Heft 4-5/2003
August
2003

Short Cuts

Robert Kurz: Weltordnungskrieg. Das Ende der Souveränität und die Wandlungen des Imperialismus im Zeitalter der Globalisierung. Horlemann Verlag, Bad Honnef 2003, 448 Seiten, EUR 19,80

Lange Jahre haben sich Robert Kurz und seine Mitstreiter und -streiterinnen von der Nürnberger Theoriezeitschrift „Krisis„davor gedrückt, sich zu Israel zu äußern. In seinem neusten Buch, das ansonsten die obligatorischen Ausführungen zur Krisendynamik des warenproduzierenden Weltsystems und die ebenfalls hinlänglich bekannten Beschimpfungen der Kritiker und Kritikerinnen der sich globalisierenden deutschen Ideologie beinhaltet, findet sich ein Kapitel „Der Nahe Osten und das antisemitische Syndrom“. Während es sich in der antinationalen Linken eingebürgert hat, von Israel in völliger Geschichtsvergessenheit und Begriffslosigkeit von einem „Staat wie jedem anderen auch„zu sprechen, da man schließlich in den letzten Jahren gelernt hat, dass die Nation doch immer ein „Konstrukt“ sei, was noch so ziemlich das beste ist, was man über Nationen sagen kann, betont Kurz zunächst die Notwendigkeit Israels und wendet sich gegen die antinationalen Plattheiten: „Auf keinen Fall kann es für eine emanzipatorische, antikapitalistische Position um eine `Äquidistanz` zu Israelis und Palästinensern gehen.„Doch man konnte schon ahnen, worauf der Freund der deutschen Friedensbewegung mit diesen hohlen Bekenntnissen hinaus will. Über die antisemitischen Dschihadisten schreibt er: „Der Westen bekommt mit den wahabitischen und verwandten geheimen Terrorgesellschaften nicht nur, was er verdient, sondern auch, was er selbst gepäppelt und herangezogen hat.“ Wenn man meint, der Westen bekomme mit dem auf Vernichtung zielenden Terror das, „was er verdient", so ist das keine Kritik, sondern eine widerliche Gehässigkeit, die sich darüber freut, dass, wenn es schon keine Emanzipation gibt, wenigstens die Hölle auf Erden im globalen Maßstab Realität wird.

Vom Antisemitismus, von dem der Meisterdenker aus Nürnberg allen Ernstes behauptet, er besitze „in der aktuellen palästinensisch-arabischen Version keine gesellschaftlich formierende Kraft mehr„, abstrahiert er immer dann, wenn dieser seine offensichtlich nur zu Legitimationszwecken postulierte Parteilichkeit für Israel begründen könnte. Er verharmlost den Antisemitismus in den arabisch-islamischen Gesellschaften, wenn er behauptet: „Bis heute gibt es in den meisten nahöstlichen Ländern jüdische Gemeinden mit Synagogen und relativ unbehelligten Existenzmöglichkeiten (…). Der natürlich vorhandene Migrationsdruck in Richtung Israel ist nicht großen Verfolgungswellen geschuldet, sondern entstammt anderen (kulturellen und vor allem sozialen) Motiven.“

Wenn man Kurz` Kritik an der antinationalen Äquidistanz im Zusammenhang mit seinen vorangegangenen Ausführungen liest, entpuppt sie sich als Absicherung gegen die antideutsche „Antisemitismuskeule„, vor der sein „Krisis“-Kompagnon Ernst Lohoff in der Vergangenheit so gerne gewarnt hat. Da ist ganz im Nürnberger Jargon die Rede vom „negativen Aufgehen beider Konfliktparteien im destruktiven Prozess der kapitalistischen Globalisierung„, und trotz aller Differenzierungen ist dann doch alles irgendwie das Selbe: „Insofern geht Israel seinen eigenen Weg in die Barbarei, der sich allerdings in seinen Erscheinungsformen von dem der arabischen feindlichen Nachbarn kaum unterscheidet.“ Von der israelischen Gesellschaft scheint Kurz, der sich so viel auf seine „Realanalysen„einbildet, nicht allzu viel zu wissen. Mit einem klassischen „einerseits-andererseits“ blamiert er sich völlig: „Das Land ist einerseits im Sinne des politischen Systems eine kapitalistische Demokratie westlicher Prägung, (…) andererseits gleicht der israelische Alltag in vieler Hinsicht bereits dem eines Gottesstaats nach dem Muster der Taliban.„Diese Infamie erschien in etwa zeitgleich mit den Parlamentswahlen in Israel, bei denen die strikt antireligiöse Shinui den größten Erfolg ihrer Geschichte verbuchen konnte. Allein dieser Hinweis reicht, um die Kurzschen Ausführungen als ausgemachten Blödsinn kenntlich zu machen. „Realanalyse“ spielt offensichtlich genau dann keine Rolle mehr, wenn es um Israel geht.

Ekelhaft wird diese Ignoranz, wenn sich der „Krisis„-Vordenker über das verzweifelte, religiös motivierte Einsammeln von Leichenteilen nach Attentaten äußert, das sich daraus begründet, dass nach jüdischem Verständnis der Mensch als Ganzes (oder annäherungsweise als Ganzes; etwas anderes ist nach der Explosion einer Nagelbombe in einer Diskothek ohnehin nicht mehr möglich) bestattet werden muss. Bei Kurz ist das einem besonders bösartigem Rassismus geschuldet und liest sich so: „Nach den verheerenden palästinensischen Selbstmordattentaten versuchen beispielsweise ultra-orthodoxe Fanatiker, die Leichenteile `ethnisch` zu sortieren, damit nicht Körperteile eines fremdrassigen Attentäters versehentlich zusammen mit jüdischen beerdigt werden.“ Der Krisentheoretiker und sich selbst zum Opfer stilisierende Bekämpfer der von ihm als „Seuche„ins Visier genommenen antideutschen Kritik, der sich langsam einmal Gedanken darüber machen sollte, warum die Nazis von der „Deutschen Stimme“ seine „wuchtigen Verbalattacken gegen antideutsche Seelenkrüppel" (6/03) mit Sympathie begleiten, übertrifft mit seiner Kälte noch die Indifferenz der Antinationalisten.

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