Streifzüge, Heft 4/1998
Dezember
1998

Der nach den Sternen greift

Superlatives Porträt eines Wirtschaftsführers

Auch wenn das nicht unbedingt ein helles Buch ist, erhellt es doch unfreiwillig mehr als es erhellen wollte.

Schon die Einleitung ist so ein „Ich Jürgen E. Schrempp, glaube an Jürgen E. Schrempp“-Puzzle. Wer sollte das bezweifeln? Da wird gesagt, was Schrempp über sich sagt, und was andere über Schrempp sagen, und alle sagen sie das Gleiche. Dieser Mann ist „geprägt vom Willen zur Macht“ (S. 11). Der Superlative werden einige gleich nachgereicht. Schrempp sei nicht nur einer der „konsequentesten und durchsetzungsfähigsten, sondern eben auch einer der rücksichtslosesten und machthungrigsten Manager der Welt.“ (S. 17) Schließlich handelt es sich um „den wichtigsten Wirtschaftsfuhrer Europas“ (S. 171), um niemand Geringeren als um den Vorstandsvorsitzenden des größten europäischen Industrieunternehmens, der Daimler-Benz AG, seit neuestem Daimler-Chrysler.

Verbeugung ist angesagt. Und sie findet auch statt. Der Autor Jürgen Grässlin, einst Stadtrat und Mitglied im Landesvorstand von Baden-Würtembergs Grünen, nunmehr Sprecher der Kritischen AktionärInnen Daimler Benz (KAD), hat ganze Arbeit geleistet, wenngleich hauptsächlich der Aktionär und selten der Kritiker in Erscheinung getreten ist.

Das Buch folgt keinem stringenten chronologischen oder thematischen Aufbau, sondern windet sich in huldvollen Wiederholungen, stets das Thema Aufstieg variierend, dem Ende zu. So wird man das Gefühl nicht los, gleiche Geschichten immer wieder leicht verändert zu lesen. Das ermüdet, läßt jedoch vermuten, daß die rhythmische Repetition die Eingängigkeit erhöhen will. Was auffällt, ist die videoclipartige Schreibweise des Autors. Sequenzen werden in loser Folge aneinandergereiht, so als klebten verschiedene Fassungen eines Festvortrags aneinander.

Das „Arbeitstier Schrempp“ (S. 43) macht nie schlapp. „Krankheit ist ihm zuwider. Bevor er krankmacht, ‚schwitzt er lieber seine Bazillen in die Luft‘“, (S. 43) meint eine ehemalige Sekretärin. Und selbstverständlich: „Jürgen Schrempp liebt Streß“. (S. 44) Man mag nun den Streß für notwendig und unumgänglich halten, ihn aber lieben kann nur jemand, der die betriebswirtschaftliche Gestörtheit zum persönlichen Steuerungsprogramm erhoben hat. Die Charaktermaske wird hier so überaffirmiert, daß eine Differenz gar nicht mehr wahrgenommen werden kann.

Doch so sind sie die deutschen Manager: „Schrempp zeigt Härte — gegen sich und andere.“ (S. 44) Was stets verblüfft, obwohl es in Zeiten wie diesen nicht verblüffen darf, ist, daß dieses unsoziale Verhalten gegen andere wie gegen sich selbst immer als Tugend und nicht als Laster auftritt. Was hier gelobt wird, ist das armselige Vegetieren einer Arbeitsmonade, so weit oben sie auch sein mag.

Was auch persönliche Folgen hat: Ihn „treibt eine ständige innere Unruhe“, er „marschiert im Stechschritt (sic!, F.S.) durch die Natur oder steckt sich eine Marlboro nach der anderen an“ (S. 45). Das verwundert nicht. Leben, so würden wir behaupten, ist etwas anderes als diese triebige Geschäftigkeit, mit der unser Held seine ökonomischen Emanationen veranstaltet. Neidig braucht nur zu werden, wer ähnlich konstituiert ist.

