FORVM, No. 406-408
Oktober
1987

Die grüne Medienmacht

Es ist,
was in den Medien ist,
denn der Bürger (fr)ißt,
was in den Medien ist.
(Neugrüner Trinkspruch)

Österreichs offizielle Grüne betreiben Politik fast ausschließlich als Medienpolitik. Nichts ist ihnen wichtiger als in den Gazetten und Sendungen mediengerecht präsentiert zu werden. Bedeutender als die Problembearbeitung oder gar die Problemlösung ist ihnen zweifellos die Problemerwähnung.

So ist es ganz normal, daß Tätigkeitsberichte der Bürgerliste Salzburg Land (Landesorganisation der Grünen Alternative) ausschließlich aus einer Aneinanderreihung von Pressekonferenzen, Presseaussendungen und Leserbriefen bestehen. Der Erfolg dieser Politik wird dann an einer erfolgten Veröffentlichung gemessen.

Auch Niederösterreichs Grüne haben gelernt. Anfang dieses Jahres starteten sie eine Pressekampagne zum Modethema „Demokratiereform“. Grob gesprochen sollten die Bürgermeister direkt gewählt und die Rechte des Gemeinderats erweitert werden. Das geht zwar nicht zusammen, aber das ist egal. Ungleich wichtiger ist, daß dieser Luftballon dem NÖ-Kurier nicht bloß eine Seite im Regionalteil wert ist, sondern auch am Titelblatt (in fetten Lettern!) das neueste Vorhaben oder besser: die neueste Vorspiegelung der Grünen zu lesen war.

Die Sektkorken ım Badener Landesbüro haben sicher geknallt.

Man denke weiters nun an die peinliche Privilegienabbaubroschüre der Nationalratsfraktion. In Krone-Manier wird dort primitivste Beamtendiffamierung betrieben: Eisenbahner, Postler, Kraftwerksarbeiter werden neben den Politikern zu den wahren Privilegienschmarotzern hochstilisiert. Nach innerparteilicher Kritik wurde die Broschüre inzwischen eingestampft, man distanzierte sich leise davon. Darauf angesprochen, erklärte einer der aufgeklärten Grünabgeordneten, niemand hätte die Broschüre vor der Präsentation so richtig gelesen — was wir uneingeschränkt glauben — gut sei aber das mediale Echo gewesen. Also: Was drin steht ist wurscht, Hauptsache man kommt auf Sendung.

Besonders grotesk und weit gediehen ist dieses (Un)Verständnis grüner Politik in Österreichs westlichstem Bundesland. Nach einer der unzähligen „Einigungssitzungen“ des Vorjahres klagte ein Gesandter aus dem Ländle sein Leid: Zu sagen hätten sie immer weniger, die konservativen „Vorarlberger Nachrichten“, die praktisch den Landtagswahlkampf der VGÖ-AL unterstützt, ja noch mehr: getragen hatte, nehmen zusehends Einfluß auf die Politik der Landtagsfraktion und drohen bei Zuwiderhandeln mit der Gründung einer „eigenen“ Pro-Vorarlberg-Partei.

Die „Vorarlberger Nachrichten“ haben derweil nur begonnen, ihr verliehenes Wählerpotential einzufordern. Vorarlbergs Grüne dürften jedenfalls unter fester Kontrolle sein, bei entscheidenden Abstimmungen (Wahl des Landesvolksanwaltes und des neuen Landeshauptmanns) reihen sie sich regelmäßig in die ÖVP/FPÖ-Koalitionsphalanx gegen die oppositionelle SPÖ. Wer so blauäugig und grünohrig Rechnungen ohne den Wirt macht, wird des öfteren noch blaugrüne Wunder erleben.

Das Vorarlberger Beispiel zeigt nur deutlich die (möglichen) Folgen der Zuspitzung der in allen Bundesländern und auf Bundesebene betriebenen Reduzierung der Politik auf Medienkontakte (anstatt der notwendigen massenkommunikativen Ausweitung). Fremde „Unterstützung“ und fremdes „Wohlwollen“ werden mit eigener Kraft und potentieller Macht verwechselt. So produzieren die hiesigen Grünen ihre Politik, wie auch ihre Kontrahenten, nicht für oder gar durch das Volk, sondern für die Volksvorkauer, die Reproduzenten in den Redaktionsstuben.

Güther Anders hat ähnliche wie die oben angeführten Beispiele schon vor über 30 Jahren beschrieben, sie verallgemeinert und theoretisiert: „Das Wirkliche — das angebliche Vorbild — muß also seinen eventuellen Abbildungen angemessen, nach dem Bilde seiner Reproduktion umgeschaffen werden. Die Tagesereignisse müssen ihren Kopien zuvorkommend nachkommen. Wirklich gibt es bereits zahllose Geschehnisse, die nur deshalb geschehen, damit sie als Sendungen brauchbar seien; ja solche, die überhaupt nur deshalb geschehen, weil sie als Sendungen erwünscht oder benötigt sind.“ [1] Oder: „Wenn das Ereignis in seiner Reproduktion sozial wichtiger wird als in seiner Originalform, dann muß das Original sich nach seiner Reproduktion richten, das Ereignis also zur bloßen Matrize ihrer Reproduktion werden.“ [2]

Ja und so sitzen unsere grünen Politikerfreunde schwitzend an ihren Schreibtischen und fertigen ihre Matrizen für die Veröffentlichungsmaschinerie der Medienindustrie. Öffentlich — das haben sie in der Zwischenzeit zur Kenntnis genommen -— ist bloß, was auch veröffentlicht wird. Was dahinter steckt und darunter liegt, es ist, als hätte es nie stattgefunden, als wäre es nie gewesen.

Nicht: Wie schätzen wir etwas ein? ist für die Grünen die zentrale Frage, sondern: Wer kennt welche Journalisten? nicht: Wie gehen wir in diesem Punkt vor? ist von Bedeutung, sondern: Wie kommen wir ins Mittagsjournal? nicht wie man etwas sieht, sondern wie etwas zieht, ist wichtig.

Mehr als die beiden großen alten Parteien Österreichs setzen die Grünen heute auf die sie unterstützenden Medien und die dem seichten Grünkurs aufgeschlossenen Journalisten. Mehr noch als jene verlassen sie sich auf äußere Kräfte zur Propagierung der vermeintlich eigenen Ansichten. Die Umformulierungen, die notwendigen, nehmen sie selber vor. Sie sagen oft nicht mehr, was sie denken, sondern was den Leuten gefallen könnte, so lange, bis es ihnen selber gefällt. Ihre Ansichten gleichen sich so zunehmend und unweigerlich ihren Matrizen an.

Bis jetzt ist uns noch kein grüner Exponent aufgefallen, dem dies auch nur in Ansätzen bewußt geworden wäre. Im Gegenteil: Als es im Vorfeld der Wiener Gemeinderatswahl zu Gesprächen zwischen der Grünen Alternative und der Alternativen Liste Wien kam, protzten die ersteren mit ihrer Medienmacht: „Wir haben die Medien“, ertönte es da gewichtig und lautstark. „Wer da wohl wen hat“, dachte die Gegenseite. Oder um mit einem abgewandelten Tucholsky zu resumieren: Sie dachten, sie hätten die Medien, und waren doch bloß in den Zeitungen.

[1Günther Anders, Die Antiquiertheit des Menschen, Band I, S. 190-191

[2Ebenda, S. 111

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