FORVM, No. 358/359
November
1983
10.4.1916 — 18.9.1983

Friedrich Heer

SVS DOMINI* †
Er war die Integrität, Großzügigkeit und Herzlichkeit in Person. Daß er, der glaubende (freilich oft auch mit Zivilcourage widersprechende) Christ, mir, dem Juden und erklärtermaßen Ungläubigen, von der ersten Sekunde unseres einander Kennenlernens an mit unverhohlener und unwiderstehlicher Freundschaftsbereitschaft entgegenkam, das ist, sofern ein uralter Mann wie ich das sagen kann, unvergeßbar. Er beschloß und erklärte einfach, meinem Nichtglauben nicht zu glauben; behauptete mir in mein Ketzergesicht hinein, ich sei ein homo religiosus, wüßte das bloß nicht — und dieser „frommen Frechheit“ gegenüber blieb ich hilflos.

Nur selten haben wir einander gesehen, denn wir waren beide sehr beschäftigt und beide oft krank. Aber miteinander telefoniert haben wir oft und sehr gerne. Auf viele Zeitereignisse und -persönlichkeiten haben wir sehr ähnlich reagiert — ein Einverständnis, das oft ein, wie mir schien, fröhliches Lachen in ihm auslöste. Was er, wie ich gleichermaßen, verabscheute, war Dummheit und Schlechtigkeit, zwei Defekte, die wir eigentlich für einen und denselben Defekt hielten. Analog hielt er wie ich Klugheit und Mut für eine einzige Tugend — eine Tugend, in der er sich in der Hitlerzeit wahrhaftig bewährt hat. Mir ist diese Bewährung erspart geblieben.

Seit langem hatte er gewußt, wie es um ihn stand. Seine letzten Außerungen waren — das hat er offen ausgesprochen — als testamentarisch gemeint. Wenn er Angst geäußert hat, dann die, nicht mehr alles sagen zu können.

In der Tat habe ich kaum je jemanden gekannt, der so leidenschaftlich gesprochen, sich dabei stets so prestissime überstürzt hätte. Offensichtlich trieb ihn pausenlos Panik, eine Wahrheit auszulassen; etwas, was gesagt werden müßte, zu versäumen.

Und kaum je bin ich einem Nichtjuden begegnet, der mit solcher Passion über und für uns Juden gefühlt hatte. Das Wort „Passion“ kommt mir nicht von ungefähr. Für ihn waren wir Juden nicht etwa diejenigen, die Jesus ans Kreuz geschlagen hätten. Vielmehr empfand er uns, die seit 2000 Jahren Gemarterten, als ein gekreuzigtes Volk; und als eines, das noch immer am Kreuze hängt.

Ich denke seiner voll Liebe und Dankbarkeit und danke ihm nicht nur in meinem eigenen Namen.

20.9.1983
Günther Anders

Warum dieser war

von Wilfried Daim

Er war ängstlich, dünnhäutig-sensibel, vorsichtig, oft nervös wie eine geschäftige Handgranate, timid, wie ein in die Enge getriebenes Tier — wenn er aber unsausweichlich mußte, stürmte er los ohne Rücksicht auf sich selbst, mit verbissenen Zähnen und geschlossenen Augen, tollkühn und unberechenbar.

Aber wann mußte er? Es war kein zwangsneurotisches Muß, sondern es war ein existentielles, eben ein solches, wie es Martin Luther am Reichstag zu Worms formulierte: „Hier stehe ich und kann nicht anders!“ Es entsprang aus jener „Einsicht in die Notwendigkeit“, von der die Marxisten so ahnungsvoll schwätzen und welche die diversen Zentralkomitees angeblich in so hohem Maße besitzen. Aber diese Einsicht zwingt nicht. Es kommt hinzu das Wissen um einen höchst individuellen Auftrag, der zu erfüllen ist, weil ihn niemand anderer erfüllen kann als nur er, nur er allein; den einem kein noch so guter Freund abnehmen kann, denn auch der hat seine eigene Gleichung, die ihm allein zu lösen aufgegeben ist.

Das ist positive Moral und positives Gewissen. Eine Moral, die nicht in Verboten, sondern in dem Gebot besteht, das zu tun war und nur der zu tun vermag, den es trifft.

