MOZ, Nummer 52
Mai
1990
Medien und Grüne:

The Act of Domestication

„Ein gutgesinnter ORF ist für uns alle das halbe Leben“, offenbarte einmal der grüne Parlamentsangestellte Erich Auer. — In diesem Beitrag geht es um das ganze Leben der Grünen, um ihr Verhältnis zur medialen Welt und ihr (Dr)Aufgehen in ebendieser.

„Fiktion der Repräsentation: grüne Politik für und durch die Medien“
Bild: MOZ-Archiv

Vor zweieinhalb Jahren stand es im „BASTA“, das hier stellvertretend für die anderen Medien zitiert werden soll: „Freda weg, Geyer weg, Fux weg. Sind die Grünen als politische Kraft noch ernst zu nehmen? wollten wir wissen. Die Antwort fällt eindeutig aus: 61 Prozent können über Srb, Wabl & Cie nur noch lächeln.“ Damals, Ende 1988, waren die Grünen durch die vorangegangenen Wahlniederlagen (Wien, Graz, Salzburg-Stadt, Niederösterreich) und den Abgang bedeutender Mandatare in die tiefste Krise seit den Gründungswehen geschlittert. Mitte Jänner 1989 war diese Krise aber bereits beendet. Der zum Retter bestimmte Peter Pilz und sein „Lucona-Ausschuß“ machten es möglich. „profil“ ernannte ihn im März zum Star des Ausschusses, und „BASTA“ erkor ihn zuvor zum Österreicher des Monats Februar.

Die grüne Krise war ‚überwunden‘, ohne daß die Grünen etwas dafür hätten tun müssen, außer sich eben in einer bestimmten Sache zweckdienlich verwenden zu lassen. Der Aufschwung setzte programmgemäß ein, die Wahlergebnisse besserten sich mit den Landtagswahlen in Salzburg und Tirol schlagartig.

Lähmung und Zähmung

Was war geschehen? Was war passiert? Der Grünen Lähmung, das heißt deren Unfähigkeit, sich selbst aus der Krise zu führen, war die optimale Voraussetzung, die junge Partei noch stärker an die Kandare der Medien zu nehmen. Eine wahrhafte Hätschelphase setzte ein, oder um es authentisch mit den Worten des Klubobmanns zu sagen, der im Interview mit der MONATSZEITUNG meinte: „Die Journalisten haben sich geschreckt, daß da eine Gruppe kaputt werden sollte, die sehr viel zur Belebung der politischen Landschaft und der Demokratie beigetragen hat.“

Wabls Verweis auf das Interesse der Journalisten ist schon richtig. Er muß nur anders betont und gewichtet werden. Nämlich so: Wären diese Grünen kaputtgegangen, dann wäre auch Macht und Einfluß bestimmter Journalisten und ihrer WAZ-Springer-Besitzer (exklusive Krone) in der Parteipolitik zurückgegangen. Keine Frage, daß ein bestimmter und immer mehr bestimmender Journalistenschlag dies nicht will bzw. wollen darf. Man hätte durch einen Verlust der Grünen Manövriermasse an die Apparate der etablierten, weniger leicht aufweichbaren Parteien abgeben müssen. Terrain, das man erst mühsam in Jahren der Züchtigung der österreichischen Grünen gewonnen hatte. Das wollte man nicht, schon aus den beabsichtigten und angesprochenen Selbstentfaltungsgründen wäre dies unklug gewesen.

Denn was schaden die Grünen? Radikale und emanzipatorische Elemente haben sie doch bereits — unter medialem Druck und Beifall — selbst eliminiert. Die Partei übt sich seit langem in vorauseilendem Gehorsam, sie gehorcht ohne Befehl, nur selten sind die Medien zum Nachhelfen gezwungen. Inzwischen haben sie sich schon weitgehend auf das Weiterhelfen beschränken können. Sie geben den Grünen Skandale vor, sie versorgen grüne Ausschüssler mit heißen Informationen, sie helfen bei der Politikgestaltung, indem sie diese den Grünen ganz einfach abnehmen, was meint, daß sie deren Politik weitgehend autonom zu(recht)richten.

