Kriegsdienstverweigerung & (...)
Beiträge
FORVM, No. 229

Neue Idee: Musterungsverweigerung

Februar
1973

Ich wurde am 10. November 1972 um vier Uhr früh mit Handschellen von der Polizei aus meiner Wohnung abgeführt. Vorerst kam ich in die Wachstube Wien 20., Bäuerlegasse 31-35. Nach Anforderung eines Streifenwagens wurde ich in Begleitung zweier Beamter in das Polizeikommissariat Wien 20., (...)

MOZ, Nummer 41

Lassen Sie sich einsperren!

Mai
1989

Ein monarchistischer Paragraph wird wiederbelebt, um dem Problem der Totalverweigerer, die sowohl den militärischen Wehr- als auch den zivilen Ersatzdienst boykottieren, Herr zu werden. „Gruppe für TV“ tut ein Anschlag in der Arge Zivildienst kund, „hat nichts zu tun mit Television“. TV steht für (...)

MOZ, Nummer 56

Zivildienersolidaritätsfest

Oktober
1990

Die Gruppe „Zivildiener für Zivildiener“ veranstaltet am 11. Oktober 1990 im WUK ein Fest für alle, die sich nicht so ohne weiteres zu „Hilfsschackln der Militärs“ degradieren lassen wollen. Durch die letzte Novellierung des Zivildienstgesetzes (1988) wurde sein Charakter endgültig vom (...)

MOZ, Nummer 56
Antimilitarismus

Kriegsdienstverweigerung als listiger Umtrieb

Oktober
1990

Mit monarchistischen Paragraphen und Rechtsbeugung geht die Republik gegen Wehrdienstverweigerer vor. Am 11. Juli meldet sich Bernhard K. am Arbeitsamt und erfährt, daß ihm das Arbeitslosengeld gestrichen werde, sollte er der gesetzlichen Stellungspflicht — Musterung — nicht nachkommen. Am 12. (...)

Context XXI, ZOOM 3/1996

Flüchtlingshelfer auf der Flucht

Juni
1996

Mit 15 Jahren kam Herwig Matzka zur Polizei, sein Vater bestimmte seine berufliche Zu­kunft. Beim Heer war er keine zwei Monate, als er wegen sei­ner Polizeizugehörigkeit vom Wehrdienst befreit wurde. 19 Jahre später wollte Matzka seinen Beruf wechseln. Durch die Arbeit mit Flüchtlingen war er zur (...)

Context XXI, ZOOM 6/1996

Militärische Notwendigkeiten

Oktober
1996

Noch dieses Jahr muß ein neues Zivildienstgesetz beschlossen werden. Der Beamtenentwurf zu einer Gesetzesnovelle liegt nun vor. Die Arbeitsgemeinschaft für Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit kritisiert die vom Innenministerium vorgelegten Vorschläge, da sie die Schlechterstellung der (...)

Context XXI, ZOOM 7/1996

Wehrdienstverweigerer im Untergrund

Dezember
1996

Seit 2. Dezember 1996 lebt Andreas Gruber im Untergrund (sie­he umseitigen Brief). An diesem Tag hätte der Internetberater aus Salzburg zum Bundesheer einrücken müssen. Da er den Wehr­dienst als nicht neutralitätskonform erachtet, hat er zuvor Vertei­digungsminister Fasslabend aufgefordert, den (...)

Context XXI, ZOOM 7/1996

Brief aus dem Untergrund

Dezember
1996

Jetzt bin ich schon die dritte Woche im „Untergrund“. Das ist ein neuer Ort für mich. Ich habe nie versucht, mir vorzustellen, wie das sein wird. Darum ist es auch ein ganz normaler Ort und nichts Besonderes. (...) Ich spüre ein starkes Bedürfnis, alles zu sagen, was ich mir zum Bundesheer und zur (...)

Context XXI, ZOOM 1+2/1997

Neutralität und Wehrdienstverweigerung

Februar
1997

Im November 1996 weigerte sich Andreas Gruber einzurücken: „Beim Bundesheer stehe ich in der Gefahr, Befehle ausführen zu müssen, die der österreichischen Neutralität und meinem Gewissen widersprechen.“ Grubers Befürchtungen bestätigt das vom Völkerrechtsexperten Michael Geistlinger in diesem (...)

