Café Critique, Jahr 2009
Januar
2009

Postnazistische Anstalt

Lehrjahre zwischen Jargons — am Beispiel der Theaterwissenschaft

In memoriam Paul Stefanek

I

Das Institut für Theaterwissenschaft in Wien, wie ich es Ende der siebziger Jahre kennenlernte, erfüllte nicht nur allgemein die Kriterien einer postnazistischen Anstalt. Der familiäre Charakter, der hier den Ton angab; die unabwendbare Nähe und Vertrautheit im Umgang, noch in der Intrige und im Hass — all das stellt sich retrospektiv als minutiös ausgeführtes Abbild einer Nation dar, die zunächst wesentlich in der Fähigkeit bestand, „sich klein“ zu machen (Jean Améry) [1], um nach dem nazistischen Größenwahn als „erstes Opfer“ Hitlerdeutschlands durchzugehen. Das brachte die Bürger einander näher, näher etwa als in Westdeutschland, so nahe, dass jede bürgerliche Distanz in den öffentlichen Beziehungen zuschanden gehen konnte. Die Enge, die einen geistig fast ersticken ließ, lag demnach sowenig an der geographischen Kleinheit des Landes wie die Atmosphäre am Institut an den eigenartig angelegten Räumlichkeiten in der Hofburg, die aber dafür wie geschaffen sind. Sie resultierte aus dem Verhältnis zu den gemeinschaftlich begangenen Verbrechen, dessen singuläre Verlogenheit nur Karl Kraus ahnen konnte: „Mit einem frohgemuten ,Wir kennen uns ja eh’ stellen sich die Wiener Persönlichkeiten vor, und es braucht lange Zeit, bis es unsereinem gelingt, sie verkennen zu lernen.“ [2] Dieses „eh“ baute die Kultur wieder auf und schrieb Wissenschaftsgeschichte: „Es mag an der Wesensart der Österreicher liegen“, erläuterte frohgemut Heinz Kindermann 1961, „an ihrer sehr beweglichen, leicht anpassungsfähigen Art, das Leben zu meistern und sich selbst zu inszenieren, dass sie sich der Kunstform des Theaters näher wissen als viele anderen Völker, auch näher als viele andere Angehörige des deutschen Sprachgebietes.“ [3]

In bestimmter Hinsicht aber war das Institut des anpassungsfähigsten aller Professoren von Anfang an als postnazistisches konzipiert worden. Kindermann hatte bei seiner Gründung die gesamteuropäische „völkerverbindende“ Orientierung der Forschung betont — als „Beitrag zum Werden des neuen Europas“ [4]: sie entsprach genau der völkerverbindenden, gesamteuropäischen Endlösung der Judenfrage. Carl Schmitt schrieb auch schon 1939 von der „großen politischen Idee, der Achtung jedes Volkes als einer durch Art und Ursprung, Blut und Boden bestimmten Lebenswirklichkeit“ [5], und diese Lebenswirklichkeit, die den europäischen „Völkern“ zugestanden wurde, war nur ein anderes Wort für die Vernichtung, die auf ein einziges Volk — das „Gegenvolk“, den „Völkerfeind“, „die jüdische Gegenrasse“ (Alfred Rosenberg) [6] — zielte, so wie der nationalsozialistische Rassismus letztlich die einzelnen „Völker“ jeweils einstufte nach ihrer Bereitschaft und Fähigkeit, zu dieser Vernichtung beizutragen. Völkerverbindung im Namen der Ausrottung der Juden: darauf beruhte auf internationaler Ebene die nationalsozialistische Politik — und wurde zum unabgegoltenen Erbe einer Europäischen Union, der Hisbollah-Führer als Verhandlungspartner gelten.

