FŒHN, Heft 22
 
1996

Wer wen vor sich hertreibt

Die Mode bietet im Kapitalismus den vom Kapitalismus zugerichteten Menschen eine Stütze für ihr geschwächtes Selbst. Ob Veloursjacke, Meschen, Handy oder Civic Sport, das Topaktuelle verleiht eine Identität. jene, die hintenaus sind, erkaufen sich das Gefühl, vorne zu sein. Die, denen offensichtlich der Ton angegeben werden kann (noch der Haarfarbton der Saison!), dürfen ganz fest glauben, den Ton anzugeben. Hier finden sie Halt. Freilich so vorläufigen, daß unablässig neuer gesucht werden muß. Zur Freude des Marktes.

D-Netz-Attrappen für die Volksvertreter-Attrappen
Gewinnspiel der FPÖ-Jugend 1994 (Mitglieder-Zeitschrift Tangente 2/94).

Die FPÖ, die innerlich noch viel weniger Substanz hat als der kaputteste Mensch, ist dem Zeitgeist auf Gedeih und Erwerb ausgeliefert. Wie ein Squashball saust Haider herum, immer auf dem Weg dorthin, wo er hingedroschen wird, oder dorthin, von wo er wo hingedroschen wird. Der, der alle vor sich herzutreiben versprach, wird wie kein zweiter von den Moden des Marktes vor sich hergetrieben. Das hat mit Haiders blutarmem Selbst (siehe oben) zu tun und mit der blutarmen Partei, die er sich so blutarm gemacht hat, daß er Blutarmer sie beherrschen kann. Jemand, der sich von jedem Modeschrei nach vorne befehligen läßt, ist kein Führer, alles eher. Der, dem von jedem Trend als erstem Beine gemacht werden, ist nicht der Schrittmacher.

Mein Gott, haben wir es hier mit viel Außenherum um Nichtsinnendrin zu tun! So wie Wirtschaftsbetriebe sogenannte Personalberatungsbüros mit der Auswahl von geeignetem Führungspersonal betrauen, wollte Haider das auch einmal, Sommermode 1989. Wollte er das? Er wollte, daß man meine, er wolle. Er werde, ließ er die Medien verbreiten, „private Personalberatungsbüros damit beauftragen, Kandidaten für die Listenerstellung von Bundes- und Landeswahlen auszuwählen.“ (Kurier, 8.7.89) „Jeder wird von einer Managementberatungsfirma auf seine Tauglichkeit als Volksvertreter untersucht.“ (Kurier, 19.7.89) Es geht darum, Modernität zu signalisieren. So wie das die FPÖ auch mit ihren Parteitagen im Linzer „Design Center“ oder im „World Trade Center“ in Schwechat machen muß. An ihr ist alles auswendig. Von innen erwachsen kann ihr gar nix. Desto atemloser hetzt sie dem nach, was en vogue ist. Weil Manager in Crash Seminare geschickt werden, Firmen Coachings für ihr Führungspersonal bereitstellen, Öffentlichkeitsarbeit nach dem Prinzip Train the Trainer machen, Präsentationen mit Flip­Chart und Powerpoint gestalten und sich ein Teamdesign verordnen, bietet das Freiheitliche Bildungswerk „Crash-Seminare“, „Coachings für Mandatare“, Ausbildung in der „Train the Trainer-Öffentlichkeitsarbeit“ und in „Präsentationstechnik“ mit „Flip-Chart“ und „Powerpoint“ sowie ein Seminar für „Teamdesign“ an. Alles ist von irgendwo hergefingert. FP-Mandatare sollen „Argumentationstechnik“, „Kreativitätstechnik“ und „politisches Marketing“ lernen und damit „optimistisches, überzeugendes charismatisches Auftreten“ gewinnen. Entscheidend sind dabei neben „Rhetorik intensiv“, „Kommunikationstraining“ und „TV- und Medientraining“ vor allem der „Machtfaktor Körpersprache“ und die „Verbesserung der Beeinflussungskapazität“. Womit sollen denn die, die sich mit Haut und Haar der Beeinflussung durch den Markt aussetzen, beeinflussen? Der Begriff marktgängig kennzeichnet die Haider­partei unzureichend. Zutreffender ist sicher: marktläufig. Apro­pos Medien: In einer internen „Informationsschrift für Mitglieder des freiheitlichen Parlamentsklubs“, laut Jörg Haiders Vorwort ganz besonders wichtig „für unsere optimale Medienpräsenz“, gibt das Referat für Öffentlichkeitsarbeit Tips zur „Themenfindung für mediale Verwertung“: „Wir bereiten Ihre Informationen so auf, daß sie für Journalisten zu einem appetitlichen Happen werden.“ Wichtig ist: „Kontinuität in der Sprache, insbesondere oftmalige Wiederholung kreativer Wortschöpfungen läßt Tatsachen plötzlich in einem anderen Licht erscheinen (Z.B. Altparteien, Privilegiensumpf, originelle „Sager“ kommen auf Wunsch auch von uns“. Usw. Eine üble Führerpartei? Ach, was! Eine üble Schmähführerpartei!

