radiX, Aussendungen
Mai
2002

Ein Sieg für die Polizei und die Burschenschaften

Die Polizei hat es heute durch weiträumige Absprerrungen der Innenstadt geschafft rechtsextremen Burschenschaftern zu ermöglichen ihre „Heldenehrung“ bei der Hofburg abzuhalten. Am Siegfriedskopf an der Universität Wien — einem deutschnationalen Denkmal der Zwanzigerjahre — konnten die deutschnationalen Burschenschafter bereits um 9.00h morgens einen Kranz niederlegen.

Als zu Mittag antifaschistische DemonstrantInnen die Aula der Universität füllten ließen sich nur noch vereinzelte und ununiformierte Burschenschafter blicken. Lediglich dem Siegfriedskopf, der nach einem Senatbeschluß der Universität Wien bereits längst verschwinden hätte müssen, konnte die Nase abgeschlagen werden.

Um 18.00h konnten sich (nach kleineren Provokationen von Skinheads und Burschenschaftern) die antifaschistischen DemonstrantInnen zu einer Kundgebung vor der Uni Wien versammeln. Während die sich ebenfalls hier sammelnde Demo des „Bündnis gegen den Naziaufmarsch“ mit der Polizei auf eine Demoroute an den Absprerrungen vorbei einigte, bleib der Rest der Kundgebung vor der Universität stehen.

Obwohl die Demo des „Bündnisses“ bei der Albertina sogar in Ruf-, teilweise sogar Sichtweite des zeitgleich stattfindenden Fackelzugs der Burschenschafter geriet, bleib sie nicht stehen, sondern lief schnell die von der Polizei vorgegebene Route ab — zurück zur Kundgebung der ÖH vor der Universität.

Zeitgleich feierten Grüne und SPÖ in einem seperaten, aber spärlicher besuchten Fest „die Demokratie“. Beide wollten nicht mit der Kundgebung der ÖH und der Demo des Bündnisses in Verbindung gebracht werden.

Obwohl es sicher positiv zu vermerken ist, daß der Tag ohne Verletzte und Verhaftete vorüberging und der Anfang der Abtragung des deutschnationalen Siegfriedskopfes in der Aula der Universität Wien druchaus auch Anlaß zur Freude ist, so bleibt unter dem Strich die Polizei der große Sieger.

Die Strategie der „Sicherheitskräfte“, die Demonstrationen voneinander fernzuhalten und Linksradikale wie Rechtsextreme einfach auf eine Stufe zu stellen die beide das Recht hätten friedlich zu demonstrieren ging genauso auf, wie die Strategie den Heldenplatz und die Innenstadt zwar für AntifaschistInnen zu sperren, aber den Burschenschaften und ihren FPÖ-Politikern die Abhaltung ihrer öffentlichen Straßenpräsenz zu ermöglichen.

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Siegfriedskopf

Der Siegfriedskopf ist ein Gefallenendenkmal des Bildhauers Josef Müllner, das am 9. November 1923 in der Aula des Hauptgebäudes der Universität Wien aufgestellt wurde. Im Zuge der Neugestaltung der Aula von 2003 bis 2006 erhielt das seit langem umstrittene Objekt einen neuen, weniger prominenten Standort im hinteren Bereich des Arkadenhofs.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Denkmal wurde 1923 durch die damals antisemitisch und antidemokratisch orientierte Deutsche Studentenschaft der Universität Wien aufgestellt. Es sollte an die im Ersten Weltkrieg gestorbenen Studenten und Lehrer der Universität erinnern. Nach Ansicht von Kritikern spielte es auf die Siegfried-Mythologie an und implizit auf die Dolchstoßlegende. Als Verteidiger der traditionellen Rolle des Denkmals traten vor allem Burschenschafter auf. Der selbst aus dem rechten politischen Lager kommende Historiker Adam Wandruszka verwies auf die paradoxe Tatsache, dass als Modell für den Kopf des germanischen Heldenjünglings der jüdische Mediziner Georg Politzer gestanden sei.[1]

Gegenwart[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der akademische Senat der Universität hatte schon am 28. Juni 1990 eine Verlegung in den Arkadenhof beschlossen, scheiterte jedoch zunächst am Widerspruch des Bundesdenkmalamts. Schließlich erfolgte die Versetzung 2006. Die im Zuge dessen geschaffene Glasumhüllung des Kopfes dient sowohl dem Schutz der einige Jahre zuvor beschädigten Plastik als auch der Distanzierung.[2] Der schützende Glassturz aus mehreren Kuben ist zugleich ein Träger von Textbeiträgen und Fotografien. Auf dem äußersten Kubus findet sich ein autobiografischer Erinnerungstext der jüdischen Germanistin, Pädagogin und Schriftstellerin Minna Lachs. „Wir wollten den Siegfriedskopf nicht eins zu eins wieder aufstellen, sondern einer verstärkten historischen Analyse unterwerfen“, sagte Rektor Georg Winckler bei der Aufstellung. Den Auftrag für die Konzeption und Durchführung erhielt das Künstlerpaar Bele Marx und Gilles Mussard.[3]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Erwin A. Schmidl: Habsburgs jüdische Soldaten, 1788–1918. Böhlau, Wien 2014, ISBN 978-3-205-79567-4, speziell S. 131.
  • Ulrike Davy, Thomas Vašek: Der Siegfried Kopf: eine Auseinandersetzung um ein Denkmal in der Universität Wien. WUV Universitätsverlag, Wien 1991, ISBN 3-85114-060-5.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Tageszeitung Die Presse, Wien, 27. Juli 1990, S. 16.
  2. Uni Wien: "Siegfriedskopf" wechselt Standort. orf.at, 13. Juli 2006, abgerufen am 12. September 2014.
  3. Herbert Posch: "Kontroverse Siegfriedskopf". 2. Oktober 2015, abgerufen am 1. September 2023.

Koordinaten: 48° 12′ 48″ N, 16° 21′ 35,5″ O