Die Arbeiten zur Theatergeschichte Europas, die Kindermann dann Ruhm und Anerkennung brachte und die noch nach seiner Emeritierung als Pflichtlektüre galt, begannen zu dieser Zeit der Institutsgründung. Was immer auch der postnazistischen Gesellschaft Wohlstand und Kultur einbringen konnte, es beruhte auf den Resultaten des Massenmords an den Juden. Als „sekundäre Volksgemeinschaft“ [7] kann sie aber begriffen werden, insofern sie aus diesem einzigartigen politischen Verbrechen auch ihre ideologische Einheit gewonnen hat und es gleichwohl nur auf ,verschobene‘ Weise zur Sprache bringen durfte. Das vielzitierte Verschweigen war demnach von Anbeginn sehr geschwätzig, Adorno nannte die erste Ausprägung davon den Jargon der Eigentlichkeit, [8] und in der besonders ausgeprägten postnazistischen Anstalt in Wien wurde er auch besonders ausdauernd gesprochen, noch lange, nachdem er in Westdeutschland desavouiert war.

So war die Sprache das Schrecklichste, wenn man an diesem Institut zu studieren begann: sie bewahrte dessen Ursprung auf und verdeckte ihn zugleich. Dazu gehörte nicht zuletzt der antikapitalistische Wahn, der ständig nach Verkörperung und Personifizierung aller als negativ empfundenen Erscheinungen der bürgerlichen Gesellschaft strebt. Nur durfte eben jetzt vom Juden „in seiner ganzen böswilligen Freundlichkeit, seinem berechnenden Geiz und seiner unterwürfigen Niedrigkeit“ (Margret Dietrich 1944) [9] nicht mehr die Rede sein, und darum waren es „Dämonen“, die einen verfolgten und die es abzuwehren galt, sie können „die Namen Diktatur, Wirtschaftswunder, das Nichts, Einsamkeit, Ohnmacht oder götterloser Himmel tragen“; Aufgabe des Theaters aber sei, „uns hinterher aufatmen [zu] lassen, damit wir mit befreiter Brust das Joch der Dämonen wieder auf die Schultern nehmen können; dann werden wir von ihnen nicht erwürgt.“ (Margret Dietrich 1963) [10] Hier ist dieser postnazistische Jargon auf den Punkt gebracht: man kann den Juden Auschwitz nicht verzeihen, aber weil man nicht wagt, das auszusprechen, wie sollte man es auch begründen, werden die „Dämonen“ herbeibeschworen.

II

Mit der Broschüre Theater-Wissenschaft und Faschismus haben Monika Meier, Peter Roessler und ich 1982 den Versuch unternommen, die Ursprünge dieser Sprache freizulegen. Allerdings erlagen wir dabei in mancher Hinsicht der Suggestion eines anderen Jargons, den man mit Jean Améry den Jargon der Dialektik [11] nennen könnte.

Die Kritik Amérys traf im Kern nicht die Sprache Adornos, die sie zitiert, sondern die ihrer Adepten, die sie verballhornten. Denn was Améry hier wesentlich als Jargon galt, war ein neues geschwätziges Schweigen über die Täter, Mitläufer und Zuschauer der politischen Verbrechen; dass eine missratene Dialektik die Unterschiede zwischen Opfern und Tätern verwische, indem sie immer nur vom Ganzen als dem Unwahren schwadroniere. Und die Rezeption von Adornos Texten ging wirklich in diese Richtung. Die inneren Widersprüche der kritischen Theorie zur Sprache zu bringen, hatte kaum jemand Interesse oder Mut — und so entstand aus ihr ein Jargon, den auch schnoddrige Spiegel-Redakteure und dümmliche Universitätsdozenten spielend handhaben konnten.

Aber zum Glück gab es auch die Seminare und Vorlesungen von Paul Stefanek. Er war zu dieser Zeit vielleicht überhaupt der einzige in Wien, der die kritische Theorie in der Reflexion ihrer eigenen Widersprüche vermitteln konnte (und woanders war die Situation kaum besser, auch nicht in Westberlin, wie ich erfahren musste). Wie merkwürdig eigentlich, dass er Theaterwissenschaft lehrte. Nicht zufällig war Stefanek auch der einzige, der am Institut mit der Ordinaria Dietrich in einen offenen Konflikt trat, so dass er nicht mehr ins postnazistische Gefolge passte, dem Birbaumer, Greisenegger, Haider-Pregler weiterhin zugehörten. Da war plötzlich eine andere Sprache, eine, die Adorno vom Jargon seiner Nachahmer befreite und zugleich die Möglichkeiten in Erinnerung rief, die in den Schriften Peter Szondis, Walter Benjamins und des jungen Georg Lukács dem Denken und Urteilen eröffnet werden: kritische Reflexion der Begriffe, womit sich allein der Zusammenhang der Gesellschaft darstellen ließ, ohne ihm unterschiedslos alles zu subsumieren. Es verhielt sich also nicht so, dass es bei Stefanek den Schwerpunkt Nationalsozialismus gegeben hätte; es war nur die Art seiner Ausführungen und der Diskussionen, in die man mit ihm geraten konnte, die es geradezu unmöglich machte, sich nicht die Frage zu stellen, woher das wahnhafte herrschende Bewusstsein und die falsche Einheit der Gesellschaft kamen.