Das sind Hampelmänner, die es bei jedem Zug der Zeit reißt und die daraus das Image zu gewinnen hoffen, besonders quick zu sein.

An Haider und seiner Firma ist alles Schein. Alles Spiel. Haider, das ist der Kleinbürger, der in der Politik immer nur spielt, wie Bert Brecht geschrieben hat. Wobei hier unter spielen ausdrücklich eine Rolle spielen, ebenso gemeint ist wie etwas aufs Spiel setzen. „Ich habe mein politisches Leben schon immer mit einem Höchstmaß an Risiko gelebt. Dieses Risiko gehe ich ... voll!“ (Haider im Kurier, 19.6.88) Die Parteizeitung der Kärntner FPÖ veröffentlichte zum 40. Geburtstag ihres Vorsitzenden unter dem Titel „Jörg, der Schauspieler“ eine Bilderfolge, die ihn in verschiedenen Verkleidungen zeigt: u.a. einmal als Zauberer, einmal als Bayernkönig Ludwig II. und einmal offenbar als Dollfuß (Kärntner Nachrichten, 25.1.90). Das Profil (16.5.89) weiß, „es habe eine Phase gegeben, wo er ernsthaft überlegte, die Schauspielerei als Beruf zu wählen — ‚meine Eltern haben mir das ausgeredet‘“ (Haider). Von ausgeredet kann wohl nicht die Rede sein.

Haider spielt aber auch Haider. Sehr gern tritt er vor einem Riesenplakat von sich selber auf, bei Pressekonferenzen, bei Kundgebungen, in seinen Werbefilmchen: hinter sich — voluminös aufgeblasen — die Figur, vor ihr der Schauspieler, der sie gibt.

Es ist nur folgerichtig, daß der FP eine Werbeagentur angeschlos­sen worden ist, oder müssen wir richtiger sagen, daß die FP einer Werbeagentur angeschlossen worden ist? 1993 wurde im Wiener Handelsregister die „FP-1998 Werbeberatung GesmbH“ eingetra­gen mit dem Bundesgeschäftsführer Gernot Rumpold als Geschäftsführer. Ist die FPÖ eine Werbefirma oder ist eine Werbefirma die FPÖ? Es ist übrigens auch ein FPÖ-Funktionär, der jenes derzeit in Tirol tonangebende Werbeunternehmen Handlebesitzt und betreibt, das auch einen guten Teil der Reklamemittel der Tiroler Freiheitlichen gestaltet.

