FORVM, No. 215/I/II
November
1971

EWG-Kapitalismus

I. „Europasehnsucht“ des Kapitals

Das Schlagwort „Europäische Einigung“ war in den ersten Nachkriegsjahren — als es einen Vorwand gegen die sozialistische Veränderung der Gesellschaft bildete — einerseits Ideal politischer Illusionisten, anderseits Deckmantel handgreiflicher materieller Interessen. Der Traum einer politischen Föderation Europas als Gegenpol zu den Giganten USA und Sowjetunion ist zu Ende. Sein ideologischer Gehalt wurde allerdings in die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft eingebracht — als Verzierung. Für die Gründung der EWG waren politische und wirtschaftliche Absichten ausschlaggebend: in politischer Hinsicht stellt der Gemeinsame Markt einen Wall gegen den Ostblock dar, in wirtschaftlicher konkurriert er mit der Dominanz der USA im „Weltwirtschaftssystem“ des Westens.

Die geringe Ausdehnung der europäischen Staaten verstärkt den Grundwiderspruch des entwickelten Kapitalismus zwischen Arbeits- und Marktökonomie: die Rentabilität weitgehend automatisierter Produktionsanlagen hängt unmittelbar mit optimaler Kapazitätsauslastung zusammen; sie ist nur aufrechtzuerhalten, wenn entsprechende Absatzmärkte vorhanden sind. Das ist unter echten Konkurrenzbedingungen auf nationalen und internationalen Märkten nicht der Fall. Die Technologie der Produktion kann sich nicht frei entfalten, ihre Möglichkeiten können nicht voll ausgeschöpft werden, weil dies zu einem Überangebot führen würde. Diese Tendenz tritt in den kleinen europäischen Nationalstaaten verschärft zu Tage. Mit der Gründung der EWG ist es gelungen, der zur Monopolisierung tendierenden kapitalistischen Wirtschaft die notwendigen Voraussetzungen zu ihrer Entfaltung zu bieten: großräumiger Markt und Konzentration der Ressourcen.

Dieses Modell hat sich für das Großkapital der sechs Mitgliedstaaten so effizient erwiesen — Wachstumsraten und Konzentrationsbewegungen bestätigen es —, daß für die übrigen europäischen Staaten der Weg nach Europa auf den Beitritt zur EWG verkürzt erscheint, die seit Lenau anhaltende Europamüdigkeit ist der „Europasehnsucht“ gewichen; das heißt: das nationale Kapital jener Länder, die nicht Mitglied des Gemeinsamen Marktes sind, ist zu seiner Entfaltung auf einen engeren Kontakt mit der Wirtschaftsgmeinschaft angewiesen. Auch in Österreich lautete die Parole statt „Heim ins Reich“: Hinein in die EWG.

II. Eine EWG der USA

Zwar ging der Entschluß Frankreichs, Italiens, Westdeutschlands und der Beneluxstaaten, einen „Gemeinsamen Markt“ zu bilden, auf den Wunsch zurück, der amerikanischen Wirtschaftsübermacht gewachsen zu sein, doch wurde dieses Ziel nur halb erreicht. Die in den römischen Verträgen formulierten Grundsätze und Zielrichtung des „Gemeinsamen Marktes“ sind keine Alternative zur kapitalistischen Wirtschaft, sondern bloß vom Geist einer Stärkung der europäischen Herrschaftsverhältnisse erfüllt: die Konkurrenz zwischen Europa und den USA wird nach den Spielregeln der letzteren ausgetragen. Die Beseitigung sämtlicher Zoll- und Handelsschranken sowie die Koordination der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik der sechs Mitgliedstaaten in der ersten Periode des EWG-Aufbaues haben diesen Wirtschaftsraum zum einheitlichen Operationsfeld des aggressiven Kapitals auf übernationaler Ebene gemacht, aber gleichzeitig auch direkte und indirekte Investitionen aus den USA nur umso mehr angezogen:

Die EWG-Kommission hat für die Jahre 1962-68 die Gesamtzahl der transnationalen Fusionen, Beteiligungen oder Gründungen von gemeinsamen Tochtergesellschaften auf über 3000 geschätzt, davon fast ⅔ mit Partnern außerhalb der EWG, von denen man annehmen kann — der Kommissionsbericht gibt darüber keinen Aufschluß —, daß ein erheblicher Teil amerikanische oder von amerikanischem Management und Kapital kontrollierte Unternehmen sind.

III. Währungsunion

Für die siebziger Jahre ist der Ausbau der EWG zur Wirtschafts- und Währungsunion geplant; wenn auch die strukturelle Währungskrise der westlichen Welt einen Schlagschatten auf dieses Projekt wirft, so muß dennoch damit gerechnet werden, daß die an dieser Entwicklung interessierten Monopole ihre Bedürfnisse durchsetzen werden. Für sie bietet die Konstruktion der Wirtschafts- und Währungsunion im Gemeinsamen Markt den Vorteil noch besserer Kapitalverwertung und die Sicherheit, unberechenbare Züge nationaler Wirtschafts-, Finanz- und Konjunkturpolitik in ihrem Kalkül nicht mehr berücksichtigen zu müssen.

Die aggressiven Unternehmungen, die schon bisher das Tempo der transnationalen Verflechtung und den Vorrang transnationaler Marktstrategien bestimmt haben, werden durch die WWU noch mehr in den Vorteil gebracht — gegenüber sowohl den anderen Branchen und Konkurrenten (notleidende Industrien wie Textil und Kohle; die „zu kleinen“ und zu wenig aggressiven Unternehmungen) als auch gegenüber dem sozialen Kontrahenten (Gewerkschaften und sonstige „Arbeitervertreter“) wie auch schließlich gegenüber den politischen Vermittlungsinstanzen (Parteien, öffentliche Meinung, Regierung).

(Heinz Kuby, Rückwirkungen der Wirtschaftsunion auf die politischen und gesellschaftlichen Machtstrukturen in Westeuropa, Arbeitskreis europäische Integration 1970, p. 2a)

Die Veräußerung der Möglichkeiten nationalstaatlicher Einflußnahme auf die Wirtschaft kommt einem gesamten Ausverkauf des Nationalstaates gleich: er begibt sich damit jedes Vehikels unmittelbarer Gesellschaftspolitik und regrediert auf den Status einer größeren Sozialversicherungsanstalt: was der ungezügelte, politisch nicht mehr kontrollierte Kapitalismus anrichtet an Ungleichheit und relativer Verlendung, dürfen die nationalen Regierungen mittels sozialer Hilfsprogramme verpflastern.

Wenn die Nationalstaaten ihre wirksamsten Steuerungsmechanismen auf die EWG übertragen, muß das politische Leben und die gesellschaftliche Entwicklung der betroffenen Länder stagnieren. Die Dialektik zwischen wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Bewegung zerreißt: da die eine im transnationalen, die andere im nationalen Rahmen verläuft, werden sie voneinander getrennt. Ebenso wird der Antagonismus zwischen Produzenten und Aneignern des Mehrwertes einseitig überwunden: der im nationalen Maßstab gesamtgesellschaftlich erarbeitete Mehrwert fällt transnational operierenden und daher von den Arbeitern überhaupt nicht mehr zu kontrollierenden Kapitalgesellschaften zu. Der Besitz an den Produktionsmitteln wird internationalisiert und von der nationalen Ebene aus unantastbar.

Dieser Entwicklung entsprechend bleibt die Sozial- und Gesellschaftspolitik sowohl der EWG als auch ihrer Mitgliedstaaten weit hinter der Wirtschaftspolitik zurück. Die Koordinierung der Arbeitspolitik in der EWG hat bloß die Aufgabe, die Verfügbarkeit der Arbeitskraft zu sichern. Ihre Emanzipation steht nicht zur Diskussion, soweit nicht systemstabilisierende Maßnahmen notwendig sind. Durch die Arbeitsteilung zwischen den nationalen Regierungen und der EWG: dort Sozial-, hier Wirtschaftspolitik — die in den nächsten Jahren perfekt gemacht werden soll, wird die Internationalisierung des Besitzes an den Produktionsmitteln verstärkt unterstützt, ohne daß politische Kontrollinstanzen wie Regierungen und Gewerkschaften eine ähnliche Entwicklung durchmachen (vgl. insbes.
die drei NF-Absätze von Heinz Kuby über die EWG: Aug/Sept., Anf. Okt., Dez. 1970).

Die Dominanz außereuropäischen Kapitals stellt eine zusätzliche Gefahrenquelle dar: „Ein europäisches Unternehmen, dessen wirtschaftliche Machtbasis in den USA liegt und dessen Entscheidungen vorwiegend dort getroffen werden, verändert nicht bloß die Konkurrenzsituation, es verändert auch die politischen Machtverhältnisse in der Gemeinschaft“ (Heinz Kuby, NF Aug/Sept. 1970, S. 822).

Hat sich einmal der Nationalstaat seiner wirtschaftlichen Verfügungsgewalt begeben und nicht gleichzeitig auch für eine wirkungsvolle politische Kontrolle in der übergeordneten Organisationseinheit gesorgt, so sind politische Veränderungen im nationalen Rahmen mit Rücksicht auf den Einfluß der transnational abgesicherten Herrschaftsklasse praktisch ausgeschlossen: sobald die Integration der EWG zur Wirtschafts- und Währungsunion durchgesetzt ist, wird sie sich ausschließlich an der Effizienz der kapitalistischen Wirtschaft orientieren und damit gesellschaftspolitische Entwicklungen und Veränderungen behindern. Das einheitliche Steuer- und Wirtschaftssystem des Gemeinsamen Marktes wird es mit sich bringen, daß auch bloß an höherer sozialer Gerechtigkeit orientierte linksgerichtete Regierungen beim Versuch einer fiskalischen Umverteilung der Einkommen scheitern müssen.

Die parlamentarische Demokratie in Europa würde unter solchen Voraussetzungen vollends zur Konvergenz mit dem amerikanischen System tendieren, wo sich Demokraten und Republikaner nur dem Namen nach unterscheiden. Durch die Möglichkeit der transnational operierenden Unternehmen, sich jederzeit aus einem nationalen Wirtschaftsraum zurückzuziehen, wäre überdies jeder nationale Versuch einer sozialistischen Veränderung der Gesellschaft ausgeschlossen.

Die Kluft zwischen der nationalen Organisation der Arbeiter und der trans- bis internationalen der Unternehmer beraubt schließlich auch den Streik als die wirksamste Waffe im Arbeitskampf seiner Schlagkraft. Der durch Arbeitsniederlegungen verursachte Produktionsausfall kann schnell durch die Verlagerung der Erzeugung in ein Werk außerhalb der Streikzone wettgemacht werden (vgl. Heinz Kuby a.a.O.).

IV. Geprellte Arbeitnehmer

Im Vergleich zu den Nicht-Mitgliedern ist die wirtschaftliche Entwicklung der EWG-Länder beachtlich. Die Sechs weisen fortlaufend überdurchschnittliche Raten des Wirtschaftswachstums auf; im EWG-Raum herrscht weitgehend Vollbeschäftigung — allerdings stellt der agrarische Süden Italiens eine industrielle Reservearmee für den gesamten Gemeinsamen Markt. Für den Konsumenten und die strukturelle wirtschaftliche Entwicklung brachte die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hingegen keine echten Vorteile. Die von Wolfgang Wagner für die Periode 1958-1965 getroffenen Feststellungen haben weiterhin Gültigkeit:

Die industrielle Produktion wuchs im Gesamtbereich der EWG von 1958 bis 1965 um 63 Prozent an. Im gleichen Zeitraum stiegen die Ausfuhren der EWG von 15,9 auf 27 Milliarden Dollar an, die Einfuhren von 16,1 auf 28,5 Milliarden. Obwohl die Erleichterung des Handels sich in der Regel für den Verbraucher nicht in niedrigen Preisen bemerkbar machte und andererseits einzelne Wirtschaftszweige in den verschiedenen Ländern durch die Zunahme des Wettbewerbs in Schwierigkeiten gerieten, rief der Erfolg der EWG in allen beteiligten Ländern Genugtuung hervor.

(dtv-Weltgeschichte des 20. Jh., Bd. 14, p. 30)

Wenn also die breite Masse der Konsumenten und die Arbeiter „einzelner Wirtschaftszweige“ von der Gründung der EWG nichts profitierten, so kann diese „Genugtuung“ über den „Erfolg der EWG“ nur die der Unternehmer sein.

Die Prellung der Unselbständigen erfolgt auf zwei Ebenen: am Arbeitsplatz und durch den Konsum.

Der weiträumige Markt der EWG erlaubt rationellere Produktion. Annähernde Auslastung der Kapazitäten verbilligt die hergestellten Produkte um ein Wesentliches. Drückt sich dies aber nicht in den Endverbraucherpreisen aus, haben sich Industrie und Handel Sonderprofite gesichert. Folglich wird der Verbraucher ums Ohr gehauen; er bezahlt für eine billiger produzierte Ware den Preis aus der Zeit vor der Rationalisierung der Produktion.

Die in der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft möglich gewordenen Verbesserungen der Arbeitstechnologie erhöhen gleichzeitig den Wert der Arbeitskraft. Die höheren Löhne in der EWG stellen daher bloß eine Angleichung der Bezahlung des Arbeiters an seine gesteigerte Produktivkraft dar. In den Tarifverhandlungen zwischen Unternehmervertretern und Gewerkschaftsbürokratie geht es ja längst nicht mehr um eine Minderung des privat — vom Besitz an den Produktionsmitteln — angeeigneten Mehrwertes, sondern nur um ein Nachziehverfahren der Bezahlung gegenüber der steigenden Produktivität der Arbeitskraft. Die EWG-Löhne sind bloß relativ höhere Löhne; sie werden durch die absolut höheren Preise für die Mittel zur Reproduktion verzehrt.

Der „Erfolg der EWG“ ist dementsprechend ausschließlich der des Kapitals und seiner verbesserten Verwertungsbedingungen. Der Gemeinsame Markt stellt die Voraussetzung für das europäische Kapital her, an einer Organisation und Orientierung der Produktion festzuhalten, die ausschließlich seinen eigenen Interessen dienen, nicht aber denen der Gesellschaft und der eigentlichen Produzenten (der Arbeiter).

Das Vehikel des modernen Kapitalismus ist das Marketing, welches mit Hilfe von Werbung und Marktforschung die Produktion bestimmt. „Die Marktforschung geht nicht aus auf den gesamtgesellschaftlichen Bedarf (Verkehrswege, Schulen usw.), noch auf die Bedürfnisse des einzelnen, sondern darauf, Reizlücken ausfindig zu machen, die die leichtesten Profitchancen eröffnen und die profitabelste Ausnutzung der bereits unter denselben Gesichtspunkten installierten Produktionskapazitäten“ (Heinz Kuby, NF Aug/Sept., S. 823). Die Perversion der nach privaten Interessen organisierten gesamtgesellschaftlichen Produktion wirkt auf die Situation des Arbeiters zurück; er ist eher dem irrationalen System ausgesetzt, als daß er an ihm teilnimmt.

V. EWG und Österreich

Da es auch die Staaten von „Resteuropa“ unterlassen haben, ihre Produktion auf eine rationalere Basis zu stellen, haben die besseren Möglichkeiten zur Kapitalverwertung in der EWG ein starkes Gefälle zwischen der Sechser-Gemeinschaft und etwa den EFTA-Staaten bewirkt. Das nationale Kapital der Nicht-Mitgliedsländer strebt daher nach Beitritt oder zumindest Assoziierung. Die Aufnahme derartiger Staaten in die EWG muß aber zwangsläufig dazu führen, daß dieses Gefälle — wenn einmal jede Form des Protektionismus weggefallen ist — nicht abgeschwächt, sondern durch die besseren Startbediingungen der Sechs verstärkt wird.

Es ist bezeichnend für die österreichische Neutralitätspolitik, daß man den Staatsvertrag als Vorwand benützt, wenn es um die Agitation gegen die Forderung nach Abschaffung des Bundesheeres geht, im Falle der EWG-Beziehungen aber keine Rücksicht darauf nimmt. Trotz den Einwänden der Sowjetunion bemüht sich die österreichische Regierung bereits seit einem Jahrzehnt fortwährend — allerdings ohne jeden Erfolg im Alleingang — um ein Sonderabkommen mit dem Gemeinsamen Markt.