Context XXI, ZOOM 4+5/1997

Zivildienst: Anhängsel des Militärs

Juni
1997

Wer aus Gewissensgründen die Erfüllung der Wehrpflicht verweigert und hiervon befreit wird, hat einen Ersatzdienst zu leisten. So steht es im Artikel 9a des Bundes-Verfassungsgesetzes, mit dem 1975 der Zivildienst als Wehrersatzdienst eingeführt wurde. Durch den Einfluß von (...)

Context XXI, ZOOM 4+5/1997

Wehrpflicht schafft Verbrecher

Juni
1997

Jeder hundertste Soldat beendet seinen Präsenzdienst mit einer strafgerichtlichen Verurteilung – eine Konsequenz aus der Wehrpflicht. Mit einem eigenen Heeresdisziplinargesetz und tausenden Disziplinaranzeigen jährlich sorgt das Bundesheer für Ruhe und Ordnung in der Truppe. Wenn das nicht (...)

Context XXI, ZOOM 4+5/1997

Zivildienst im Heim für schwererziehbare Kinder

Erfahrungen im Zivildienst
Juni
1997

Für mich war von Beginn an klar, daß ich nicht zum Bundesheer gehen will und werde. Ich stellte einen Zivildienstantrag und bemühte mich darum, meinen Dienst im Landesjugendheim Hinterbrühl in Niederösterreich antreten zu können. Besonders wegen der schönen Erfahrungen, die ich bei der Betreuung der (...)

Context XXI, ZOOM 4+5/1997

Zivildiener in der Ausländerintegration

Ein Projektentwurf
Juni
1997

Idee Zivildiener sollen in benachteiligten und unterentwickelten Wohngegenden zu Sozial- und Hilfsdiensten aller Art herangezogen werden. Dies kann von körperlichen Hilfsdiensten bei der Sanierung einer Wohngegend mit deutlichen Verslumungserscheinungen bis zur individuellen Lernhilfe für ein (...)

Context XXI, ZOOM 3/1997
Rußland im Jahr 2000:

Zivildienst, Berufsarmee oder keines von beiden?

Juni
1997

In der russischen Armee herrschen katastrophale Zustände, die Einführung einer Berufsarmee ist umstritten. Während Wehrdienstverweigerer fallweise mit Gewalt in die Kasernen gebracht werden, gibt es immer noch keinen Zivildienst. Der Zustand der Armee ist eines der brennendsten Probleme des (...)

Context XXI, ZOOM 3/1997

Wehrpflicht produziert Verbrecher

Juni
1997

Nach wie vor beendet – trotz rückläufiger Tendenz in den Jahren 1994 und 1995 – etwa jeder hundertste Soldat seinen Präsenzdienst mit einer gerichtlichen Verurteilung. Doch nicht der Militärdienst an sich macht aus Soldaten Verbrecher, sondern die Wehrpflicht. Zum nunmehr dritten Mal begehrten die (...)

Context XXI, ZOOM 3/1997

Deserteur

Juni
1997

Anmerkungen zu einem nicht mehr erhältlichen Roman eines Wehrmachtsdeserteurs, einem neu aufgelegten Buch über Südtiroler Deserteure und eine in Österreich notwendigerweise noch zu führende Debatte. Sie haben (...) vor dem Kriegerdenkmal durch besonders rücksichtsloses Verhalten (Transparent zu (...)

Context XXI, ZOOM 6/1997

Opfer der NS-Militärjustiz rehabilitiert

Oktober
1997

Nach der lang erwarteten Aufhebung des Urteils gegen Franz Jägerstätter durch das Landegericht Berlin erklärte am 3. Juni auch das Wiener Landesgericht das Todesurteil gegen einen Wehrdienstverweigerer der Deutschen Wehrmacht, den Kärntner Arbeiter Anton Uran, als „nicht erfolgt“. Für die späte (...)