Schrempp ist zweifelsohne einer dieser großen Rationalisten der großen Irrationalität. Der Mann zeigt, daß es ihm nicht nur ums Geschäft geht, sondern daß er förmlich im Geschäft aufgeht. Er ist es. Diese extreme Verdinglichung der Person zur Rolle hat hier schon Übermaße angenommen. Zöge man alles ab, was den Geschäftsmann ausmacht, bliebe wahrscheinlich bloß eine mickrige Portion Mensch übrig. Was würde so einer eigentlich tun, wenn man ihm den Management-Baukasten und die entsprechenden Freizeitsurrogate wegnehmen würde? Liest der was? Welche Musik hört er? Gibt es Interessen, die völlig frei vom Geschäft sind? — Aber wahrscheinlich sind diese Fragen schon unsinnig, da sie doch das dafür gar nicht vorhandene Zeitbudget des Mannes außer Acht lassen. Wir erfahren also lediglich, daß er gelegentlich jagt, des Sommers einen Gipfel rauf oder einem Großwild hinterher. Selbstverständlich spielt er gerne Schach.

Was so ein richtiger Spitzenmanager ist, ist rund um die Uhr beschäftigt: Geschlafen wird kaum, höchstens vier bis fünf Stunden. Schon um 6 Uhr 30 stehen Fahrer und Fahrzeug parat. Kaum hat Schrempp auf dem Rücksitz Platz genommen, beginnt schon der Arbeitstag: „Wenig passend zur Tageszeit, staucht er gleich einige Telefonpartner zusammen. Auch wenn Richard (so hieß der stets auf den Vornamen reduzierte farbige Chauffeur in Südafrika; Dienstboten haben keinen Nachnamen!, F.S.) kein Deutsch versteht, der Tonfall verrät vieles. Der Manager hat Jürgen E. Schrempp eingeholt.“ (S. 15) Der Arbeitstag dauert gemeinhin von 7 bis 21 Uhr, manchmal auch länger. Grässlin verrät uns in diesen Zeilen, was denn so einen Manager auszeichnet: der Ton und das Stauchen. Manager müssen ihre Untergebenen zusammenstauchen, denn sonst funktionieren sie nicht. Je mehr man niederstaucht, desto größer erscheint man.

„Er geht über Leichen, wenn ihm jemand im Weg ist“ (S. 53), sagt ein Schrempp-Kenner aus Südafrika. Wenn solch ein Satz nun in den Vorspann eines Unterkapitels mit der schlagenden Überschrift „Fressen oder gefressen werden“ übernommen wird, dann wird daraus ein Kompliment. Und das ist allerdings bezeichnend, zeigt der Kritiker als Aktionär doch keinerlei Distanz mehr zu dieser unfraglich menschenfeindlichen Vorgangsweise, sondern identifiziert sich mit ihr auch noch. Doch um ökonomisch erfolgreich sein zu können, muß diese Distanz auch beseitigt werden. Würde man Schrempp das persönlich vorwerfen, würde er es wahrscheinlich nicht einmal zurückweisen, sondern nur feststellen, daß der Gegenüber eine richtige Beobachtung getätigt hat. Er muß so sein. Zweifelsfrei.

Aber nicht immer klappt es. Über eine erfolgreiche Kontrahentin ist zu lesen: „So wird überdeutlich, daß Martine Dornier-Tiefenthaler zu den wenigen Menschen gehört, die mit Schrempp zu tun haben, ohne sich vor ihm zu fürchten oder von ihm abhängig zu sein.“ (S. 228) Man muß sich diesen Satz wirklich auf der Zunge zergehen lassen. Furcht ist es also, was der Mann vermittelt, Abhängigkeit das obligate Verhältnis zu ihm.