Da denkt man unwillkürlich wieder an Silvio Berlusconi, bei dem seine Werbeagentur Publitalia das Fundament seiner politischen Bewegung Forza Italia darstellt. Übrigens ist auch er, und darauf legt er Wert, „ein gelernter Entertainer“. Auch bei ihm werden Kandidaten von Spezialisten nach ihrer Fernsehtauglichkeit ausgesucht. Auch er betreibt Jogging und vermarktet es. Auch er will nach US-Muster Wahlkonvente abziehen, und wie Haider („... ehe der Hahn das zweite Mal kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“) schmeißt auch er mit Messias-Sprüchen um sich („Wer vom Volk auserwählt ist, ist wie ein Gesalbter des Herrn.“). Letzte Information dazu: Die Kandidaten von Forza Italia wollen sich künftig Azzurri (die „Blauen“) nennen.

Bei der FPÖ ist alles Tarnung. Aber nicht, um etwas zu tarnen, sondern um meinen zu machen, hier wäre etwas, was man tarnen könnte. Diese Tarnung ist Tarnung des Nichts. Bei soviel Hohlraum braucht es entsprechend viel außen drumherum. Nachdem Haider schon vor Jahren über den von Italien einstrahlenden Privatsender „Radio Uno“ sich mächtig selbst beworben hat, und darauf über den von Italien einstrahlenden parteinahen Privatsender „Radio Freies Europa“, ist kürzlich einer Gruppe seiner Partei nahestehender Unternehmer der Einstieg beim Salzburger Kommerzsender „Radio Melody“ geglückt (SN, 23.9.95). Angeblich ist die FPÖ auch im Besitz der „Lizenz für ein aus der Slowakei nach Ostösterreich sendendes Privatradio“ (Kurier, 5.12.94). Haider spielt Berlusconi. Angesprochen darauf, ob er Fehler gemacht habe: „Der einzige Fehler, den wir gemacht haben, war, daß wir nicht unser gesamtes Geld konzentriert und uns eine eigene Zeitung gekauft haben.“ (Top, August 1994)

So muß sich Haider bis auf weiteres über die auflagengeilen Zeitungen verkaufen, die ihm nicht gehörig sind. Wie er sich der Medien bedient, die sich seiner bedienen bzw. wie sie ihn bedienen, die er bedient, ist ausführlich im vorigen FÖHN dokumentiert. Die FPÖ-Partie wäre eine ohne Zweifel ebenso erfolgreiche News-Redaktionsmannschaft wie die sehr erfolgreiche derzeitige. Die zwei größten Lautsprecher Haiders im Land, News und Kronenzeitung, funktionieren so ziemlich nach demselben Prinzip wie er. Die Krone ist eine einzige Nachäffung — der Bild-Zeitung. Sie ist konsequent bis zum Umfallen. Auch die Krone des Milliardärs Hans Dichand verkauft sich den wirklichen Opfern dieser Gesellschaftsordnung täglich als von allen Seiten umstelltes Opfer.

Dichand steht voll hinter Haider:
Impressum des Zentralorgans der FPÖ vom 7.9.89 (Keine Fotomontage!)

Auch wenn es uns hier um die Haider-Marketingpolitik geht, die Haider mit viel Aufwand selber betreibt, sollten wir die Haider­Marketingpolitik, mit der er ungeheißen bedacht wird, nicht außer acht lassen. Demnächst wollen „1000 Prominente gegen Haider“ österreichweit auf Plakaten für ihn werben. Aber über den Anti-Haider-Clan ist schon genug im letzten Heft zu lesen. (Inzwischen stehn die ersten Vollkoffer ja schon am Wiener Westbahnhof.)

Die Presse sagt von sich, sie sei ein Spiegel der Politik. In bezug auf Haider ist sie nichts weniger als ein Vergrößerungsspiegel. Er tut kund, 1998 Bundeskanzler werden zu wollen, und auch sogenannte seriöse Zeitungen titeln postwendend: „‚Bürgerbewegung‘ für Bundeskanzler Jörg Haider“ (SN, 16.1.95). Wenn tausendmal geschrieben sein worden wird „Bundeskanzler Haider“, wird ein Bundeskanzler Haider den Leuten ganz normal vorkommen.

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