Wir standen damals aber auch (darauf hat Peter Roessler in der Diskussion am Institut am 16.06.2008 aufmerksam gemacht) unter dem Einfluss marxistisch-leninistischer Faschismustheorien, deren Sinn hauptsächlich darin lag, Abwehr und Verdrängung zu vollenden, die letzten Schlupfwinkel des Denkens zu verstopfen, die der Jargon noch ließ. Obwohl in Theater-Wissenschaft und Faschismus mehr als eine Ahnung spürbar ist von der fundamentalen Bedeutung des Antisemitismus für den Nationalsozialismus und sein Fortwirken, wird schließlich vieles, was hier erhellt werden konnte, wieder verdorben durch jene inferiore Argumentation, die sich auch auf der Rückseite des Covers unserer Broschüre niedergeschlagen hat: die berühmte Fotomontage von John Heartfield, die Hitler als kleinen Mann zeigt, der vom großen Mann des Großkapitals, der hinter ihm steht, Geldscheine in die zum Führergruß erhobene Hand gedrückt bekommt: „Millionen stehen hinter mir“ heißt es dazu. Von den Millionen des Kapitals wurde immer nur gesprochen, um die Millionen der Täter, Mitläufer und Zuschauer zum Verschwinden zu bringen.

Es war nun wiederum nicht so, dass Paul Stefanek uns gerade in dieser Frage kritisiert und uns die wirklichen Verhältnisse nationalsozialistischer Herrschaft und ihrer Nachfolgegesellschaft bewusst gemacht hätte. Vielmehr waren wir es, die ihn mit konkreten Fragen dazu konfrontierten und durch unsere Obsession, was dieses Thema betraf, lösten wir wohl auch etwas bei ihm aus. [12] Aber er wusste, dass sich in der Form der Ableitung und des Urteilens, wie wir sie praktizierten, eine dunkle Stelle befand. Und er hat das Beste getan, was möglich war, uns aus diesem Bannkreis zu befreien. Als er, durchaus gegen den allgemein herrschenden Geist des Instituts gewandt, zusammen mit der damaligen Basisgruppe ein Tutorium aufbaute, schenkte er allen Tutorinnen und Tutoren ein Exemplar von Adornos Minima moralia. Hier findet sich an zentraler Stelle — und im Zusammenhang mit Benjamin — die „Nötigung“ festgehalten, „dialektisch zugleich und undialektisch zu denken“, [13] und nach und nach ging mir auf, dass es nur durch diese Nötigung hindurch möglich ist, über den Nationalsozialismus zu sprechen, ohne die Täter zu exkulpieren und die Opfer zu verraten.

III

Heute aber wird der Jargon der Narrative gesprochen. Er entspricht exakt der neuen Konstellation im Postnazismus. Ratifiziert wird durch ihn, dass die Konflikte ausgeblieben sind, die „Aufarbeitung der Vergangenheit“ zu spät gekommen ist: zu spät, nicht nur, um noch die Generation der Nationalsozialisten zu treffen, die ist längst abgetreten, sondern eben dadurch die einzige Subversion zu initiieren, die der postnazistischen Gesellschaft in ihrem Innersten angemessen wäre.