Die anderen haben zu kuschen. Tun sie das nicht, wie etwa der ungeliebte Oberbürgermeister von Stuttgart, Wolfgang Schuster, dann macht der Kritische Aktionär sich zum Adjudanten des Chefs und putzt den Christdemokraten auf drei Seiten regelrecht runter. Oder denken wir an den armen Generalsekretär der CDU-Baden-Württemberg, der öffentlich eine Erklärung zurücknehmen mußte, weil Schrempp es einfach so wollte. Die dpa bezeichnete das folgerichtig als „Kauders Kniefall“ (S. 247). Und der Kritische Aktionär? Der freut sich: „Die Machtverhältnisse sind wieder zurechtgerückt. So schnell wird aus den Reihen der Christdemokraten keiner mehr aufmucken.“ (S. 248) Da sind sich der Autor und der Vorstandsvorsitzende als gemeinsame Vertreter von Daimler-Benz wohl einig.

Selbst der Teufel hat zu spuren, wenn Gott erscheint. Denn ein Stern leuchtet über Stuttgart. Das Verhältnis zur Landesregierung ist dementsprechend entspannt. „So soll es sein“ (S. 235), schreibt der vom grünen Funktionär zum kritischen Aktionär aufgestiegene Autor.

Der Manager

Nichtsdestotrotz oder gerade deswegen ist Jürgen E. Schrempp ein vorurteilsfreier Mensch: „Vom Standpunkt des Unternehmens aus spielen für uns Rasse, Geschlecht und Glauben keine Rolle“ (S. 79), sagt er. Das hebt ihn durchaus positiv von einigen anderen Spitzenvertretern des Konzerns ab. Mit der Verabschiedung der auch von der deutschen IG Metall geforderten und mitgetragenen „Minimum Standards for Labour Relations“ (S. 88) gewährte der Konzern den südafrikanischen Gewerkschaftsvertretern Mitte der achtziger Jahre ähnliche Rechte wie den Vertrauensleuten in der Bundesrepublik. Obwohl Schrempp, der damalige Vorsitzende von Mercedes Benz of South Africa, kein Parteigänger des Arpartheidsystems gewesen ist, führte das selbstverständlich zu keinerlei Aktivitäten, die die wirtschaftlichen Beziehungen auch nur irgendwie gefährden sollten, im Gegenteil, sogar Exportgesetze wurden von Mercedes trickreich umgegangen (S. 73). Schließlich ging es doch ums Geschäft.

Er weiß auch, wie er sich wo und wann zu verhalten hat. „In unzähligen Diskussionen hat der Daimler-Chef das passende Register gezogen.“ (S. 294) Was einen großen Kommunikator auszeichnet, das sind die auf das jeweilige Publikum zugeschnittenen Reden. Verwechseln dürfte er sie freilich nicht. Die Zuhörer bei der Friedrich-Ebert-Stiftung sind da anders zu bedienen als die Banker und Spekulanten der Wiener Börse. (Apropos Wien: Grässlin dürfte entgangen sein, daß Österreich nicht an Deutschland angegliedert wurde, folglich Wien also keine Landeshauptstadt, sondern eine Bundeshauptstadt ist.) (S. 293)

Intelligenz und Erfolg sind nicht unbedingt kompatibel. „Jürgen Schrempp überlistet Leute, die ihm intellektuell haushoch überlegen sind“, erklärt ein Schrempp-Intimus. (S. 104) Da ist mehr Wahrheit dran, als der Intimus ausdrücken wollte. Gerade der Typus des Managers verlangt anderes. Was so ein Wirtschaftsführer braucht, das ist eine instinktive Zuschlagqualität, einen Riecher, eine Schläue, die ihn vor anderen auszeichnet. Vor allem darf die sachliche Zielstrebigkeit nicht durch allerlei inhaltliche Reflexionsleistungen angekränkelt sein. Das würde die Rücksichtslosigkeit hemmen, ja gefährden. Registrieren geht vor Reflektieren. Die Ignoranz gegenüber komplexen Folgen (so weit sie nicht das Unternehmen tangieren) ist geradezu ein vorrangiges Funktionsgebot.

