Wolfgang von Weisl
Beiträge von Wolfgang von Weisl
FORVM, No. 171-172

Christus und die Revolution

„Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist ...“
März
1968

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Binyamin Ze'ev (Wolfgang) von Weisl

Binyamin Ze'ev (Wolfgang) von Weisl (* 27. März 1896 in Wien[1]; † 24. Februar 1974 in Gedera, Israel) war ein zionistischer Aktivist und als Mitarbeiter Ze'ev Jabotinskys einer der Vordenker der Strömung des Revisionistischen Zionismus. Er war österreichischer Adeliger, Arzt, Journalist und einer der maßgeblichen Islamexperten seiner Zeit.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiener Jahre und Erster Weltkrieg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sein Vater Ernst von Weisl (1857–1931)[2], ein angesehener jüdischer Rechtsanwalt, hatte sein Adelsprädikat von Kaiser Franz Joseph I. erhalten und gehörte zu den ersten Wiener Juden, die sich den zionistischen Ideen Theodor Herzls anschlossen. Seine Überzeugung, alles für die Rückkehr der Juden in ihr vermeintliches Heimatland Erez Israel tun zu müssen, beeinflusste auch seinen Sohn. Wolfgang von Weisl veröffentlichte im Alter von 11 Jahren den ersten zionistisch geprägten Artikel im Wiener Handelsblatt, in dem er die Übersiedlung von jemenitischen Juden nach Palästina forderte. Er nahm ein Medizinstudium an der Universität Wien auf und wurde Mitglied der Jüdisch-Akademischen Verbindung Unitas.[3] Das Studium musste er unterbrechen, als er 1914 bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges als Offizier der Artillerie zur österreichisch-ungarischen Armee eingezogen wurde. Er war unter anderem an der galizischen Front (im Winter 1916) und an der italienischen Front eingesetzt[4] und wurde mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Nach Kriegsende stellte er zur Abwehr antisemitischer Angriffe auf Juden und jüdischen Besitz in Wien eine jüdische Brigade auf.[5]

In Palästina und Israel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit 1922, nach Ende seines Studiums, lebte von Weisl als praktizierender Zionist großteils in Palästina. Als ihn Jahre später ein österreichischer Botschafter fragte, warum er 1945 nicht in sein geliebtes Wien zurückgekehrt sei, antwortete von Weisl: „Als Medizinstudent in Wien sah ich die Graffiti auf den Toilettenwänden: "Juden raus!" Und ich lese Toilettenliteratur immer sehr genau.“[5] Bei der Arbeit für den Jüdischen Nationalfonds lernte er Ze'ev Jabotinsky kennen.

1924 begann von Weisl seine Karriere als Reporter und Nahost-Korrespondent für die Vossische Zeitung und andere Zeitungen des Ullstein-Verlags sowie die Wiener Neue Freie Presse. Seine Artikel wurden weltweit übersetzt und veröffentlicht. Von Weisl war an den Höfen aller Herrscher des Nahen Ostens zu Gast: Er nahm am letzten Mahl des Kalifen Abdülmecit II. vor dessen Absetzung teil und wurde von Hussein, König des Hedschas, empfangen. Er begegnete König Ibn Saud, Sultan Al-Atrasch, dem Anführer des Aufstandes der Drusen gegen die französische Besatzungsmacht in Syrien, Emir Abdallah von Transjordanien und begleitete König Fuad von Ägypten bei seinem Deutschlandbesuch. Faisal I., dem König des Irak, unterbreitete er einen Plan, der den Verlauf des sich abzeichnenden jüdisch-arabischen Gegensatzes in Palästina hätte verändern können: Er schlug vor, palästinensische Araber in den Irak umzusiedeln, um dort die riesigen ungenutzten Landflächen zu kultivieren. Faisal war davon angetan; von Weisl scheiterte aber an der ablehnenden Haltung der britischen Mandatsmacht. Von Weisl widersetzte sich der britischen Politik, die 1923 das Mandatsgebiet östlich des Jordans als Emirat Transjordanien abgetrennt hatte. Stattdessen forderte er von den Briten das ungeteilte Heilige Land für einen jüdischen Staat. Deshalb unterstützte er, wie auch sein Mitstreiter Arthur Koestler, die von Jabotinsky 1925 gegründete revisionistische Partei HaTzionim HaRevizionistim (HaTzohar) und schrieb für die revisionistischen Zeitungen Doar HaYom (zu deutsch: Tagespost) und Hazit HaAm (zu deutsch: Volksfront).

1929 nahm er, zusammen mit fünf deutschen Ministern und der Witwe von Ferdinand Graf von Zeppelin, an der legendären Zeppelinfahrt von Berlin über Tel Aviv zum Toten Meer teil, wo er eine Flasche Wein „auf das Wohl des Volkes Israel und seines Heimatlandes“ öffnete.[5] Bei den blutigen Unruhen des August 1929 wurde er von einem Araber mit einem Messer angegriffen.[6] Der Manchester Guardian berichtete, er sei erstochen worden.[7] Seine Freunde schrieben bereits einen Nachruf auf ihn, in dem von Weisl unter anderem als der "Mark Twain in deutscher Sprache" bezeichnet wurde. Doch er überlebte und genas.

