Streifzüge, Heft 78
Juli
2020

Im Tümpel der Gerechtigkeit

Folgendes Zitat ist der Wochenzeitung Freitag (Nr. 51, 19. Dezember 2019, S. 3) entnommen. Es stammt von der Mutter eines gefallenen sudanesischen Freiheitskämpfers: „Die Revolution lebt und die Seelen der Märtyrer verdienen nicht weniger als Gerechtigkeit! Blut für Blut! Wir akzeptieren keine Kompromisse!“

Als erste Reaktion sind solche Äußerungen noch verständlich, doch was bedeuten sie wirklich? Was reproduziert solche grausame Response? Was wird hier kolportiert? Man verweise auf die Substantiva, die sich da die Hand reichen: Revolution, Seele, Märtyrer, Gerechtigkeit, Blut. Die Komposition ist martialisch, sie reproduziert ein Gewaltverhältnis des Schreckens samt seinen ideologischen Ingredienzien, in bestimmender Instanz geht es um Leben und Tod. Gleiches mit Gleichem zu vergelten, das ist demnach Gerechtigkeit. Dem verdammten Kompromiss wird durchaus entsprochen, er besteht darin, bereits dafür bezahlt zu haben, wofür andere nun zahlen sollen. „Das werdet ihr aber bezahlen“, sagt der universelle Volksmund, ohne auch nur zu ahnen, welch tiefe Wahrheit er spricht. Die Tauschlogik strahlt ganz explizit aus diesen Zeilen. Bezahlt werden muss auf jeden Fall und so wird das Blut weiter fließen wie es der Kreislauf des Kampfes vorgibt.

Macht und Ohnmacht

„Soziale Gerechtigkeit ist das Thema der Stunde“, lesen wir auf irgendeiner Titelseite. So stand es in der Zeit, aber es könnte in jeder anderen süddeutschen oder norddeutschen Zeitung auch stehen, ebenso in allen österreichischen Gazetten. Und wann? Nun das war der 28. Mai 2003, aber der gleiche Aufmacher könnte das Blatt auch 1954, 1969, 1982, 2011 zieren. Ebenso 2027. Diese Scheibe ist hängen geblieben, aber das ist auch ihr Ziel, sie soll hängen bleiben. Kaum spielt es diesen Evergreen, ist das Publikum erleichtert. Es lauscht einer bekannte Melodie und fühlt sich heimisch.

Die Erzählung von der Gerechtigkeit gehört zu den fairy tales of commerce. Der Schrei nach Gerechtigkeit ist der bürgerlicher Traum. Alle meinen in seinem Namen auftreten zu müssen. Niemand ist gegen Gerechtigkeit, doch fast alle finden, dass sie nicht statthat. Wie das? Natürlich könnte man sich vorschnell auf den Standpunkt von divergierenden Interessen zurückziehen, doch warum firmieren dann solch widerstrebende Anliegen unter gleichem Banner und Bekenntnis? Was eint die Interessenten an der Gerechtigkeit? Was treibt sie geradezu urwüchsig und unablässig in diese Formel? Was bezaubert an dieser Ethik?

Gerechtigkeit gehört wie „Demokratie“, „Werte“, Bürger“, „Zivilgesellschaft“ zu den Grundtermini unserer liberalen Gesellschaft. Jedes Denken, Fühlen, Handeln hat sich in diese Hülsen zu stecken. Sie offenbaren gleichzeitig Macht und Ohnmacht. Macht, sintemal sie uns am Gängelband halten; Ohnmacht, weil wir nichts entgegenzusetzen haben. Gerechtigkeit ist eine demokratische Göttin, an der sich alle anhalten wollen, wenngleich die Anschauungen pluralistisch divergieren. Gerechtigkeit ist die Anrufung der bürgerlichen Seligkeit durch das bürgerliche Subjekt gegen die bürgerliche Realität.