Wird dieses Zu spät nicht reflektiert, reflektierend in die Aufarbeitung selbst mit hereingenommen, bleibt es bei einer neuen Variante des Verschweigens. Geschwätzig verschwiegen wird dann, dass der Augenblick des Urteils versäumt worden ist. „Hitler, Himmler, Heydrich, Kaltenbrunner, das werden Namen sein wie Napoleon, Fouché, Robespierre und Saint Just“, schrieb Améry 1966 über diese Zukunft: „Was 1933 bis 1945 in Deutschland geschah, so wird man lehren und sagen, hätte sich unter ähnlichen Voraussetzungen überall ereignen können ...“ [14] Wäre da nicht die bloße Existenz des jüdischen Staats, der aus dem frühen Postnazismus herüberreicht in die Gegenwart, alle Konflikte könnten auf diese Weise entsorgt werden und die Vergangenheit wäre endgültig vergangen und kein brennendes Problem der politischen Urteilskraft mehr. Aber an diesem Staat, dem „Juden unter den Staaten“ (Léon Poliakov), der die Antisemiten hindert, das Werk des Nationalsozialismus zu vollenden, und seinen Gegnern, die sich auf ihren „Antirassismus“ viel zugute halten, wird unmissverständlich sichtbar, dass sie nicht vergehen kann, so wie der Antisemitismus immer wieder neu der bürgerlichen Gesellschaft entspringt. Und ein Institut, das ernsthaft, im Sinn nämlich von Adorno und Améry, also nicht als Narrativ, seine Vergangenheit ,aufarbeiten‘ möchte, müsste zugleich eine Lehrveranstaltung anbieten etwa mit dem Thema: „Neuer Antisemitismus auf dem Theater und im Film: von Rainer Werner Fassbinder bis zu Paradise Now“ oder auch ein Projekt initiieren zu den „Abgründen des Philosemitismus in der Rezeption Thomas Bernhards“.

Dass die Vergangenheit endgültig vergangen, das Versäumte kein brennendes Problem der Urteilskraft mehr wäre, darauf jedoch beruht geradezu ein Wissenschaftsbegriff, der den Jargon wechselt, um sich selbst nicht zum Gegenstand zu werden, seine eigenen Voraussetzungen nicht zu reflektieren. Hatte die Broschüre Theater-Wissenschaft und Faschismus die Frage der Kontinuität zwar falsch beantwortet, aber als den springenden Punkt der Gegenwart immerhin noch aufgeworfen und damit das Versäumte zum Kriterium der eigenen Urteilskraft gemacht, erscheint sie in dem Ausstellungskatalog „Wissenschaft nach der Mode“? schon als ein Thema aus einer anderen, abgeschlossenen Epoche — und eben darin ist man selber integrierter Teil dieser Kontinuität geworden. Peter Roessler sieht dabei (in seinem Interviewbeitrag für den Katalog) durchaus das Problematische, das im neutralen Referieren von Daten und Dokumenten der NS-Zeit liegt: „Die NS-Schriftstücke“ seien davon geprägt, dass vieles gar nicht ausgesprochen wird. So bleibt beim nachträglichen Referieren der Dokumente heute ihr tieferer Zusammenhang mit den Verbrechen oft ausgeblendet (…).“ [15] Die Daten und Dokumente des Postnazismus sind aber nicht minder davon geprägt, dass vieles gar nicht ausgesprochen wird; und ihr anders gelagerter Zusammenhang mit den Verbrechen erforderte erst recht, jeder „Abgeklärtheit“ entgegenzutreten. Hier genau liegen die Grenzen der Aufarbeitung, die in der Ausstellung und dem Katalog insgesamt geboten wird. Und deren Gestalterinnen Birgit Peter und Martina Cuba suggerieren schließlich in ihrer Stellungnahme zur Podiumsdiskussion vom 07.05.2008 im Audi Max der Universität Wien, das Versäumte sei überhaupt eine Frage der Kommunikation, worin anscheinend die verschiedenen Narrative in Gestalt von unterschiedlichen Persönlichkeiten sich endlich austauschen sollen: „Dem Vorwurf einer ,Auseinandersetzung nach der Mode‘ wollen wir eine gewissenhafte, seriöse, kritische Auseinandersetzung mit dem ,Eigenen‘ entgegenstellen. Dazu gehört unserer Meinung nach eben diese verschiedenen Generationen zu Wort kommen zu lassen, um überhaupt eine öffentliche Diskussion um NS-Vergangenheit und Strategien bzw. Strukturen des Nicht-Sprechens nach 1945 führen zu können. Dass eine Podiumsdiskussion keine hinreichende Antwort oder Erklärung solch komplexer gesellschaftlicher und politisch-ideologischer Vorgänge geben kann erscheint uns nicht verwunderlich. Ein solches Forum kann aber leisten, dass gesprochen wird. Außerdem war es uns wichtig, auf dieses Podium so unterschiedliche Persönlichkeiten und deren Zugänge zum Thema NS-Aufarbeitung einzuladen, wie sie durch: Gernot Heiss, Hilde Haider-Pregler, Oliver Rathkolb, Wolfgang Greisenegger, Veronika Zangl und Peter Roessler repräsentiert wurden. Diese Diskussion war die erste öffentliche zum Thema NS-Gründung des Instituts. Sichtbar wurde der große Diskussions- und Forschungsbedarf. Deshalb begrüßten wir auch sehr, dass die Basisgruppe die Diskussion weiterführen wollte, kritisieren aber die Polemik gegen Vertreter einer anderen Generation. Da uns Polemik nicht als angemessenes wissenschaftliches Instrumentarium zur Erforschung gesellschafts- und wissenschaftspolitischer Konstellationen im postnazistischen Österreich erscheint.“ [16] Wenn eine „öffentliche Diskussion“ so verstanden wird, dass keine „Polemik gegen die Vertreter einer anderen Generation“ geäußert werden soll, ist das keine öffentliche Diskussion, sondern ein österreichischer Mittagstisch, wo leider auch viel gesprochen wird und leider auch von unterschiedlichen Persönlichkeiten.

