Zum Streiten gehören zwei
Es liegt mir nicht, einen so umfangreichen Fragenkomplex, wie er im übermittelten Fragebogen angeschnitten wurde, in wenigen Sätzen zu beantworten. Es besteht die Gefahr, bei nicht gründlicher Erörterung des Gegenstandes, mißverstanden zu werden.
Trotzdem möchte ich — vor allem aus Zeitnot — das Risiko einer kurzen Stellungnahme auf mich nehmen.
I.
Zur Schuldfrage: Ein altes Wahr-Wort sagt: Zum Streiten gehören zwei. Ein länger dauernder Streit bringt es mit sich, daß auf beiden Seiten die Radikalinski früher oder später zum Zuge kommen. Nur eine gründliche Geschichtsforschung kann unter Berücksichtigung aller objektiven Quellen feststellen, wer zum Schluß das auslösende Moment für die Katastrophe gesetzt hat.
Der Republikanische Schutzbund war keine demokratische Einrichtung; er war auch keine Friedensorganisation.
Auch in der Vaterländischen Front wurde im Laufe des Streites, der immer schärfere Formen annahm, der Boden der Demokratie verlassen.
II.
Zur Einordnung in die Geschichte: Der Bürgerkrieg darf niemals in einem Volke die Form der Auseinandersetzung sein. Der Bürgerkrieg ist ein absoluter Irrweg.
Der Austromarxismus war die radikalste Form des europäischen Marxismus. Daher kam neben ihm in Österreich der Kommunismus nicht auf.
In der Ständestaats-Ideologie wurde ein Versuch unternommen, die Klassenkampf-Ideologie zu überwinden. Ebenso wandte sich die Ständestaats-Ideologie auch gegen die Rassenkampf-Ideologie.
III.
Zur Lehre aus der Geschichte: Ich hoffe, daß die Österreicher aus der Geschichte gelernt haben und den Bürgerkrieg zur Klärung von widersprechenden Auffassungen ablehnen. Beide Regierungsparteien bemühen sich, echte demokratische Parteien zu sein. Hoffentlich gewinnen nicht wieder einmal die Radikalinski, denen der Sinn für die vernünftige Mitte fehlt, die Überhand.
Alle vernünftigen Österreicher haben aus den Februar-Ereignissen sicher die Lehre gezogen, daß ein Bürgerkrieg verwerflich ist.