Der Jargon liefert das vorgefertigte Material, an dem sich einander erkennen lässt. Im Kanon gesungen, sind diese Phrasen dazu da, sich gegenseitig als gehörig zu identifizieren. Wir kommen so über das Anstimmen der „aller Welt bekannten demokratischen Litanei“ (MEW 19, S. 29) nicht und nicht hinaus. Diese Identifikation ist also nicht Folge einer Reflexion, sondern einfach Usus. Wir interagieren im bürgerlichen Sprachbrei, schlürfen eifrig seine kapitale Vokabelsuppe. So sind wir ab- und zugerichtet, so werden wir inszeniert. Sprechen ist Rezitieren. Das Resultat könnte eigenartiger nicht sein: Jedes versteht, wovon keins einen Begriff hat. Der Sermon der Demokratie ist heute mächtiger als diese selbst.

Proportion statt Portion

Wollen kann man vieles: Traumreisen, Champagner, Gummistiefel, Spaziergänge, Liebesglück, Gesundheit – aber Gerechtigkeit?? Was hat man an der? Was ist an der so faszinierend? Was will man, wenn man Gerechtigkeit will?

Nähern wir uns schrittweise: Gerechtigkeit sagt nicht, was man will, sondern nur wie viel man haben möchte. Alles ist anscheinend eine Frage der Proportion, nicht eine der Portion selbst. Gerechtigkeit ist seltsam indifferent, was Inhalte betrifft, nimmt dadurch aber keinen Schaden. Im Gegenteil, in dieser Relation des Messens, liegt gerade ihre Stärke. Man kann sich vieles darunter vorstellen. Ziel der Gerechtigkeit ist nicht die Alternative zum System, sondern die Korrektur des Quantums. Nicht die politische Ökonomie ist demnach unser Problem, sondern dass nicht alle ausreichend partizipieren dürfen. So adelt diese Sichtung und Vorbringung die Substanz der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft. Durch ihre Begriffe affirmiert sie die vorgefundene Ordnung. Was wir anrufen und abrufen, stets sind es die Werte, die wir zu haben haben. Reell wie ideell.

Gerechtigkeit verlangt dementsprechend nach Wertung durch Aufwertung. „Ich bin diesen Preis wert“, sagt das preiswerte Bewusstsein. Gerechtigkeit fordern jene, die meinen, sie hätten zu wenig. Was natürlich die allermeisten meinen. Trotzdem ist Gerechtigkeit primär ein Schlagwort der Geschlagenen, für Die-da-unten da, weniger für Die-da-oben. Gerechtigkeit ist ideelles Futter. Es macht zwar nicht satt, aber es hält hungrig.

Umverteilung und Lohnerhöhung sind die zentralen Forderungen. Beide Male geht es um ein Mehr. Ein liberale Frontoffizier wie Wolf Lotter weiß: „Das Gehalt ist ein Spiegel der Verhältnisse, Gehaltsgerechtigkeit einer der Seele, des individuellen Empfindens.“ (brand eins 09/2019, S. 40ff.) Beschränktes Denken sagt das, was Lotter sagt: „Kein Gehalt, kein Leben. Jedenfalls keines, das man sich vorstellen kann.“ Manche können sich wirklich wenig vorstellen, aber der Hausverstand, er tickt zweifellos so. Der Gehalt des Lebens gleicht der Höhe des Gehalts. Mein Gehalt ist mein Gehalt, vermutet das bürgerliche Subjekt. Zu Recht. Solch Gerechtigkeit verläuft ganz auf den Leitern verordneter Rankings und Ratings.

Gehaltsgerechtigkeit ist der ideelle Schein der Verwertung auf dem Arbeitsmarkt. Eine Empfindung, die sich selbst permanent aufwerten und andere dadurch abwerten will. Sie denkt oder besser noch: fühlt in den Kategorien des Werts, die da wären Arbeit und Leistung, Konkurrenz und eben – Gerechtigkeit. Die Verhältnisse haben sich in allem, was man Seele nennt, eingebrannt. Menschen leiden zwar unter den Zuständen, entflammen aber sogleich für deren Werte. Als blindwütige Fanatiker des Werts erkranken Bürger aller Schichten an solchen Entzündungen. Da diese chronisch sind, fallen sie allerdings nicht als solche auf.