Und weil er wußte, daß das, was er zu sagen hatte, er auch sagen und tun mußte, gleichzeitig wußte, daß er sich damit Feinde um Feinde schaffen würde, weil echte Wahrheit oft weh tut, und Änderungen verlangt, was Aggressionen noch und noch erzeugt, die zu ertragen ihm keineswegs leicht fiel, deshalb war er ängstlich-furchtsam; deshalb mußte er die Angst oft in wildem Anfall, blind, mit eingezogenem Nacken überrennen, gewärtig der Hiebe der Mächtigen und der Spieße der Spießer; gewärtig auch der Verleumdungen, die sicher auch in den Akten der österreichischen Staatspolizei zu finden sind.

Dann oft ermattet, wie waidwund geschossen, erwachte er, mühsam zwar, dann immer wacher, zu neuem Leben und neuen Taten.

Es war zweifellos ein hellsichtiger Akt, als er nicht nur mir, sondern auch unserem gemeinsamen Freund Knoll schon vor mehr als zwanzig Jahren sagte, auf seinem Grab solle einmal stehen: „Sus domini“ — Schwein Gottes. Er meinte immer Wildschwein, denn nichts wäre ihm ferner gelegen, denn als domestiziert zu gelten. Aber es war ihm wohl bewußt, daß der Durchschnittsmensch mit Schwein auch Dreck, Unrat, Mist assoziiert, wenn Hellsichtigen auch bewußt ist, daß das Wildschwein keineswegs schmutzig ist. Aber es wühlt Schmutz, Erde, Dreck auf — es macht ihn nicht, es wühlt ihn auf. Wie falsch ist doch das gängige Wort „Nestbeschmutzer“ gemeint, der er in besonderem Maße war. Es soll jene diskreditieren, die auf den Dreck, den Unrat, die Sauerei hinweisen, den andere schufen, jene verleumden, die versuchen, den Dreck auszuräumen, wie einstmals Herakles den Augiasstall, eine seiner größten Heldentaten. Die so behaupten, jene hätten den Dreck geschaffen, den sie sehen, erfassen, die wollen den Unrat verdrängen — oder, wie unsere bundesdeutschen Nachbarn es so wundervoll formulieren: ihn „unter den Teppich kehren“.

Das Wildschwein wühlt ihn auf, den Dreck, den andere geschaffen haben, die jedoch an ihn nicht erinnert werden wollen.

Man sollte ob der provokanten Formulierung „sus“ jedoch auch nicht das Wort „Domini“ vergessen. Denn es ist wichtiger als das „sus“. Es spricht nämlich die Überzeugung aus, daß er das, was er war, in Gottes Namen und in seinem Auftrag war.

Denn der Impuls, das zu tun, was zu tun war, trotz Verleumdungen, Beschimpfungen, Diskriminierungen, Zurücksetzungen, Bosheiten, kam nicht von ihm. Es war abweislich Auftrag Gottes, das sei ohne jedes Pathos gesagt, von jemandem, der weiß, was er sagt.

Ohne diese Überzeugung hätte er sein Leben längst nicht mehr ertragen. Wer mit so viel Sensibilität geschlagen, mit so viel und so subtilen Nerven ausgestattet ist, braucht eine letzte Überzeugung, um überleben zu können. Er hatte sie. Und er hatte sie auch gegen seine ihm durchaus verbundene Kirche.

Denn wenn wir bisher vom Formalen sprachen, haben wir uns nun dem Inhaltlichen zuzuwenden. Um was ging es ihm denn?

Ich hoffe, es gelingt mir, dies ins Bewußtsein zu heben, was bei ihm vielleicht nicht so klar formuliert war, jedoch im Grunde sein Leben bestimmte:

Es waren die Brücken über die Gegensätze, die Menschen zu Feinden machen. Letztlich können sie zur Vernichtung anderer führen in den verschiedensten Formen des Krieges. Dabei sah er sich sehr wohl einer Seite zugehörig. Aber er sah, wie die Welt, eingeteilt in „Kinder des Lichts“ und „Kinder der Finsternis“ zutiefst falsch ist. Oder besser: Am Ende wird es, wenn die Kinder des Lichts von jenen der Finsternis geschieden werden, sehr große Überraschungen geben.

So ist es nötig, um offene Gespräche führen zu können, sich dem Dunkel der eigenen Gruppe zu öffnen, es einzubekennen, um bei den andern ein offenes Ohr zu finden.