Bereits 1931 warnte er vor dem Aufstieg Hitlers und einem drohenden Weltkrieg.[8] Er rief die Juden in Deutschland auf, sich in Sicherheit zu bringen: „Packt eure Sachen und geht nach Palästina, legal oder illegal, aber geht.“[9] 1935 begann er damit, die illegale Einwanderung von Juden nach Palästina zu organisieren.

Im September 1946 wurde er von den Briten in Latrun inhaftiert und trat in den Hungerstreik. Im Unabhängigkeitskrieg befehligte von Weisl 1948 eine Artillerie-Einheit bei Be’er Scheva.

Erst nach seinem Tod wurden 1974 seine letzten Artikel veröffentlicht, die sein breites literarisches und journalistisches Schaffen abschließen. Er schrieb über Politik, Militär, Medizin, Theologie, Philosophie, Psychologie, Reisen und sogar über Astrologie. Seine ursprünglich in der Vossischen Zeitung im August und September 1927 erschienene Serie über Therese Neumann wurde in einer Sonderausgabe veröffentlicht; binnen weniger Tage wurden davon 800.000 Stück verkauft. Am 9. September 2014 ehrte die israelische Post Weisl mit der Herausgabe einer Sonderbriefmarke zu 9.70 NIS. Sie zeigt ihn und das Luftschiff "Graf Zeppelin" 1929 über Tel Aviv.

Publikationen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Der Kampf um das Heilige Land. Palästina von heute. Ullstein, Berlin 1925
  • Das Mysterium von Konnersreuth. Vossische Zeitung, Berlin 1927
  • Karl May im Orient. In: Karl-May-Jahrbuch KMJB. Karl-May-Verlag, Radebeul 1927[10]
  • Zwischen dem Teufel und dem Roten Meer. Fahrten und Abenteuer in Westarabien. Brockhaus, Leipzig 1928
  • Karl May und der Islam. In: Karl-May-Jahrbuch 1929[10]
  • (zusammen mit Essad Bey): Allah ist groß. Niedergang und Aufstieg der islamischen Welt von Abdul Hamid bis Ibn Saud. Verlag Dr. Rolf Passer, Leipzig 1936
Rezension, Zs. "Gerechtigkeit", 4. März 1937, via ANNO
Rezension, Zs. "Die Stimme", 9. Februar 1937, via ANNO
  • Die Juden in der Armee Österreich-Ungarns. Illegale Transporte. Skizze zu einer Autobiographie. Olamenu, Tel-Aviv 1971 (Schriftenreihe des Zwi Perez Chajes Instituts)

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. John F. Oppenheimer (Red.) u. a.: Lexikon des Judentums. 2. Auflage. Bertelsmann Lexikon Verlag, Gütersloh u. a. 1971, ISBN 3-570-05964-2, Sp. 853.
  2. Österreichisches Biographisches Lexikon und biographische Dokumentation: Weisl, Ernst Franz von. 2003, abgerufen am 9. Juli 2023.
  3. J.A.V. Unitas Wien: Wehrhafte akademische Bürger, Zion fest im Blick – Arbeitskreis der Studentenhistoriker – AKSt. 6. Juni 2023, abgerufen am 22. August 2023 (deutsch).
  4. S. 32
  5. a b c בקפלי ההיסטוריה :ניבה פון וייזל (hebräisch) https://irgun-jeckes.org (abgerufen am 16. August 2012)
  6. Bericht von Gershon Agronsky über die Zeugenaussage von Wolfgang von Weisl vor der Parlamentarischen Untersuchungskommission unter Leitung von Sir Walter Shaw (Shaw Commission) am 15. November 1929. In: Jewish Telegraphic Agency, 17. November 1929.
  7. Manchester Guardian, 24. August 1929.
  8. Gabriele Anderl: Wolfgang von Weisl. In: Angelika Hagen, Joanna Nittenberg (Hrsg.): Flucht in die Freiheit. Wien 2006. ISBN 978-3-9500356-4-3.
  9. Gabriele Anderl: Generationenkonflikte. Die zionistische Auswanderung aus Österreich nach Palästina in der Zwischenkriegszeit. In: Frank Stern, Barbara Eichinger (Hrsg.): Wien und die jüdische Erfahrung 1900-1938. Akkulturation - Antisemitismus – Zionismus. Böhlau Wien 2009. ISBN 978-3-205-78317-6. Zitat S. 88.
  10. a b Ausgaben 4, 1921, bis 16, 1933 sind digitalisiert durch Deutsche Nationalbibliothek, an ihren 2 Standorten einzusehen.