„Wissenschaft nach der Mode“? Es genügt keineswegs, von Walter Benjamin den Titel zu entlehnen. Der letzte Satz seiner Kindermann-Rezension lautet: „Und wie wäre sie möglich, jene neue Jugend, ohne diese modernen, flotten, wissenschaftlichen Prospekte, in denen die Urteilslosigkeit abwägend, die Oberflächlichkeit gründlich, die Instinktlosigkeit temperamentvoll zu Worte kommt!“ [17] Wenn so einmal gegen die pränazistische Wissenschaft polemisiert worden ist, dann braucht es heute, angesichts ihrer postnazistischen Fortsetzung, nicht weniger von solcher „Humanität, die sich an der Zerstörung bewährt“ [18]: Polemik erweist sich in bestimmten Konstellationen als das einzig angemessene wissenschaftliche Instrumentarium; sie vermag die familiäre Eintracht der Nation zu zerstören, den Konsens, der die Generationen verbindet. Sie schafft überhaupt erst die Distanz, und damit die Bedingung der Möglichkeit, zu differenzieren und die Konstellationen im postnazistischen Österreich in ihrer ganzen Komplexität darzustellen. Sie ist gegen die Vertreter welcher Generation auch immer zu führen, soweit sie sich an der jeweiligen Mode des Vergessens beteiligten und beteiligen.

erschienen in: Theaterwissenschaft und Postnazismus. Reader. Redaktion: Stefanie Elias, Sarah Kanawin, Tom Ogrisegg, Sara Vorwalder, Florian Wagner. Wien 2009

[1Jean Améry: Aspekte des Österreichischen. In: ders.: Aufsätze zur Politik und Zeitgeschichte. Werke Bd. 7. Hg. v. Stephan Steiner. Stuttgart 2005. S. 562.

[2Karl Kraus: Aphorismen. In: ders.: Schriften. Hg. v. Christian Wagenknecht. Bd. 8. Frankfurt am Main 1986, S. 198.

[3Heinz Kindermann: Theaterland Österreich. In: Maske und Kothurn 7. Jg., 1961, S. 2.

[4Heinz Kindermann: Lebendige Theaterwissenschaft. In: Deutsche Dramaturgie 2. Jg., 1943, H. 11/12, S. 186ff. Ders.: Die europäische Sendung des deutschen Theaters. Wien 1944, S 54.