Das kapitalistische Unternehmen kennt in letzter Konsequenz nur ein Ziel, den Profit. Dieser soll nun aber abseits vieler linker Legenden nicht angehäuft werden, sondern sich im unendlichen Prozeß der Akkumulation verwerten. Die Arbeitsplätze, die Arbeitsbedingungen, die Herstellung der Produkte, deren Qualität und Quantität, das alles ist diesem Diktat unterstellt und in seiner tatsächlichen Existenz von ihm abhängig.

Sanieren meint Wachsen durch Schrumpfen. Profite wachsen dort am besten, wo die dafür verausgabte Arbeitszeit am meisten schrumpft. Nur der Abgeschlankte ist fähig zum Fressen, nicht der Überfettete. „Schrempp strafft, Schrempp rationalisiert, Schrempp optimiert“ (S. 176), so in der Sprache des Heldenlieds. Denn darum geht’s dem Vorstandsvorsitzenden: „Gewinne wie nie zuvor einzufahren.“ ( S. 18). Aber auch einige tausend Arbeitsplätze (S. 18) sind da in den letzten Jahren geschaffen worden. Neue Stellen wurden gerade erst versprochen. Und da kann doch nun gar niemand etwas dagegen sagen. Das flößt Respekt ein, läßt die meisten verstummen. Jürgen E. Schrempp ist ein Schaffender, er hat etwas geschaffen, und er schafft an.

Freilich muß man einen erfolgreichen Manager nicht nur danach beurteilen, was er in seinem Bereich an Arbeitsplätzen sichert, sondern auch danach, was er in seiner Branche insgesamt, eben durch die Ausschaltung lästiger Konkurrenz, vernichtet. Am Markt zu reüssieren, ohne daß jemand zu Schaden kommt, ist unmöglich. Wenn alle Automobilkonzerne einen Schrempp hätten, könnte sich der eine Schrempp nicht so entfalten, wie er es aktuell tut. Doch, times are changing. Man denke nur an Aufstieg und Fall des einst hochgepriesenen Edzard Reuter, Schrempps Vorgänger.

Das Buch ist überhaupt eine Anti-Reuter-Schrift. Der Autor schafft es nirgendwo, seine Verachtung hinter den Berg zu halten. Diese „unterschwellig“ zu nennen wäre fast schon Schönrederei, es ist vielmehr ein ständiges Pinkeln en passant, so als hätte der Kritische Aktionär selbst einige alte Rechnungen zu begleichen. Dagegen ist ja nichts einzuwenden, nur sollte Grässlin sagen, worum es ihm geht. Die blanke Aversion fällt übel auf: „Mit dem Verweis auf seinen berühmten Vater, der es immerhin bis zum Berliner Oberbürgermeister gebracht hat, findet Edzard Reuter beim Stuttgarter Nobelkonzern Unterschlupf. Die Schrempps dagegen stammen aus bürgerlichen Verhältnissen, was keinem der drei Söhne einen Startvorteil verschafft. Jürgen muß sich erst einmal als Lehrling in Freiburg hocharbeiten.“ (S. 102)

Je finsterer es um Reuter wird, desto heller leuchtet der neue Stern am Mercedes-Himmel. Der Band lebt von diesem Vergleich, wo einer immer schlecht, und der andere immer gut wegkommt: „Reuter gilt als Hands-off-Manager, der viel zu viel delegiert und zuwenig managt. Nicht umsonst wird ihm die Fähigkeit abgesprochen, Manager und nicht nur Visionär zu sein. Ganz anders Schrempp: In Südafrika erwirbt sich der Deutsche den Ruf eines tatkräftigen, entscheidungsfreudig zupackenden Hands-on-Managers, der seine Mannschaft an kurzen Zügeln fuhrt.“ (S. 102)

Obwohl es ein dickes Buch ist, fordert es über die Demontage des Vorgängers äußerst wenig zu Tage. Grässlin verbleibt an der Oberfläche der Konflikte. Warum etwa Reuters „integrierter Technologiekonzern“ Unsinn gewesen ist, das behält er für sich, obwohl doch gerade Vorstellung und Kritik dieses Konzeptes von Interesse wäre. Gleiches gilt für die tatsächlich vorgenommenen Umstrukturierungen Schrempps. Oder für den Fehlschlag Fokker. Oder für den veränderten Stellenwert der Kuponschneiderei im Konzern. Vieles kommt vor, aber nichts wird so richtig abgehandelt. Die Strategie der Firma ist nicht nachvollziehbar, sie fällt wohl unter das Betriebsgeheimnis. Im Zuviel der Geschichten geht Wesentliches verloren. Nicht um Einsicht geht es, sondern um Bewunderung.