Gerechtigkeit ist eine begriffliche Abstraktion für äquivalentes Tauschen. Sie meint eine gesellschaftlich kodifizierte proportionale Zuteilung von Ansprüchen, d.h. von Geld, Waren oder Leistungen an Personen oder Gruppen. Kommt es zu Streitigkeiten, dann entscheidet die bürgerliche Justiz: Gerecht ist das Gericht, alles andere ist bloß ein hartnäckiges Gerücht. Ziemlich nüchtern fiel daher bereits das Urteil bei Hegel aus: „Es ist zu erkennen, dass, was hier Idee genannt wird und eine Hoffnung auf bessere Zukunft hierüber, an sich nichtig und dass eine vollkommene Gesetzgebung sowie eine Bestimmtheit der Gesetze entsprechenden Gerechtigkeit im Konkreten der richterlichen Gewalt an sich unmöglich ist.“ (G.W.F. Hegel, Über die wissenschaftlichen Behandlungsarten des Naturrechts, seine Stelle in der praktischen Philosophie und sein Verhältnis zu den positiven Rechtswissenschaften (1803), Werke 2, Frankfurt am Main 1986, S. 486.)

Recht und Gerechtigkeit

Gerechtigkeit ist des Rechts religiöser Geist, ihr ideelles Wesen, unabhängig vom realen Gehalt. Auch wenn sie gegeneinander auftreten, treten sie gemeinsam auf. Die Diskrepanz von Sein und Sollen wird elegant gelöst. Freilich offenbart Gerechtigkeit zugleich das Geständnis, dass es mit dem Recht alleine doch nicht funktioniert, sagt aber bereits via Terminus selbst, dass es nur mit den Kategorien und Prinzipien dieser Welt zu denken vermag. Gerechtigkeit ist keine über das Recht hinausweisende Größe, sondern ein auf ihr aufgeschraubter Scheinwerfer. In Gestalt der Gerechtigkeit erhält das Recht Besuch von seiner eigenen Sittenpolizei.

Recht soll Gerechtigkeit werden, wie umgekehrt. Zumindest als Imagination. Diese Haltung führt zu endlosen Projektionen der Befangenheit. Erfüllung vollzieht sich in Anbetung der Abstraktion. Defizite werden durch den Rechtsfetischismus substituiert. Der Rechtsstaat hat dementsprechend glorifiziert zu werden. Stets wird projiziert, statt reflektiert. Es geht um normierte Teilhabe. Mitbestimmung fiele hier in die gleiche Rubrik. Schier unermüdlich sind die Appelle doch entsprechendes Recht zu erlassen. Es sind Aufrufe an Staat und Politik, Gerechtigkeit in Gesetze zu gießen. Bitte! Das führt zu grotesken Resultaten. Niemand behauptet zwar heute, dass wir zu wenige Rechtsvorschriften haben, aber alle Vorhaben und alles Handeln verlangen nach mehr. Die Souveränität der Rechtssubjekte versetzt sich zur Schizophrenie.

Die naive Forderung nach Gerechtigkeit lenkt sämtliche Kritik auf den bestehenden Boden einer seichten und klebrigen Moral. Ihre Beschwörung ist bei der Linken sogar größer als bei der Rechten. Man beliebt am gesellschaftlichen Leim zu haften. Wollen ist nur als herrschende Empfindung, in unserem Fall eben als Gerechtigkeit denkbar, spürbar, ausdrückbar. Bevor wir für etwas sind, sind wir schon einmal dafür. Gerechtigkeit meint, dass das, was ich möchte, in eine abstrakte Formel dieser Gesellschaft gegossen, also in einen Wert verwandelt wird. In diesem Schema vermögen sich (einige Herrschaftszyniker ausgenommen) fast alle zu finden.

Die Zu-kurz-Gekommenen wollen einfach länger treten. Statt „Wir sagen Nein!“, sagen sie „Wir wollen auch!“; insbesondere: „Wir wollen mehr!“ Herrschaft soll nicht überwunden, sondern begradigt werden. Mehr heißt übrigens meistens nicht mehr als mehr Geld. Statt endlich zu sagen: „Wir haben genug!“, sagt eins „Wir haben nicht genug!, oder „Wir können gar nicht genug kriegen“. Mehr, mehr von alledem wollen wir, unbedingt. Man bleibt im Reich des Komparativs gefangen. Es geht ums Haben und ums Bekommen, so sehr dieses Ergebnis sich auch auf ein Verlangen reduziert. Es sind jedenfalls bürgerlich-kapitalistische Leidenschaften, die hier entfacht und angeheizt werden, nichts anderes. Wunderbar passen sie zum verordneten Wachstum, zu Stress und Stau, zu Müllbergen und CO2-Ausstoß. Wenn das Kapital selbst von Gerechtigkeit redet, was es gelegentlich tut, dann geht es seinen bornierten Vertretern logischerweise um das Einsparen diverser Kosten, seien es Löhne oder Steuern. Gerne setzt es auch auf das gegenseitige Ausspielen von sozial Schwachen. (Siehe den Beitrag „Neue Gerechtigkeit“.)