Er war seinem Verständnis nach sicherlich ein katholischer Christ. Aber er wußte, daß seine Kirche, seine primäre Identifikationsgruppe keineswegs fehlerlos war. Bei den Fehlern handelte es sich aber keineswegs nur um Warzen, Pusteln oder gar Sommersprossen im „strahlenden Antlitz“ eines Engels, vielmehr um tiefgreifende, historisch tief verwurzelte Verzerrungen des ursprünglichen Grundimpulses, die nicht durch subtile Kosmetik, sondern durch eine echte, radikale Umkehr bewältigbar waren — von der Wurzel her.

Nur solche Einsicht gibt den echten Ansatz für echte Gespräche; dem sogenannten „Dialog“ den besten Ausgangspunkt.

Er war Historiker genug, um Ursachen von Großkonflikten nicht in den letzten Jahren zu suchen. Die naive Annahme der Kommunisten, daß die Geschichte erst 1918 begonnen hat (oder 1848), konnte ihm nur ein mitleidiges Lächeln entlocken. Das behaupten sie nicht theoretisch, sie tun aber so, als ob es so wäre.

Und so setzte er seine Art von Gesprächsbereitschaft so gründlich an, wie dies nur möglich ist.

Es handelt sich um das von Christen und Juden in den ersten Jahrzehnten nach Jesu (des „jungen Mannes aus Galiläa“, wie er gerne sagte) Tod abgebrochene Gespräch, das wieder aufzunehmen war. Die Dialoge mit Orthodoxen, Protestanten, Marxisten et cetera verschiedenster Spielart waren nichts anderes als Derivate, Verästelungen dieses Grundgespräches — selbst das mit den Islamiten.

Und so setzte er tatsächlich an der Basis an. Bei Jesu Tod stand nicht Glaube gegen Unglaube, sondern Glaube gegen Glaube. Er spürte dem christlichen Antisemitismus nach in seinem Großwerk Gottes erste Liebe. Er war mit anderen Christen bereit, einen erheblichen Teil der Schuld, selbst der Greuel der Nationalsozialisten zu übernehmen, aber ein Mann wie Friedrich Peter war bis heute nicht bereit, wenigstens einen Rest zu übernehmen. (Der von Bruno Kreisky erwählte nordische Retter der SPÖ).

Pinkas Lapide deutete in einem Vortrag an (ich wage nur, hinter seinem Rücken mich ihm anschließend es zu wiederholen), der Sinn von Auschwitz wäre der seit damals einsetzende jüdisch-christliche Dialog. Den gibt es nämlich praktisch erst seit Auschwitz.

Und seine Voraussetzung ist das Einbekenntnis enormer christlicher Schuld gegenüber dem Judentum durch die beiden letzten Jahrtausende hindurch. Dem galt Heers Monumentalwerk Gottes erste Liebe, und das gibt eine Überleitung zu einer später zu behandelnden Facette: Der Glaube des Adolf Hitler. Wenn das Verhältnis zwischen Judentum und Christentum heute besser ist als zwei Jahrtausende lang, so verdanken wir dies sicherlich nicht nur ihm allein, aber doch ihm in besonderer Weise, und auch Kardinal König — selbst Papst Johannes Paul II. profitiert davon.

Und nichts fehlt der Kirche mehr als die Juden. Wenn man den Katholikentag am Heldenplatz beobachtete, konnte man bemerken, wie Kardinal Lustigers Rede mit Abstand die beste war, der auch Johannes Paul II. nichts entgegenzusetzen hatte, trotz der besseren Ghostwriter. Und bei diesem Dialog wird Weltgeschichte an der Wurzel gemacht. Man kann nicht erwarten, daß Ilse Leitenberger und Otto Schulmeister das begreifen.

Man sollte allen Ernstes hier ansetzen. Dann würde man sein zentrales Anliegen weiterentwickeln. Wenn man etwa Heers Behandlung der Problematik der sogenannten dritten Kraft — der friedliebende Humanismus zwischen Katholizismus und Protestantismus — betrachtet, so liegt darin der gleiche Geist wie etwa in seiner Arbeit Christen und Atheisten in einer Welt, den er zu unserem gemeinsamen Buch (neben Heer auch August M. Knoll und ich) Kirche und Zukunft verfaßte.