[5Carl Schmitt: Der Reichsbegriff im Völkerrecht. In: ders.: Positionen und Begriffe im Kampf mit Weimar — Genf — Versailles 1923-1939. 3. Aufl. Berlin 1994, S. 354.

[6Alfred Rosenberg: Der Mythus des 20. Jahrhunderts. 7. Aufl. München 1942, S. 462 u. 675.

[7Vgl. dazu Gerhard Scheit: Die Meister der Krise. Über den Zusammenhang von Vernichtung und Volkswohlstand. Freiburg 2001, S. 93ff.

[8Theodor W. Adorno: Jargon der Eigentlichkeit. In: ders.: Gesammelte Schriften. Hg. v. Rolf Tiedemann. Frankfurt am Main 1997, Bd. 6

[9Margret Dietrich: Wandel der Gebärde auf dem deutschen Theater vom 15. bis zum 17. Jahrhundert. Wien 1944, S. 138

[10Margret Dietrich: Bildungstheater und Affekttheater. In: Maske und Kothurn 9. Jg., 1963, S. 314

[11Jean Améry: Jargon der Dialektik. In: ders.: Aufsätze zur Philosophie. Werke Bd. 6. Hg. v. Gerhard Scheit. Stuttgart 2004, S. 265ff.

[12Vgl. dazu Paul Stefaneks Vorwort zum Wespennest-Heft Nr. 56, 1984 („Theater und Faschismus“), S. 2

[13Theodor W. Adorno: Minima Moralia. In: ders: Gesammelte Schriften, Bd. 4, S. 173

[14Jean Améry: Jenseits von Schuld und Sühne. In: ders.: Werke Bd. 2. Hg. v. Gerhard Scheit. Stuttgart 2002, S. 145f.

[15Theaterwissenschaft und Faschismus — eine Spurensuche. In: „Wissenschaft nach der Mode“? Hg. v. Birgit Peter u. Martina Payr. Wien 2008, S. 225

[16Birgit Peter, Martina Cuba: Der heutige Umgang mit der „eigenen“ Geschichte am Institut für TFM. http://tfm.univie.ac.at/veranstaltungen/ (29.11.2008)

[17Walter Benjamin: Wissenschaft nach der Mode. In: ders.: Gesammelte Schriften. Hg. v. Rolf Tiedemann u. Hermann Schweppenhäuser. Frankfurt am Main 1980, Bd. III, S. 302

[18Walter Benjamin: Karl Kraus. In: ders.: Gesammelte Schriften, Bd. II, S. 367

Eine Nachricht, ein Kommentar?
Vorgeschaltete Moderation

Dieses Forum ist moderiert. Ihr Beitrag erscheint erst nach Freischaltung durch einen Administrator der Website.

Wer sind Sie?
Ihr Beitrag

Um einen Absatz einzufügen, lassen Sie einfach eine Zeile frei.

Hyperlink

(Wenn sich Ihr Beitrag auf einen Artikel im Internet oder auf eine Seite mit Zusatzinformationen bezieht, geben Sie hier bitte den Titel der Seite und ihre Adresse bzw. URL an.)

Theaterwissenschaft ist die wissenschaftliche Beschäftigung mit theatralen Phänomenen von der Antike bis zur Gegenwart. Dabei werden sowohl Autoren und Werke als auch Ereignisse (Theateraufführungen) behandelt. Die Theaterwissenschaft überschneidet sich unter anderem mit der Literatur- und der Medienwissenschaft.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Theaterwissenschaft als eigenständige universitäre Disziplin ist vergleichsweise jung. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts ist sie aus der Germanistik hervorgegangen. Ihre ersten akademischen Vertreter waren Max Herrmann, der seit 1900 in Berlin, und Artur Kutscher, der seit 1909 in München theaterwissenschaftliche Vorlesungen hielt. 1923 wurde an der Friedrich-Wilhelms-Universität in Berlin (heute: Humboldt-Universität) das Theaterwissenschaftliche Institut gegründet, womit sich die Trennung von der Germanistik auch institutionell vollzogen hatte.