Context XXI, ZOOM 7/1997

Aufhebung des Todesurteils gegen Franz Jägerstätter

November
1997

Je mehr man sich mit der „Rechtsprechung“ des Reichskriegsgerichts befaßt, umso klarer wird, welche Symbiose nationaler Konservatismus und Nationalsozialismus eingegangen waren. Aufgearbeitet ist dies längst nicht. Und die Gesellschaft unserer Tage hat weithin nicht begriffen, daß die Verweigerer (...)

Context XXI, ZOOM 7/1997

Salzburger Wehrdienstverweigerer freigesprochen

November
1997

Statt einzurücken, ging der Salzburger Guntram A. in den Untergrund. Nach seiner Entlassung aus dem Militär im Mai dieses Jahres stand er nun vor der Richterin. Der Prozeß vor dem Bezirksgericht endete mit einem Freispruch wegen mangelnder Strafwürdigkeit. Die Staatsanwaltschaft legte Berufung ein. (...)

Context XXI, ZOOM 1/1998

Fristenregelung gefährdet Grundrecht auf Wehrdienstverweigerung

März
1998

Die Antragsfristen des Zivildienstgesetzes sind derart kompliziert, daß sie kaum zu durchschauen sind, zumal das Gesetz in den letzten Jahren ständig geändert wurde. Dies hat zu zahlreichen Verfahren vor den Höchstgerichten geführt. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hält in einer Entscheidung fest: (...)

Context XXI, ZOOM 2/1998
Spanien:

Neue Strategien gegen das Militär

Mai
1998

Die spanische Bewegung der Wehrdienstverwei­gerer aus Gewissensgründen (MOC) verfolgt seit März vergangenen Jahres eine neue Strategie gegenüber dem Militär. Neue Strategi­en sind vor allem durch die Umbildung des spanischen Militärs zu einer Berufsar­mee ab 1. Jänner 2003 not­wendig. Ziel ist die (...)

Context XXI, ZOOM 2/1998

Kriegsdienstverweigerer in Belgrad in Haft

Mai
1998

Pavle Bozic, ein religös mo­tivierter Kriegsdienstver­weigerer aus einem Dorf na­he bei Belgrad, wurde am 23. Februar von einem Militär­gericht in Belgrad wegen Ver­weigerung militärischer Be­fehle zu einem Jahr Gefäng­nis verurteilt. Er war 1993 bereits aufgrund des gleichen Vorwurfs neun Monate (...)

Context XXI, ZOOM 2/1998

Kriegsdienstverweigerer mit türkischem Paß

Mai
1998

Etwa 350.000 türkische Wehrpflichtige haben sich bislang dem Militär­dienst und damit dem von der Türkei geführten Krieg gegen Kurdinnen entzogen. Und mehr als 100 türkische Staatsbürger, Türken und Kurden, die im Ausland le­ben, haben erklärt, sich die­sem Krieg zu verweigern. Da (...)

Context XXI, ZOOM 1/1999
UNHCR-Preisträger 1998

Deserteurs- und Flüchtlingsberatung

Januar
1999

Im Juni reichte die Deserteurs- und Flüchtlingsberatung eine Darstellung ihrer Arbeit und Empfehlungsschreiben für den UNHCR-Preis ein. So richtig daran geglaubt hat niemand – aber man kann’s ja probieren. Nach dem Ausfall von zwei Dritteln der Subventionen, der Einstellung von (...)

Context XXI, Heft 1-2/1999
Antimilitarismus in Lateinamerika

Kreativität gegen Militärs

Juni
1999

„Ya basta! Es reicht!“ sagen nicht nur die Zapatistas im Urwald von Chiapas, sondern auch die Aktivistinnen des lateinamerikanischen Netzwerks für Kriegsdienstverweigerung, die den Militärs mit bunten, kraftvollen Aktionen gegenübertreten. Wir sprachen mit zwei Vertretern dieser Bewegung - Orlando (...)

Context XXI, Heft 3/1999

Antimilitarismus in Großdeutschland

September
1999

Die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär ist eine der wichtigsten antimilitaristischen Organisationen in Berlin. Internationale Aufmerksamkeit erregte sie zuletzt durch die von ihr mitorganisierten Störaktionen beim Öffentlichen Gelöbnis der Bundeswehr am 20. Juli in Berlin. (...)

