karl Rössel: (1986) Hoch die internationale Solidarität. Zur Geschichte der Dritte Welt Bewegung in der Bundesrepublik, Köln. Einen sehr konzisen Überblick über kritische Theorien zum Imperialismus gibt etwa: Brewer, Anthony: (1989) Marxist theories of Imperialism. A critical survey, London/New York.

[2Es ist erstaunlich, wie wenig bislang die Kritik an der „anti-imperialistischen“ Bezugnahme auf Völker und Nationen in diesen Konzepten angekommen ist. Selbst wenn etwa der Begriff „Volk“ in anderen kulturellen Zusammenhängen und Traditionen nicht notwendigerweise eine völkischen Bezug haben muss, werden einerseits mit seiner Verwendung tendenziell die Machtstrukturen in den jeweiligen Gesellschaften, durch die bestimmte Gruppen sich erst als Volk artikulieren, ausgeblendet. Andererseits wird in der unkritischen Verwendung in den hiesigen politischen Auseinandersetzungen der ideologische Gehalt des Volksbegriffs im deutschen Sprachraum, der ein völkischer, an der Abstammung orientierter (ius sanguinis — Recht des Blutes) ist, negiert.

[3Diese Einschätzung der Ursachen des Massenzuspruchs zu rechter und faschistischer Politik findet sich auch in der Analyse des Erfolgs rechtsextremer Parteien in Europa. Ihr erscheint die nach klassen- und geschlechtsspezifischen Kriterien gespaltene Bevölkerung diffus und unterschiedslos als Masse, die von umsichtigen Eliten zu kontrollieren und zu lenken ist.

[4vgl. exemplarisch bahamas 36/2001.

[5So schreibt bspw. Andreas Küntzel (konkret 11/2001): „Wie Hitler einst“einen neuen Sozialstaat von höchster Kultur„angekündigt hatte, so will die“antikapitalistische„Rebellion der Djihadisten die“umfassende Weltsicht des Islam„durch eine von Zins und Gewinnsucht“gereinigte„Ökonomie verwirklichen.“
Bahamas stellt fest (bahamas 36/2001: 31): „Es ist hier ein zur Vernichtung entschlossener Antismetismus am Werk - darin seinem nationalsozialistischen Vorbild auf qualitativer Ebene durchaus ebenbürtig -, der die Wahl- und Maßlosigkeit des palästinensischen Massenmordens begründet. In dieser Hinsicht kommt momentan dem Koran eine ähnliche Rolle zu wie seinerzeit Hitlers Machwerk“Mein Kampf„in Deutschland.“

[6Wobei im Kontext der dargestellten Argumentation insbesondere dort ein Problem liegt, wo die Begrifflichkeit zwischen Islam und Islamismus zu verschwimmen droht. Bei aller Notwendigkeit, linke Religionskritik zu erneuern ist dies im Kontext behaupteter qualitativer Vergleichbarkeit zum Nationalsozialismus wenig hilfreich.

[7Es wäre u.a. einiges zum polemischen Tonfall diverser Texte aus diesem Spektrum und zum durchscheinenden theoretischen Selbstverständnis zu sagen, dazu ist hier aber nicht der Platz.

[8Mensch mag über den semantischen Gehalt des zu dieser Frage oftmals geäußerten „Gleichsetzungs“-vorwurfs geteilter Meinung sein, Verteidiger der dargestellten Positionen sollten ihre KritikerInnen jedoch nicht für dumm halten und dies als Behauptung einer unterstellten Identität zwischen Nationalsozialismus und Islamismus miss-verstehen.

[9Carl Schmitt: (1963) Der Begriff des Politischen.

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