Als ich ihn in einem persönlichen Gespräch mit einer evangelischen Christin in der BRD zitierte: „Wir müssen die Verantwortung für die Evangelischen mitübernehmen“, meinte diese: „Wenn das kein Trick, sondern ernste Überzeugung ist, so spricht daraus eine ungeheure Stärke.“ Es war kein Trick.

Was kann denn auch der Sinn der Feindesliebe der Bergpredigt sein, als daß man den ganzen Feind in allen seinen Tiefenschichten mit einbezieht in alles, was man sagt und tut. Versucht, ihn zu verstehen, um ihm die Feindseligkeit nehmen zu können. Eine solche Haltung kommt aus einer großen menschlichen Überlegenheit, aus der heraus man aber immer auch bereit sein sollte, seine eigene Position zu revidieren, wenn einen ein Einwand trifft. Ohne permanente Revision der eigenen Position wächst auch kein Verständnis für andere.

Heer fiel es keineswegs immer leicht, anderen zuzuhören, und wollte man mit ihm ein wirkliches Gespräch, mußte man sich schon mit Nachdruck Gehör verschaffen. Er reagierte aber dann immer mit großer Gutmütigkeit, hörte zu und verarbeitete das, was man ihm sagte, blitzschnell und mit oft überwältigender Originalität.

Diese Originalität bestand meist darin, daß er, wenn man eine These gegensätzlich entfaltete, dialektische Positionen herausarbeitete, er sofort zu zeigen versuchte, daß die wahren Gegensätze ganz anders wären und denen, die man aufzeigte, völlig quer lagen. So war er ein „Quer“-Kopf. Das war oft verwirrend, oft überzeugend, aber immer anregend. Es staute sich der eigene Denkdrang an seiner originellen Barriere.

Der jüdisch-christliche Gegensatz spaltet die Weltgeschichte an der Basis. Denn das Judentum ist der größte Ideologiespender der Weltgeschichte, ist das ideologische Rückgrat der Geschichte. Aber das Modell des „Gesprächs der Feinde“ hat er durchgezogen.

Er mißtraute aber auch allem unechten Dialog. Als nämlich die bundesdeutsche sogenannte Paulus-Gesellschaft den Dialog mit dem Osten zu tragen begann, stürzte sich etwa Günther Nenning mit jener politischen Instinktlosigkeit der österreichischen Sozialdemokraten — die ja auch den Anschluß an Deutschland wollten — kopflos und von seinem journalistischen Opportunismus verzehrt, in die Suppe und hing sich an die Rockschöße der Bundesdeutschen.

Der „Dialog“ hätte von Österreich aus geführt werden müssen, ehrlich, ohne das Ziel, die sogenannten Satellitenstaaten von der Sowjetunion zu trennen. Heer machte da instinktsicher nicht mit. Sosehr ihm der Dialog mit den Kommunisten am Herzen lag, er wollte einen ehrlichen.

Und so kommen wir zu einem anderen Problemkreis, der bei ihm mit dem ersten intensiv verbunden ist, das ist der, der mit dem Wort »Österreich« verknüpft ist. Seine persönlichen Erfahrungen damit sind nicht die besten. Aber: „Der Prophet gilt nichts in seiner Vaterstadt“, es quälte ihn zwar, doch nicht ohne Souveränität.

Da war die Universität Wien mit ihren Professoren. Als er habilitiert werden sollte, war zunächst — bei einer ersten Abstimmung — die Mehrheit der Fakultät dagegen. Als dann Richard Meister, Leo Gabriel und andere ein sogenanntes Minoritätenvotum abgaben, und dann die Liste herumgeschickt wurde, ergab sich überraschenderweise praktisch eine Mehrheit für Heers Habilitation. Nein, soetwas. Es gab also etliche Überläufer. Jetzt müßte man ja Farbe bekennen. Denn der, der da nicht unterschrieb, war ja dagegen. Und so wollten offenbar etliche nicht als jene dastehen, die sie tatsächlich waren. Aber zum ordentlichen Professor brachte er es nie. Er hätte als solcher etwa das Nachprüfen der Fußnoten an einen Assistenten delegieren können. Aber man gönnte ihm das nicht, ihm, von dem eine größere Publikation mehr wiegt als viele Kilo aller Wiener Historiker zusammen. Ihnen war jedoch sicherlich der Rücken gestärkt durch das Wirken Heinrich Drimmels für das christliche Abendland. Man muß jedoch zugeben, daß er Anstand genug besaß, nicht beim Begräbnis zu erscheinen.