Context XXI, Radiosendungen 1999

Antimilitarismus heute und der Krieg von morgen

Oktober
1999

Der nachstehende Text ist nicht das wörtliche Transkript der Radiosendung, sondern die bearbeitete Wiedergabe des Interviews in Context XXI 3/1999. Die Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär ist eine der wichtigsten antimilitaristischen Organisationen in Berlin. Internationale (...)

Context XXI, Heft 1/2000

Haus für Deserteure aus Jugoslawien in Budapest

Februar
2000

Die Idee für das Projekt entstand im Mai 1999 unter Deserteuren und Kriegsdienstverweigerern aus Jugoslawien, die in Ungarn Zuflucht gesucht haben. Das Haus für Deserteure steht nicht nur Kriegsdienstver­weigerern serbischer Herkunft als Anlaufstelle zur Ver­fügung, sondern zum Beispiel auch jenen, (...)

Context XXI, Heft 2/2000

Neue Schikane gegen Zivildiener

April
2000

Auf Initiative von ÖVP und FPÖ soll das Zivil­dienstgesetz geändert wer­den: Abschaffung des Grundlehrganges, kein Recht auf Zuweisung binnen Jah­resfrist, die Halbierung der Vergütung und der Zivildie­ner, Zuweisungen nur mehr zu Rettungswesen, Sozial­und Behindertenhilfe sowie Katastrophenhilfe. Die (...)

Context XXI, Heft 6/2000

Wehrdienstverweigerung — ein Recht?

Was davon bleibt, ist nicht mehr viel ...
Oktober
2000

Bereits im April 2000 wur­de mit den Stimmen der Regierungsparteien eine Zivildienstgesetznovelle beschlos­sen. Die Zivildiener bekom­men seither nur mehr 3.648,— Schilling Pauschalvergütung. Das Recht, die Zuweisung zu beantragen und somit ein ge­wisses Maß an Lebenspla­nung zu ermöglichen, ist (...)

Context XXI, Heft 3-4/2002

„Es gibt eine Grenze!“

Interview mit Dan Tamir
Juni
2002

Dan Tamir ist Offizier der israelischen Armee und Mitarbeiter der israelischen Friedensbewegung Yesh Gvul, die 1982 im Zuge der Libanon-Invasion entstanden ist um Soldaten zu unterstützen, die repressive Befehle gegen Zivilisten verweigern. Damals wurden 168 Dienstpflichtige inhaftiert. Seit dem (...)

Context XXI, Heft 7/2002

Österreich ist frei

Wie in einem Land alles möglich sein kann
Dezember
2002

Vom Service her gehören die österreichischen Sozialversicherungsanstalten bekannter Maßen nicht zu den schlechtesten. Es gibt nicht nur eine funktionierende Bürokratie; die Angestellten geben außerdem gerne Auskunft und zeigen sich im wesentlichen pragmatisch. Wenn der Sozialminister posaunt, (...)

Context XXI, Heft 7/2002

Personenkomitee „Gerechtigkeit für die Opfer der NS-Militärjustiz“

Dezember
2002

Nach 1945 schwiegen sie, mussten sie schweigen. Nun haben sich einige der wenigen noch lebenden Wehrmachtsdeserteure zu einem Personenkomitee zusammengeschlossen, um von der Republik späte Gerechtigkeit einzufordern: “Es ist untragbar: Während ehemalige Nationalsozialisten rasch in die Zweite (...)

Context XXI, Heft 2-3/2004

Triumph des juristischen Willens

Gnade statt Recht für Wehrmachtsdeserteure
März
2004

Der Nationalrat hat sich 1999 überra­schend für die Re­habilitierung der Wehrmachtsdeserteure ausgespro­chen. Vier Jahre später entschließt sich das Justizministerium zur Fahnen­flucht auf höchstem Niveau. Eine Zwi­schenbilanz. Zuletzt war es ein Feilschen um juristische Textsorten. Halbsätze aus (...)

Grundrisse, Nummer 28
Sebastian Kalicha (Hg.):

Barrieren durchbrechen!