Grüne und Medien sind verwachsen. Die Authentizität der ersten ist nur selten und marginal auszumachen. Es gibt keine eigenständige grüne Politik mehr, die nicht durch die Medienküche gegangen ist, die nicht von den Medienköchen abgeschmeckt wurde. So nimmt es auch nicht wunder, daß eigene grüne Medien bisher ein Schattendasein führen. Denn Grüne wollen sich gar nicht vermitteln, sondern vermittelt werden. Die Macht, zu der die Grünen damit gelangen, ist keine eigene, sondern bloß eine geborgte. Die Gläubiger können sie jederzeit einfordern; und sie tun es auch.

Die präparierten KandidatInnen

Selbst die KandidatInnen werden in der Presse gemacht. Die grüne Basis ist dann bloß noch der Erfüllungsgehilfe vorgegebener Wünsche. Monate vorher sind in den Gazetten schon KandidatInnenlisten zu lesen, die von den späteren wirklich nur um Nuancen abweichen. Es wäre nicht vorstellbar, würden die Favoriten der Medien mehrheitlich durchfallen. Das Ende des grünen Projekts wäre nahe.

Keine andere Parteiliste interessiert sie so, ganz einfach deswegen, weil sie auf keine andere Partei solch großen Einfluß nehmen können. Schreibt das eine Wochenmagazin über die eine Klosterschülerin, so folgt prompt das zweite mit einem Bericht über die zweite Klosterschülerin. Um ja keine politische Peinlichkeit auszulassen, werden von den Wochenmagazinen auch gleich die Mentoren der beiden neugrünen Spitzenfrauen genannt. Pius Strobl und Johannes Voggenhuber heißen sie. Die beiden Bundesgeschäftsführer veranlaßten — jede(r) Grüne weiß das — diese Kandidaturen.

Die eine, Monika Langthaler, wird ganz auf Fachfrau gemacht: jung, dynamisch, erfolgreich. „Theoretische politische Referate liegen mir nicht sehr“, „ich bin eher pragmatisch und umsetzungsorientiert“ und „Ineffizienz macht mich wahnsinnig“, erzählt sie in der „Wochenpresse“. Eine ganz unschuldige Verkörperung der neugrünen Trinksprüche, könnte man meinen. Politik gerät bei ihr wahrlich auf die Ebene von ‚Sachen gut machen‘. Mehr sagt sie nicht, mehr ist auch heute nicht gefragt.

Was mit einer Person wie Monika Langthaler medial vermittelt werden soll, liegt auf der Hand: Wilhelmsburg ist überall. Sie ist wie du und ich. Das sympathische Mädchen von nebenan, selbstbewußt, aber keine Emanze, aufgeschlossen, aber keine Radikale. Das kommt an. Denn das kommt hin.

Die andere, Sonja Puntscher Riekmann, wird als eine Parade-Intellektuelle mit einem großen Schuß Machiavellismus vorgeführt. Die „stets in feines Tuch gehüllte Herz-Dame des derzeit tonangebenden Realo-Flügels legt Wert auf Pünktlichkeit, Disziplin im Denken und Handeln und ist auch sonst eher ein echtes Alternativprogramm zum Klischeebild einer Grünen“, heißt es im „profil“. Das freut das profile Herz, und auch das Klischeebild der vermeintlichen innerparteilichen Gegner wird gleich mitgeliefert, die Reala sei eben „keine, die mit den Latzhosenträgern von der Fundi-Abteilung ‚beim Biosaft in Gemütlichkeit schwelgt‘.“

Das Zitat im Zitat stammt von keinem geringeren als Christoph Chorherr, jenem Grünen, der wohl wie kein anderer — den sonst unvermeidlichen Pilz klammern wir heute einmal aus — mit Zuhilfenahme der Medien seine eigene Kandidatur für den Nationalrat plante. Seien es seitenlange Reibereien mit Walter Fremuth, Energiegeschichten aus Übersee oder bloße Verwechslungskomödien mit dem Papa, seines Zeichens Chefredakteur der „Presse“, — der Bub ist immer präsent, was meint, er wird präsentiert.

Mit Erfolg, wie wir sehen. Gegen den zwangsausgemeindeten Pseudo-Fundi Manfred Srb gewann er den Kampf ums Kampfmandat. Die mitgebrachten Verbund-Aktionäre als Chorherrs Mannschaft hatten die Partei-Funktionäre, mehrheitlich Srbs Belegschaft, in die Schranken gewiesen.

