Wurzelwerk, Wurzelwerk 23
August
1983

So ein Theater

oder: warum das Wurzelwerk jetzt zwischen zwei Stühlen sitzt

Schwierig, die richtigen Worte zu finden, wenn man sprachlos ist. Emotionell ohnedies angereichert fällt es schwer, in Sprache zu kleiden, was eigentlich im Herzen angesiedelt ist: das Bedürfnis nach positiver Veränderung.

Geht man von der Tatsache aus, daß es spätestens nach 1968 zu modernen Ausformungen alternativer Bewegung gekommen ist, daß spätestens Zwentendorf eine Politisierung derselben in Österreich bedeutete, so wankt die These, daß alles ja noch so jung, zart, früh, exponentiell ausbaubar wäre. Theorem: die Nationalratswahl diente nur der Vorbereitung auf die Landtagswahl, letztere sei Sprungbrett für die Gemeinderatswahlen. Was werden diese dann wohl vorbereiten ?

Betrachtet man die Protokolle der AL-Plenas, von den ersten Vorbereitungstreffen vor mehr als einem Jahr bis in die Gegenwart, so mag einem bang werden. Das Rotationsprinzip kommt nirgendwo besser zum Ausdruck, zumindest in Niederösterreich.

Das Wurzelwerk hat sich in den vergangenen Monaten intensiv um das Zustandekommen einer alternativ-grünen Listengemeinschaft für die vorgezogenen Landtagswahlen bemüht. Daß wir damit einem in interessierten Kreisen der Wählerschaft ausgeprägt vorhandenem Bedürfnis Ausdruck geben wollten, sei festgehalten. Daß eine gemeinsame Kandidatur den Alternativen überhaupt erst Mandatschancen eingeräumt hätte, steht fest. Daß man in der blau-gelben Polithierarchie fix damit rechnete, spricht für sich.

Daß uns unser Bemühen von gewissen Super-Alternativen übel genommen wurde, uns weniger „vertrauenswürdig“ machte, kam doch ein wenig überraschend.

Der Super-Alternative verträgt nicht nur keine Erfolge, er verträgt auch keine Kritik. Wo wir doch überhaupt keinen Hang zum Parteiblattl haben, Kadersolidarität ablehnen und vorrangig journalistischen Kriterien anhängen.

Es stellt sich ernsthaft die Frage, was heißt Solidarität? Linientreue bis zur Selbstaufgabe oder Hilfeleistung im Notfall? Wie hätten wir uns gefreut, wenn jene, die „rachkongresse“ über Kinder/Jugend/Erziehung veranstalteten, denen geholfen hätten, die mit nunmehr vier kleinen Kindern (zwischen fünf Wochen und fünf Jahren) der Bewegung AusDRUCK zu verleihen suchten.

Nicht unzutreffend wird der eigentliche Charakter, die möglicherweise historische Qualität der Alternativ-Bewegung mit dem Urchristentum verglichen. Doch der Super-Alternative blickt durch und organisiert lieber die Aktion „Papstfreies Rom“. Daß sich die Kirche eben einiger mittelalterlichen Spinnweben entledigt, ja, auf anderen Kontinenten tatsächlich schon manifestant auf Seiten der unterdrückten Bevölkerung steht, tut nichts zur Sache. Für 2000 Hochglanzplakate (ALW) langt’s allemal. Dafür dürfen in wahrhaft alternativen Zeitungen keine Inserate sein.

Viel Gewicht hat bei der AL die Basisdemokratie. Wie sie praktiziert wird, war anhand der Listengemeinschaftsverhandlungen zu ersehen. Bevor noch die ohnedies heftig urlaubende „Basis“ das Problem durchdiskutieren konnte, fanden bereits die entscheidenden Gespräche statt. Gut, die Zeit drängte, aber warum dann von Bezirksgruppen nominierte Delegierte nicht bevollmächtigt wurden, weiß wohl am besten der Geschäftsführende Ausschuß. Er ließ sich am Ende eines ganztägigen Plenums von ein paar müden Händen rasch bevollmächtigen, und wer seine Zusammensetzung kennt, konnte das Ergebnis der „Verhandlungen“ mehr als nur erahnen. Dramatischer Aufhänger für die Unüberbrückbarkeit: die Basisdemokratie ...

Nota bene zur Szene: wenn Bundespressesprecher zur Intrige neigen, sollte man sie zum Diplomaten befördern. Zwischen Spielgruppen und Zentralkomitees.

Daß es bei alternativen Wortführern zu Abgrenzungs- und Profilierungsneurosen kommen kann, mag vielleicht noch einleuchten. Daß aber eigene Basisaktivitäten oft auf Info-Tische und Diskussionsveranstaltungen beschränkt bleiben, trübt das Bild vollends.

Resümee: unsere Sympathie gehört nach wie vor der Alternativ-Bewegung im breitesten Sinne. Wenn jedoch politische Repräsentanten den wichtigsten Grundsätzen einer Alternativen Liste untreu werden, wenn Intoleranz und Demagogie die Oberhand zu gewinnen drohen, dann muß Kritik laut werden.

Es ist zum Schreien.

Nachstehend die Stellungnahmen beider Parteien zum Scheitern der Gespräche. Für die Niederösterreichischen Landtagswahlen kandidieren im alternativen Lager an erster Stelle im Industrieviertel (Wr. Becken) Peter Altendorfer, im Mostviertel Manfred Köppl, im Waldviertel Franz Schandl und im Weinviertel Helga Heger. Sie hatte sich unter 15 Anwesenden als einzige dazu bereit erklärt. VGÖ-Spitzenkandidatin für alle vier Viertel ist Inge Rauscher, treibende Kraft der „Bürgerinitiative Lebenswertes Tullnerfeld“. Anchronismus am Rande: ihr wird wie früher Tollmann autoritäres Gehabe, „dominante“ Vorgangsweise vorgeworfen. Von AL-Sprechern, von der Seite also, die sich der Geschlechterparität verschrieben hat. Mindestens die Hälfte aller Funktionen soll von Frauen ausgeübt werden. In der Praxis haben die Frauen zwar den eigenen Frauenbasiskongreß (den nächsten österreichweit von Freitag, den 16.9.83, 20 Uhr bis Sonntag mittags in Salzburg, Göllstr. 3, Tel. 0662/45916), aber das mit den Funktionen funktioniert einfach nicht. Indiz dafür, daß Strukturtheorie doch nicht das Wichtigste ist?

Im Niederösterreichischen Landtag werden keine tiefgreifenden gesellschaftspolitischen Weichenstellungen getätigt.

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