Israel/Palästina: Gewaltfreiheit, Kriegsdienstverweigerung, Anarchismus
Minimol
Dezember
2008

Nettersheim: Verlag Graswurzelrevolution, 2008, 277 Seiten, 19,90 Euro Die Zusammenarbeit mit Israelis war ein heikles Thema in unserer Gemeinde, da die meisten von uns Israelis bislang nur entweder als SoldatInnen oder als SiedlerInnen begegnet sind. Gleichzeitig war uns aber klar, dass wir (...)

Kriegsdienstverweigerung ist die Entscheidung einer Person, nicht an Kriegshandlungen teilzunehmen. In Staaten mit einer gesetzlichen Wehrpflicht wird sie auch als Wehrdienstverweigerung ausgeübt, weil der Wehrdienst zum Kriegsdienst ausbildet. Werden auch Ersatzdienste verweigert, spricht man von Totalverweigerung.

In demokratischen Rechtsstaaten ist Kriegsdienstverweigerung ein gesetzlich geschütztes Bürgerrecht. Dessen Ausübung ist jedoch meist an bestimmte Verfahren und Auflagen gebunden, deren Missachtung strafrechtliche Folgen hat. In Diktaturen, bei staatlich verhängtem Ausnahmezustand (Kriegsrecht) und für Soldaten einer Berufsarmee ist Kriegsdienstverweigerung oft illegal und wird als Straftat behandelt. Sofern rechtlich nicht zulässige Kriegsdienstverweigerung mit politischen Zielen verbunden wird, gilt sie als Form des zivilen Ungehorsams.

Wo Menschen gegen ihren Willen zu Militärdiensten gezwungen werden, ist Kriegsdienstverweigerung nur als Desertion möglich. Dies war lange Zeit der historische Normalfall. Erst infolge der europäischen Aufklärung wurde die individuelle Nichtteilnahme an Krieg und Kriegsdiensten allmählich als Bürgerrecht betrachtet. In Nationalstaaten des 19. Jahrhunderts organisierten sich Bewegungen, die dieses Recht zusammen mit anderen Bürgerrechten einforderten. Nach dem Ersten Weltkrieg 1918 führten einige Staaten erstmals ein solches Recht ein. Seit 1945 wurde es in immer mehr Staaten gesetzlich anerkannt und geschützt. 1987 erkannte die Vollversammlung der Vereinten Nationen (UN) das Recht zur Kriegsdienstverweigerung als allgemeines Menschenrecht an. Der UN-Menschenrechtsrat überprüft regelmäßig seine rechtsstaatliche Geltung, die in vielen Mitgliedsstaaten der UN nicht gewährleistet ist.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Spätantike[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Christentum der ersten beiden Jahrhunderte sah den Militärdienst in der Regel als unvereinbar mit dem Christsein an. Denn ihre Taufe verpflichtete die Christen zum unbedingten Einhalten der Gebote Jesu (Mt 28,20 EU). Das biblische Zentralgebot der Nächstenliebe schloss für die Nachfolger Jesu jede eigene tötende Gewalt aus, besonders gegenüber Feinden (Mt 5,39.44 EU), zur Selbstverteidigung (Mt 10,10 EU) und Glaubensverteidigung (Mt 26,52 EU).

Die Taufe galt als Bindung des Getauften an den „Oberbefehl“ Jesu Christi und damit als unvereinbar mit dem militärischen Fahneneid. Die freiwillige Meldung eines Getauften zum Soldatendienst in einer Berufsarmee – das Römische Reich kannte keine Wehrpflicht – galt als Abfall vom unbedingten Glaubensgehorsam (Canon Hippolytus 14,74). Wer als Soldat Christ wurde und dennoch Soldat blieb, musste mit Exkommunikation (Ausschluss) aus der Kirche rechnen (Canon Hippolytus 13,14; Basilius der Große, Brief 188). Die Traditio Apostolica, eine frühchristliche Gemeindeordnung, formuliert um 200 als Anforderung an die Taufbewerber (Katechumenen) im Satz 16:[2]

„Ein Soldat, der unter Befehl steht, soll keinen Menschen töten. Erhält er dazu den Befehl, soll er diesen nicht ausführen, auch darf er keinen Eid leisten. Ist er dazu nicht bereit, soll er abgewiesen werden. […] Der Katechumene wie auch der Gläubige, der Soldat werden will, muss abgewiesen werden, weil er Gott verachtet hat.“