Österreichs Grün-Promis sind präpariert. Sie erscheinen wie bunte Luftballons, die in den Gazetten und im ORF jahrelang aufgeblasen werden. Daß die grüne Neusprache solche Personen dann Bundesnotwendigkeiten nennt, sei nur nebenbei erwähnt. Natürlich geht manchem die Luft aus, ein anderer wird zum Platzen gebracht, ein Dritter steigt höher und höher, doch drinnen ist in allen das gleiche.

Who’s whom?

Wer (be)treibt nun wen? Betreiben die Grünen Medienpolitik oder betreiben die Medien Grünpolitik? Fest steht, daß die grüne Medienpolitik und die mediale Grünpolitik sich nicht konkurrenzieren, sondern kongruenzieren.

Und doch darf man sich nicht der Frage entledigen, wer denn bei dieser unglücklichen wie geglückten Symbiose der Hund und wer bloß der Schwanz ist. Unsere Antwort lautet: Der Hund liegt bei den Medien, der grüne Schwanz, der wedelt bloß im Wind, ist aber fest verbunden und alleine keineswegs lebensfähig.

Keine Partei ist in Österreich so abhängig von den sogenannten unabhängigen Medien wie die Grüne Alternative. Dazu bedarf es gar nicht erst der Eingeständnisse der Parlamentsdiener und Klubobmänner, um das zu erkennen.

In der grünen Parlamentspartei haben sich die österreichischen Medien ein Sprachrohr geschaffen. Keine Partei ist derart am Gängelband, keine Funktionäre funktionieren so problemlos nach diesem doch äußeren Willen, eben weil er verinnerlicht ist.

Was nicht heißt, daß hier bewußt Agenten die ureigenste Sache verraten hätten, sondern, daß in stolzer Bewußtlosigkeit diese Identität gar nicht mehr als Problem, ja umgelegt geradezu als Voraussetzung der Politik angesehen wird. Das politische Medium der Grünen sind die Medien, alles andere ist von geringer und abnehmender Bedeutung.

Grob gesprochen gibt es drei Arten von Politikverständnis. Das traditionelle, das wir Politik fürs Volk oder ‚Stellvertreterpolitik‘ nennen; das emanzipatorische oder Politik durchs Volk bzw. Politik als selbstbewußte und selbstbestimmte Selbstaktivität; und das sich heute durchsetzende postmoderne Verständis der Politik für und durch die Medien. Setzt erstes auf den Schein — Kelsen nannte das einmal die Fiktion der Repräsentation —, setzt zweites auf das Sein, so gibt sich letztes dem doppelten Schein, d.h dem Schein vom Schein hin.

Gerüchten zufolge möchten Pius Strobl und andere die Grüne Alternative nach den Nationalratswahlen auch gänzlich umstellen. Das Dreigestirn Klub-Partei-Bildungswerkstatt soll nicht mehr nebeneinander agieren, sondern der Fraktion zweckdienlich untergeordnet werden. Der faktische Zustand soll festgeschrieben werden.

Die letzten Reste der Eigenständigkeit — unwidersprochen Schwächen in dieser amerikanisierten Politikkonzeption — müssen der medialen Effizienz geopfert werden. Strobl sieht sich dabei wohl schon in der Rolle eines allmächtigen Klubsekretärs. Auch wenn heute noch die Mehrheitsverhältnisse in den Grünen gegen eine solche Zentralisierung und Ausschaltung der Partei sprechen, logisch wären diese Änderungen allemal.

Der Prozeß der medialen Domestikation der Grünen ist unserer Ansicht nach größtenteils abgeschlossen. Zuckungen da und dort verweisen eher in die unbewältigte Vergangenheit als in die zu bewältigende Zukunft.

Vor zwei Jahren schrieben wir in dieser Zeitschrift anläßlich der Installierung Johannes Voggenhubers zum Bundesgeschäftsführer: „Mögen die Grünen wieder Wahlen gewinnen — als emanzipatorische Kraft gehen sie zusehends vor die Hunde.“ Die Köter laben sich schon. Sie fressen auf und scheißen aus.

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