Ich habe Heer, glaube ich, schon vor mehr als zwanzig Jahren gefragt, warum er nicht über Österreich schreibe, und er meinte, er hätte zu viele Widerstände dagegen. Aber dann drang er frontal in das Thema ein: Der Glaube des Adolf Hitler, eines seiner wichtigsten Bücher, Scheitern in Wien, Dunkle Mutter Wien, mein Wien und schließlich Die österreichische Identität.

Und er schrieb ein großartiges Vorwort zu William M. Johnstons The Austrian Mind (deutsch: Österreichische Kultur- und Geistesgeschichte) unter dem Titel Entdeckung eines Kontinents. Johnston faßt nicht Österreich mit Deutschland, sondern mit den Völkern der Donaumonarchie zusammen, und er behandelt sogar Sigmund Freud, für den üblichen deutschnationalen Historiker mit artgemäßem (nordischem usw.) antisemitischem Geist eine Todsünde. Dieser „Kontinent“ des Geistes wird durch die national-sozialistische Koalition sicherlich zugunsten deutschnationaler Größe verdrängt.

Heers österreichische Tiefenlotungen förderten schreckliche Dinge zutage, die das minderwertige Verhalten jener professoralen Überläufer verständlich erscheinen läßt.

Heer litt auch am gegenwärtigen Österreich. Ich erinnere mich, wie es uns schon nach wenigen Monaten der Regierung Kreisky (und seines Teams) zu grauen begann. Denn Kreisky (wie Broda etc.) knüpften zärtlich-enge Bande zu dem Ex SS Offizier (einer Mordbrigade), der das nationale Lager „liberal“ vertrat. Das war das alte Problem jüdischer Dissidenten. Heer entschuldigte Kreisky, denn nach 2000 Jahren Antisemitismus kann man verstehen, daß ein geborener Jude eben kein Jude sein will. Noch dazu, wo die Sozialdemokratie das Ende des Judentums durch Assimilation wollte. Aber ein Unglück für Österreich war es nichtsdestoweniger.

Kreisky, der Antizionist, ließ sich mit arabischen Gästen fotografieren (das ist das, was diese brauchten), und er verordnete, wie ich meine todessüchtig, seiner Partei auch noch die Koalition mit den Deutschnationalen.

Wir meinten, wie Bruno Pittermann, das Ende der Ara Kreisky werde schrecklich sein — es ist schrecklich. Und wenn Heer noch in seinem letzten Statement für den ORF sagte, daß man, wenn man sozialistische Freunde nach der kleinen Koalition fragte, nur „Phrasen höre“ — sie schämten sich nicht ihrer Tränen, die ihre Schuldgefühle verdrängen helfen sollten.

Zu Heers Wirken am Burgtheater fällt mir nichts ein. Direktor Benning meinte, man würde dort noch lange seine Spuren merken. Gott gäb’s. Es wäre für das Burgtheater nützlich und für den Rest der Welt.

All das ist nicht alles, was zu Heer zu sagen wäre. Er verzeihe mir quantitatives und qualitatives Ungenügen. Auch bin ich, Gott Lob, befangen.

Er verließ Österreich und die Welt, als beide sich in einem mehr als traurigen Zustand befanden. Sosehr er für den Frieden eintrat, der große Untergang ist mehr als wahrscheinlich. Seit seinem Tod verfolgen mich einige Zeilen einer schottischen Ballade, von denen ich ständig hoffe — gegen bessere Einsicht — daß sie auf ihn zutreffen werden:

Ein nächt’ges Traumbild zog vorbei
ich sah wie auf der Insel Sky
ein Toter eine Schlacht gewann.

Aber die Hoffnung trügt wohl. Das alles ist ein schöner Wunschtraum. Scheitern in Wien, so lautet der Titel eines Romans von ihm. Der Tote, so fürchte ich, scheiterte. Er gewann die Schlacht nicht. Er verlor sie.

Wir verlieren sie alle.

* Wildschwein des Herrn

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