Weder in der Bundesheer- noch in der EWG-Frage ging der Beschlußfassung eine breite öffentliche Diskussion voraus. Vielmehr wurde die öffentliche Meinung mit Hilfe vorgefertigter Urteile überwölbt. Für das Interesse der Sechs an einer Ausbeutung von Ländern wie Österreich spricht, daß sie über eine Assoziierung der Neutralen erst verhandlungsbereit erscheinen, seit die EWG in ihre zweite Ausbaustufe eingetreten ist und der Beitritt Großbritanniens einigermaßen feststeht. Der Kern der europäischen Wirtschaftsgemeinschaft hat sich so weit konsolidiert, daß eine Konkurrenz neu beigetretener Staaten nicht mehr befürchtet werden muß.

Transnationale Kapitalverflechtung unter starkem amerikanischem Einfluß, Übertragung wirtschaftlicher Lenkungsmechanismen vom Nationalstaat an eine übergeordnete Instanz ohne politische Kontrolle, Beschränkung der politischen Manövrierfähigkeit auf nationaler Ebene, verstärkte Ausbeutung der Arbeitskraft, Intensivierung des Gefälles zwischen relativ reichen und relativ armen Ländern — diese weiter oben diskutierten Probleme berühren Österreich auch dann, wenn es sich der EWG bloß assoziiert. Es ist unvorstellbar, daß sich die Regierung einem einheitlichen Steuersystem der EWG entziehen könnte.

Besondere Probleme bringt das relativ niedrige Preisniveau des Landes am Lebensmittelsektor bei ebenfalls unterdurchschnittlicher Produktivität mit sich: während bei einem wie immer gearteten Anschluß an die EWG ein schlagartiger Preisanstieg die Folge wäre, würde sich die Produktivitätsrate und damit das Lohnniveau nur schrittweise erhöhen. Auch die Ansätze zu einer strukturellen Industrialisierung in bisher unentwickelten Gebieten Österreichs müßten aufgegeben werden. Die Tendenz, daß das Auslandskapital die österreichische Wirtschaft auf die Funktion eines beliebig auswechselbaren Zulieferanten reduziert, würde sich intensivieren. Die desolaten Bildungsverhältnisse, welche jetzt nur behutsam verbessert werden können, kämen unvermittelt zum Tragen.

Jede österreichische Regierung müßte sich darüber im klaren sein, daß bei einer Integration der Wirtschaft in den Gemeinsamen Markt der gute Wille, derartige Schwierigkeiten anzugehen, nicht ausreicht; einmal in die „Sachzwänge“ der EWG verstrickt, verliert sie einen wesentlichen Teil ihrer Entscheidungsfähigkeit.

Gerade ein Land, dessen Lebensstandard hinter dem der vergleichbaren Schweiz um ein Viertel herhinkt, muß es sich genau überlegen, ob es die Konkurrenz mit den führenden Nationen in Europa zu deren oder zu seinen eigenen Bedingungen aufnimmt. Ebenso ist fraglich, ob sich Österreich, dessen Bevölkerung sich vor kurzem deutlich für eine Modernisierung und Humanisierung der Gesellschaft entschieden hat — und darunter ist sicherlich nicht nur die Angleichung an die kapitalistische Entwicklung der westeuropäischen Länder, sondern vor allem auch der Durchbruch zu einer sozial gerechten Gesellschaft zu verstehen —, ob sich Österreich der politisch stabilisierenden und konservierenden Funktion eines EWG-Arrangements aussetzen soll.

Anderseits ist evident, daß die weitgehend mittelständisch-kleinkarierte Wirtschaft des Landes den Fortschritt hemmt. Dies zu beseitigen, ist aber eine Frage nicht so sehr der Integration in den Gemeinsamen Markt, als vielmehr der Entfaltung von Eigendynamik: nachdem das nationale Kapital Österreichs dazu nicht in der Lage ist, muß langfristig an die Vergesellschaftung nicht nur der Produktion, sondern auch der Produktionsmittel gedacht werden.

Nur unter diesen Umständen, indem eine echte Alternative zum Kapitalismus in der Form eines „demokratischen Sozialismus“ geboten wird, hat Österreich und die Sozialdemokratie die Chance, den Durchbruch zu einer sozial gerechten Gesellschaftsform zu schaffen.

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