Deutsches Heldenlied

Vor uns liegt ein deutsches Heldenlied, die Saga eines Mannes, der aufgestiegen ist. Dieser Band ist nichts anderes als eine Werbefestschrift. „Das Strickmuster ist identisch: beschreiben und bewundern, analysieren und anbeten und — wo genehm — pro forma kritisieren.“ (S. 21) Wie ausgerechnet Jürgen Grässlin daraufkommt, daß das bei seinem Buch nicht zutrifft, warum das keine Hofberichterstattung sein soll, ist völlig schleierhaft. Wir vermuten bei obigem Satz eher eine billige Marketingstrategie, die sich durch die Vorwegnahme möglicher Kritik gegen ebendiese zu immunisieren versucht. „Das Grundproblem eines Biographen liegt in der Regel darin begründet, daß er von seinem Objekt der Begierde abhängig ist.“ (S. 23) Anders als er es gemeint hat, hat er mehr als recht. Grässlin gehört (zu) Schrempp. Er ist sein Vorstandsvorsitzender.

So entpuppt sich der Betrieb als Volksgemeinschaft im Kleinen. Er schmiedet Aktionäre, Wirtschaftskapitäne, Arbeiter, Angehörige, Politiker, Zulieferer und Abnehmer zusammen und läßt sie vor allen Sonderinteressen zur gemeinsamen Verteidigung der Firma antreten. Wohlgemerkt, das ist nicht als subjektiver Vorwurf an die Rollenträger zu verstehen, sondern als Kritik an der obligaten Pflicht der Beteiligten und deren marktwirtschaftlichen Grundlegungen. Daß der sicherste Standort der ist, der die anderen Standorte im Konkurrenzkampf zurückdrängen, ausschalten und vernichten kann, stört da nicht weiter.Von der sozialstaatlich geprägten fordistischen Mentalität des „Es ist für alle genug da“ ist heute jedenfalls fast nichts mehr übriggeblieben. Heute gilt: Friß oder stirb!

Wenn der Biograph das Unternehmen als „Profittempel“ kennzeichnet, dann soll diese Sakralisierung Konzern und Kapital als quasi göttliche Eingebungen installieren. Wenn das bürgerliche Gemüt Ängste befallen ob der ökonomischen Zusammenbrüche auch im Wirtschaftswunderland der Deutschen, dann ist es nötig, auf einen wie Schrempp zu verweisen, und zu zeigen: Es geht ja doch! Solch Bücher tun gut, befriedigen die auf den Starkult trainierten Fans. Schrempp ist also nicht bloß das Vorbild, sondern er ist ein gesellschaftliche Abziehbild. Wobei es freilich schon von Interesse ist, daß man ein Loblied dieser Art nur über einen „schaffenden“ Kapitalisten schreiben kann, die Mehrheit ein Ähnliches über einen Börsenspekulanten ziemlich unpassend finden würde. Gilt der eine als strahlender Held, so der andere als dubiose Figur.

Auffällig ist neben der inflationären Verwendung der Formulierung „der Deutsche“ zur Kennzeichnung Schrempps auch der oftmalige Gebrauch des Stabreims durch den Autor. Kaum eine Überschrift, die auf ihn als Stilmittel verzichtet: „Können, Kompetenz und Karrierestreben“ (S. 10), „Kapitalist auf Kollisionskurs“ (S. 302), „Feiglinge in der Fremde, Duckmäuser in Deutschland“ (S. 368), „Passiver Protest aus Pretoria“ (S. 79) „Verraten und verkauft“ (S. 277). Der Stabreim tritt — wie ein anderer Zwischentitel lautet — „im Wolfsrudel“ (S. 97) auf. Das tat er übrigens auch — als frappantes Detail am Rande sei’s vermerkt — in den ebenfalls heuer erschienen Erinnerungen Edzard Reuters: keine Kapitelüberschrift ohne Stabreim.