Mit der zwanghaften Negativbindung an die Germanistik (so der Theaterwissenschaftler und Dramatiker Jürgen Hofmann) hat die Theaterwissenschaft in Inhalt und Methode bis heute zu kämpfen, da sich das Theater als kulturelles (und gesellschaftliches) Phänomen substanziell vom bloßen Drama (als nur ein Bestandteil des theatralen Ereignisses, und in archaischen oder modernen Formen nicht einmal das) unterscheidet. Da das geschriebene Drama dem wissenschaftlichen Zugriff (der Analyse) am einfachsten – und zwar über die Jahrhunderte hinweg – zugänglich ist, wird auch heute noch vielfach Theaterwissenschaft als Literaturwissenschaft (Dramenanalyse) betrieben. Schon Lessing dagegen spricht von der Theateraufführung zu Recht als einem transitorischen Kunstwerk, also einem Kunstwerk, das im Moment seiner Vollendung auch schon verschwunden und so nicht mehr herstellbar ist. Theaterwissenschaft, verstanden als Wissenschaft, die Ereignisse – also Aufführungen – analysiert und interpretiert, wird heute vielfach und zunehmend prominent.

Die Theaterwissenschaft lässt sich grob in Theatergeschichte, Theater-/Dramentheorie/Dramaturgie/Ästhetik und gegebenenfalls praktische Übungen gliedern. Ein Teilbereich ist die Theaterpädagogik bzw. Theatertherapie, die mit der Vermittlung von Theater-Methoden, aber auch dem Einsatz des Theaters in der Bildungsarbeit und in der Gesellschaft befasst ist.

Heute beschäftigt sich die Theaterwissenschaft zunehmend über das Theater hinaus mit Medien wie Film, Fernsehen, Hörfunk und Internet.

Beruflicher Stellenwert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Theaterwissenschaftler kann – in der Regel nach einem Master-, Diplomabschluss oder erfolgreicher Promotion – als Regisseur, Dramaturg oder Intendant am Theater oder an vergleichbaren Institutionen arbeiten. Zwar sind theaterwissenschaftliche Kenntnisse für einen Regisseur oder Dramaturgen von Vorteil, jedoch sind sie keine Voraussetzung für diese Tätigkeiten. Bei der Theaterwissenschaft handelt es sich als einer geisteswissenschaftliche Disziplin tatsächlich um die Wissenschaft (dies impliziert Veri- und Falsifizierbarkeit aller Behauptungen nach bestimmten Beweisregeln) vom Theater (siehe auch Theaterforschung); sie bietet keine standardisierte Ausbildung für den späteren Theaterpraktiker als Regisseur, Dramaturg oder Schauspieler, auch wenn praktische Übungen durchaus Bestandteil des Studiums sein können.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hans Knudsen: Theaterwissenschaft. Werden und Wertung einer Universitätsdisziplin. Christian-Verlag, Berlin 1950.
  • Christopher Balme: Einführung in die Theaterwissenschaft. Erich Schmidt: Berlin 2003, ISBN 3-503-04984-3
  • Katharina Keim, Peter M. Boenisch, Robert Braunmüller (Hrsg.): Theater ohne Grenzen. Herbert Utz Verlag, München 2003, ISBN 3-8316-0237-9 (48 Beiträge internationaler Theaterwissenschaftler: guter Überblick zum Stand der Forschung.)
  • Andreas Kotte: Theaterwissenschaft. Eine Einführung. Böhlau, Köln 2005, ISBN 3-8252-2665-4.
  • Hans-Christian von Herrmann: Das Archiv der Bühne. Eine Archäologie des Theaters und seiner Wissenschaft. Fink, München 2005, ISBN 3-7705-3980-X.
  • Renate Möhrmann: Theaterwissenschaft. Eine Einführung. Reimer, Berlin 1991, ISBN 3-496-00998-5
  • Jörg v. Brincken u. Andreas Englhart: Einführung in die moderne Theaterwissenschaft. WBG, Darmstadt 2008, ISBN 3-534-19099-8
  • Erika Fischer-Lichte: Theaterwissenschaft. Eine Einführung in die Grundlagen des Fachs. UTB, A.Francke: Stuttgart 2009, ISBN 3-8252-3103-8.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wiktionary: Theaterwissenschaft – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen