MOZ, Nummer 40
April
1989
Namibia, Südafrika:

Unabhängigkeit und Isolation

Während der südafrikanische Apartheidstaat zunehmend in Isolation und wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, bereitet sich Namibia auf die Unabhängigkeit vor.

Bild: Contrast/Jacob Adjobi

Namibia, dreimal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland, voll schmerzhafter Geschichte, kommt seiner Unabhängigkeit näher. Die Besetzung durch die 100.000 südafrikanischen Soldaten — einer auf fünfzehn Einwohner Namibias — geht ihrem Ende zu.

Nachdem 1969 der UN-Sicherheitsrat und 1971 der Internationale Gerichtshof Südafrika aufforderten, die besetzten Gebiete zu räumen, verabschiedete der UN-Sicherheitsrat 1978 die Resolution 435, die Wahlen in Namibia als Beginn der Unabhängigkeit vorsieht.

Da das Apartheid-Regime sich hartnäckig, brutal und trickreich weigerte, das besetzte Land zurückzugeben, baute die Oppositionspartei SWAPO (Südwestafrikanische Volkspartei) die „Volksbefreiungsbewegung von Namibia“ (PLAN) auf.

Südafrikanische Truppen fielen auch in Angola ein und zerstörten seit 1980 erhebliche Teile im Süden des Landes. Mit Unterstützung von Kubanern, sowjetischen Beratern und Waffen und der PLAN gewannen die Angolaner schließlich ihre Lufthoheit zurück. Anfang 1988 kesselten sie mehrere tausend Südafrikaner bei Cuito Cuanavale ein, verzichteten aber auf deren Vernichtung und boten Verhandlungen an. Südafrika mußte, auch auf Grund innerer Schwierigkeiten und Druck aus den USA sowie anderen Staaten, in die Verhandlungen einwilligen.

Das so entstandene Abkommen vom 22. Dezember 1988 sieht vor, daß Südafrika das Kriegsrecht im bevölkerungsreichen Ovamboland — das seit 13 Jahren bestand — ebenso aufheben müsse wie das rigorose Versammlungs- und andere Verbote. Weiters wurde die Namibia aufgezwungene Interimsregierung entlassen. Ab 1.April kontrollieren 4.650 UN-Soldaten (UNTAG) aus 21 Ländern die Einhaltung der einjährigen Übergangsphase. Südafrika verringert seine Besatzungsarmee auf 1.500 Mann; Pläne, die wegen Folterungen und Mord gefürchtete „Koevoet“(„Brechstange“)-Einheit in die Polizei überzuführen, stoßen auf Widerstand.

Am 1. November 1989 können die NamibianerInnen erstmals frei wählen. Nach allgemeiner Einschätzung wird die SWAPO etwa 60% der Stimmen, womöglich gar eine 2/3-Mehrheit erhalten. Nationalversammlung und Regierung bereiten dann eine Verfassung vor, die — eventuell — durch Volksentscheid bestätigt werden soll und regeln die Ablösung der südafrikanischen Verwaltung. Im April 1990 beginnt die Unabhängigkeit — eine Hoffnung, die der Bevölkerung nicht die Angst vor neuerlichen Täuschungsmanövern Südafrikas nimmt. Der von der SWAPO 1988 vorgelegte Verfassungsentwurf sieht Blockfreiheit vor. Wie in Simbawe soll die Macht der Unternehmen zurückgedrängt werden, sollen halbstaatliche Firmen — auch mit ausländischer Beteiligung, vor allem aber Kooperativen — gefördert werden. Die Landreform soll zunächst brachliegende Farmen von Weißen erfassen, die dafür Entschädigungen bezahlt bekommen. Die Grenzen der Unabhängigkeit sind den NamibianerInnen bekannt. Der wirtschaftliche und politische Einfluß Südafrikas wird ebenso bestehen bleiben wie die militärische Bedrohung.

Südafrikanische Kontrolle bleibt

Pretoria ist entschlossen, die Kontrolle über das zum Handels- und Marinestützpunkt ausgebaute Walvisbay, Namibias einzigen Hafen, nicht aufzugeben. Es will Import und Export und die rund 1.200 Kilometer lange Atlantikküste nach Angola weiter kontrollieren. Auch das vor der Oranje-Mündung im Atlantik gelegene Erdgasvorkommen (Kudufeld), von dem sich Südafrika in einigen Jahren bis zu 30% seines Kraftstoffbedarfs erhofft, steht für Pretoria nicht zur Debatte. Ebensowenig wie das im Norden gelegene Ost-Caprivi. Das an Angola, Sambia, Simbawe und Botswana grenzende Gebiet wurde von Pretoria zu einem Flugzeugstützpunkt ausgebaut, von dem aus ganz Afrika südlich des Äquators bedroht werden kann.

Die Schwierigkeiten in Südafrika nehmen zu

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Apartheid-Staates nehmen zu. Etwa viereinhalb Millionen Schwarze sind arbeitslos, darunter 80% der 18-26jährigen. Die Mehrheit der beschäftigten Schwarzen wird unter der lebenswürdigen Mindestgrenze bezahlt.

Gold, das bisher etwa die Hälfte der Exporteinnahmen ausmachte, ist im Preis rückläufig. Der gewinnträchtige Verkauf der südafrikanischen Goldmünze Krügerrand ist dem weltweiten Boykott erlegen. Der Kohleexport, nach Gold die zweitwichtigste Ertragsquelle, geht durch Einfuhrverbote der USA, Frankreichs, Dänemarks und anderer Länder zurück. Auch der Platin-Absatz sinkt durch die internationale Verwendung von Ersatzstoffen. Ähnliches gilt für Chrom, Vanadium, Mangan und Uran. Der Anteil westlicher Länder an der Gesamtproduktion des Landes ist rückläufig — 1988 erreichte er mit 44,1% den niedrigsten Stand seit 1950. Rund 25 Milliarden US-Dollar flossen in den letzten drei Jahren ins Ausland ab.

Die Staatsschuld betrug nach Informationen der Reservebank Ende 1988 21,5 Milliarden US-Dollar — die Staatsreserven hingegen nur 2,1 Milliarden. Westliche Gläubigerbanken, bisher ungewöhnlich großzügig, erwägen, die Stundung der Schulden mit Reformforderungen zu verbinden.

Reform oder Gleichberechtigung?

Seit 1984 vollzog die Minderheitsregierung einige Reformen, denen weitere folgen sollen. Die Arbeitspässe für Schwarze, das Verbot von Mischehen, die Rassentrennung in Bus und Eisenbahn wurden abgeschafft. Die Devise lautet: „Teilen, aber nicht die Übergabe der Macht“ — alte Diskriminierungen werden in der Regel durch neue, weniger auffällige ersetzt.

Typisch dafür die jüngste „Reform“: seit 1989 dürfen weiße Stadtparlamente — bei grundsätzlicher Beibehaltung der getrennten Wohngebiete — in bestimmten Bezirken gemischtrassige Besiedlung zulassen. Grund dafür ist die einfache Tatsache, daß viele Schwarze wegen der Wohnungsnot illegal in die Townships eingezogen sind und heute nicht mehr herausgezwungen werden können. Außerdem zahlen sie in vielen Fällen überhöhte Miete.

Pieter Botha
Bild: Contrast/Alon Reininger

Auch der voraussichtliche Nachfolger von Pieter Botha, der neue Führer der Nationalen Partei, de Klerk, spricht von nötiger Erneuerung und Veränderung, sogar vom Ende der weißen Vorherrschaft — aber nicht auf Kosten der Interessen der weißen Minderheit. Die Forderung der Schwarzen: „eine Person, eine Stimme“ führe zur Herrschaft der Mehrheit, die „für Südafrika katastrophal wäre“. Die von ihm erstrebten „Gruppenrechte“ sind nur ein Code für die Fortführung der weißen Minderheitsherrschaft. Verhandlungen mit dem ANC (African National Congress) lehnt de Klerk ab, solange dieser „Gewalt“ vertrete.

Der Plan, einen gemischtrassigen Nationalrat unter dem Vorsitz des Staatspräsidenten zur Abänderung der seit 1984 gültigen Verfassung zu bilden, gerät ins Wanken. Denn die im Oktober 1988 abgehaltenen „Kommunalwahlen“ wurden von 94% der im Gebiet der Weißen ghettoisierten Schwarzen boykottiert. Aus den Townships lassen sich kaum noch Vertreter für den Nationalrat finden. Selbst Führer von Homelands winken ab. Dennoch werden nach wie vor Modelle versucht, wie etwa eine gemeinsame Regierung und Verwaltung für die weiße Provinz Natal und das schwarze Homeland Kwa-Zulu.

Der ANC legte 1988 „Richtlinien für eine Verfassung eines demokratischen Südafrikas“ vor, die breit diskutiert werden. Gleiche Grundrechte, Ausbildungschancen usw. sollen im nicht-rassistischen Staat allen zukommen, sprachliche und kulturelle Unterschiede anerkannt und gefördert werden. Eine gemischte Wirtschaftsform „mit einem staatlichen, einem privaten, einem genossenschaftlichen und einem familären kleinbetrieblichen Sektor“ soll geschaffen werden. Die Landreform, die vom ANC angestrebt wird, soll „rassische Beschränkungen“ aufheben und die seit den fünfziger Jahren zwangsumgesiedelten Schwarzen besonders berücksichtigen.

Reinhard Brückner lebte vier Jahre in Südafrika. Dieser Text ist Teil einer umfangreichen Arbeit zum Thema Südafrika für eine bundesweite Kampagne der Katholischen Jugend und der Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend in der BRD.

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