Aber bringen wir es doch ganz ungeniert auf die persönliche Ebene. Dass der Benkö mehr hat als der Schandl, das ist doch nie und nimmer gerecht, oder? Der kapitale Bub macht in einer Woche mehr Cash als ich im ganzen Leben. Das kann doch nur ungerecht sein, oder? Warum ist das so? Das geht doch echt nicht?! Allerdings ist das eine sinnlose Auseinandersetzung, aber nicht, weil sie eine Neiddebatte darstellt. Der Neid, der lediglich eine umgekehrte Gier ist, ist selbst bloß eine dieser bürgerlichen Untugenden. Indes ist es schon verdächtig und durchschaubar, wenn dieser Vorwurf à la Norbert Bolz primär gegen minderwertige Marktteilnehmer vorgebracht wird, um deren konventionelle Gelüste zu denunzieren. Von Übel ist der Neid, weil er Konkurrenz nachbaut, nicht weil er Vergleiche anstellt.

Was mich betrifft, habe ich das mit der Leistung und der Tüchtigkeit noch nie so richtig verstanden oder gar gewerbeschlau zu praktizieren vermocht. Und deshalb werde ich aufgrund meines produktiven Müßiggangs ordentlich abgestraft und laut den gültigen Werteregister der Wertegesellschaft als Minderwertiger eingestuft. Das ist auch gerecht so. Ich widerspreche da nicht. Der Schluss, der zu ziehen ist, ist sehr einfach: Ich bin minderwertig. Wähle ich die falschen Worte? – Kaum. Meine Abgefeimtheit besteht aber immerhin darin, die spezifische Minderwertigkeit zu verallgemeinern und zur allgemeinen Nullwertigkeit bringen zu wollen. Gemäß unserer Klebeetiketten: wertlos-unsachlich-jenseits.

Ich möchte also gar nicht mit Erfolgsmenschen wie Benkö und seinem Knecht Gusenbauer im Hubschrauber sitzen, Tirol überfliegen und überlegen, welche Wälder wir den Bundesforsten billig entreißen könnten. Wer das wirklich will, hat doppelt verloren. Erstens, weil er es nicht kann und zweitens weil er es trotzdem möchte. Der Unterhund will selbst Windhund oder gar reißender Köter sein, wo es doch darum ginge, das Hündische abzustreifen, sowohl das Winseln als auch das Beißen.

Losung statt Lösung

Gerechtigkeit ist eine Sackgasse. Solange sie im Zentrum der Forderungen steht, ist nichts Neues in Sicht. Mit dem Postulat der Gerechtigkeit bezieht man sich positiv, nicht kritisch auf die bürgerliche Gesellschaft. Nicht moralische Kritik wäre erforderlich, sondern Kritik der Moral. Die Forderung „Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk“ ist immer noch zurückzuweisen. (vgl. MEW, Bd. 19, S. 247ff.) Dezidiert wandte sich Marx 1875 gegen die im Gothaer Programm der deutschen Sozialdemokratie formulierte Phrase von der „gerechten Verteilung des Arbeitsertrags“ (vgl. MEW, Bd. 19, S. 18f.).

Gerechtigkeit ist eine Losung, die nie zu einer Lösung führen kann. Ihre Relevanz besteht lediglich in ersterer. Sie reproduziert aber stets eine immanente Haltung, vor allem auch, weil sie noch dazu eine exzessiv libidinöse Note hat. Solch Bauchgefühl und Bodenhaftung verspricht den Himmel, während sie weiterhin die Hölle betreibt. Gerechtigkeit ist der Umweg über die Empörung zur Zustimmung. Kritik wird in die Kanäle der Affirmation geleitet. Wer diese protegiert, möchte, dass es so wird, wie es bereits ist.