Nicht, daß über den Stabreim endgültig der Stab zu brechen sei. Es ist aber merkwürdig, wenn abseits ironischer und satirischer Absicht solch massiver und frontaler Einsatz ansteht. Der Stabreim ist in diesen Büchern jedenfalls deutschernst gemeint. Er trägt invasionäre Züge. Er ist die Begleitmusik eines industriellen Aufmarsches. Im Hintergrund hört man Richard Wagner. Und es ist noch nicht die Götterdämmerung.

Aber zweifellos, die Industrie ist im Krieg. An vielen Stellen dieser Schrift tritt die existentielle Auseinandersetzung um Märkte förmlich aus den Zeilen. Auch wenn das Buch als Abenteuerroman nicht so ganz geglückt ist, es knistert und lodert. Und der Mann auf der Kommandobrücke muß das Schlachtschiff durch die Stromschnellen des Marktes leiten, ohne daß eine ruhige See in Sicht wäre. Es ist die Inszenierung des immerwährenden Kampfes industrieller Heroen, dem hier demütig die Ehre erwiesen wird.

Es geht ja auch um die Zukunft von Daimler-Benz. Und diese ist — da hat Schrempp ja völlig recht — nur in der Internationalisierung des Konzerns durch Fusionen und Übernahmen möglich. Der Ausstoß bei Mercedes wird sich nur steigern lassen, wenn der Multi Konkurrenten verdrängt oder auffrißt. Daß es mit der Automobilproduktion so weitergehen kann wie bisher ist ökonomisch unmöglich und ökologisch verheerend. Folglich wird die Konkurrenz des Restes noch härter werden.

„Daß der Unterschied der Chrysler- von der General-Motors-Serie im Grunde illusionär ist, weiß schon jedes Kind, das sich fix für den Unterschied begeistert“, schreiben Horkheimer und Adorno in „Die Dialektiuk der Aufklärung“. Aber gerade darum geht es — und immer mehr: um die Schaffung der Illusion der Differenz durch Marke, Design, Werbung, Mode. Das Produkt selbst erzittert vor seiner Anpreisung in den Marketing-Strategien der Konzerne.

Unser Manager ist ein erfolgreicher Kuppler betriebswirtschaftlicher Logiken in Zeiten der Globalisierung. Daimler-Benz wollte auf jeden Fall heiraten, egal wen: zuerst General Motors, das Alpha-Projekt, dann Ford, die Beta-Partie. Erst als diese Gespräche gescheitert waren, bemühte man sich intensivst um die dritte Wahl, die Gamma-Lösung Chrysler. (S. 334) Was nunmehr gelungen ist. Flitterwochen sind angesagt.

Nun denn, das wäre jetzt ein etwas zu euphorischer Abschluß, daher probieren wir es noch einmal: Je mehr Unternehmen unternehmen, desto eher übernehmen sie sich, weiß eine ungeschriebene kapitalistische Erwerbsregel. So mag es schon vorkommen, daß die Fusion nur die Vorstufe der Konfusion darstellt, ja daß auch der Herr der Sterne verunglücken oder, wie man auf österreichisch sagen würde, einen kapitalen Stern reißen wird. Dann wird der Jammer allerdings groß sein.

Jürgen Grässlin: Jürgen E. Schrempp. Der Herr der Sterne. Droemer Verlag, München 1998, 384 Seiten

Die Arbeiter, die eigentlichen Ernährer, werden, so will es der ideologische Schein, von den Wirtschaftsführern, den Ernährten ernährt.

(Adorno, Negative Dialektik, S. 135)