Gerechtigkeit vergiftet alle Anliegen durch ihr bürgerliches Gift. Das Wollen hat sich direkt zu artikulieren, nicht sich als Gerechtigkeit zu kostümieren. Das Selbe gilt übrigens für Freiheit und Gleichheit, auch sie sind zu historisierende Komponenten der Kapitalherrschaft. Gleich Marx und Engels sollte uns klar sein, dass „während der Herrschaft der Bourgeoisie die Begriffe Freiheit, Gleichheit etc. herrschten“ (Deutsche Ideologie, MEW, Bd. 3, S. 47). Diese sind nicht nur kapitalistisch kodifiziert, sie sind bürgerlich konstituiert. Als uns antrainierte Zwangsgewissheiten oder Glaubenssätze sind sie bar jeder Erkenntnis der gesellschaftlichen Form, der sie nicht gegenübertreten, sondern an deren Mechanismen sie hängen und zappeln. Und wir mit ihnen. Schon Engels hielt im Anti-Dühring kategorisch fest: „Wir wissen jetzt, dass dies Reich der Vernunft weiter nichts war, als das idealisierte Reich der Bourgeoisie; dass die ewige Gerechtigkeit ihre Verwirklichung fand in der Bourgeoisjustiz; dass die Gleichheit hinauslief auf die bürgerliche Gleichheit vor dem Gesetz; dass als eins der wesentlichsten Menschenrechte proklamiert wurde – das bürgerliche Eigentum; und dass der Vernunftstaat, der Rousseausche Gesellschaftsvertrag ins Leben trat und nur ins Leben treten konnte als bürgerliche, demokratische Republik. Sowenig wie alle ihre Vorgänger, konnten die großen Denker des 18. Jahrhunderts über die Schranken hinaus, die ihnen ihre eigne Epoche gesetzt hatte.“ (MEW, Bd. 20, S. 17)

Zumindest wir sollten über die alten Schranken hinaus. Gerechtigkeit drängt nirgendwo mehr hin, wo wir nicht schon gewesen sind. Der Kapitalismus ist die Verwirklichung der Gerechtigkeit. Marx hält fest: „Die Gerechtigkeit der Transaktionen, die zwischen den Produktionsagenten vorgehn, beruht darauf, dass diese Transaktionen aus den Produktionsverhältnissen als natürlicher Konsequenz entspringen. Die juristischen Formen, worin diese ökonomischen Transaktionen als Willenshandlungen der Beteiligten, als Äußerungen ihres gemeinsamen Willens und als der Einzelpartei gegenüber von Staats wegen erzwingbare Kontrakte erscheinen, können als bloße Formen diesen Inhalt selbst nicht bestimmen. Sie drücken ihn nur aus. Dieser Inhalt ist gerecht, sobald er der Produktionsweise entspricht, ihr adäquat ist. Er ist ungerecht, sobald er ihr widerspricht. Sklaverei, auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise, ist ungerecht; ebenso der Betrug auf die Qualität der Ware.“ (MEW, Bd. 25, S. 351f.)

Es geht nicht um eine andere Form der Verrechtlichung, es geht um eine emanzipatorische Formierung von Rechtslosigkeit. Dazu ist freilich ein Bewusstsein von den Formen, in denen wir uns bewegen, insbesondere auch der Rechtsform, notwendig. Sie kann nicht können, was sie nicht kann. So wollen wir keine gerechte Welt, sondern eine richtige Welt, d.h. unser Lebens selbst bestimmen, nicht einfach die Proportionen beklagen, und weiterhin das Diktat des Geldes als Richtschnur akzeptieren. Lohn, Preis und Profit auf ewig, das kann es doch nicht sein. Richtig ist nur, wenn man es sich in einer freien Assoziation richten kann und nicht wie heute weiterhin her- und hingerichtet wird durch die objektiven „Naturgesetze“ von Markt und Staat. Somit ist auch die Auslieferung an die Rechtsform und das gemeine Bekenntnis zu ihr und all ihren ideellen Verkleidungen hinfällig.

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