Bei vielen Theologen der Patristik findet man kritische Aussagen zum Soldatendienst und zum Krieg, der als zwangsläufiges Morden und Blutvergießen abgelehnt wurde: etwa bei Justin (Dialogus 110,3) und Cyprian (Ad Donat. 6). Lactanz schrieb in Divinae institutiones:[3]

„Religion bedeutet nicht, sich zu verteidigen, indem man tötet, wohl aber, indem man stirbt, nicht mit Aggressivität, wohl aber mit Geduld. [...] Wenn ihr jedoch die Religion mit blutigen Mitteln, mit Torturen und mit Bösem verteidigen wollt, dann verteidigt ihr sie nicht, sondern ihr vergiftet und entweiht sie.“

Tertullian (De corona; De idolatria) lehrte, Christus habe den Christen verboten, ein Schwert zu tragen. Er lehnte den Soldatendienst für Christen auch wegen des damit verbundenen Kaiserkults als Götzendienst strikt ab:[4]

„Es paßt nicht zusammen, unter dem Fahneneid Gottes und der Menschen, unter dem Feldzeichen Christi und des Teufels, im Lager des Lichts und in dem der Finsternis zu stehen; ein und derselbe Mensch kann nicht zweien verpflichtet sein: Christus und dem Teufel.“

Er sah aber Kriege zum Erhalt des römischen Staates – und damit der Kirche – als notwendig an und schloss das kaiserliche Heer deshalb in die christliche Fürbitte ein.

Für Origenes war jede Gewaltanwendung, auch an sich legitime Verteidigung, Unrecht, das göttlicher Vergebung bedürfe. Er wies darauf hin, dass die Christen „die Lehre empfangen hatten, sich nicht gegen ihre Feinde zu verteidigen“, so dass ihnen Waffengebrauch verboten sei. Er erwartete die Abschaffung aller Kriege durch Ausbreitung des christlichen Glaubens (Contra Celsum VIII, 69f). Gegenüber der Aufforderung, dem Kaiser bei Abwehrschlachten in der Armee beizustehen, betonte er, dies vollzögen die Christen, indem sie die unsichtbare Waffenrüstung Gottes anlegten und waffenlos für die Regierung beteten. Er betonte die Sonderaufgabe der kirchlichen Amtsträger als „Priester und Diener Gottes“ im Unterschied zu Beamten und Soldaten als Diener der weltlichen Macht (ebd., 73ff).[5]

Die Konzilien von Chalcedon und Nicea verboten dem Klerus und den Mönchen, irgendein Staatsamt zu bekleiden. Damit bahnten sie die spätere katholische Zwei-Stände-Ethik an, nach der nur noch Kirchenbeamte und asketische Mönche vom Kriegsdienst befreit waren. Gleichzeitig wuchs der Anteil der Christen unter den römischen Soldaten, so dass die letzte staatliche Christenverfolgung unter Kaiser Diokletian als Säuberung im römischen Heer begann. In dieser Lage verweigerten viele Christen den Kriegsdienst, z. B. der Märtyrer Maximilian, der am 12. März 295 hingerichtet wurde.

Die konstantinische Wende (ab 313) drängte den ursprünglichen christlichen Pazifismus rasch in den Hintergrund. Kaiser Konstantin I. ließ die von der Kirche exkommunizierten Soldaten mit erhöhtem Rang in das römische Heer zurückkehren. Daraufhin schloss das Konzil von Arles (314) jeden Deserteur, auch den mit Gewissensgründen, vom Empfang der Sakramente aus. Athanasius und Ambrosius lobten den Dienst mit der Waffe für das Vaterland. Nach der Erhebung des orthodoxen Christentums zur römischen Staatsreligion (380) erließ Theodosius II. 416 ein Edikt, wonach nur noch Christen in die Armee aufgenommen werden durften.[6]

Damit wurde die Kriegsdienstverweigerung aus Glaubensgründen zur seltenen Ausnahme, die zudem von Staat und Kirche gemeinsam abgelehnt und später rigoros verfolgt wurde. Die 420 von Augustinus von Hippo formulierte kirchliche Lehre vom Gerechten Krieg rechtfertigte den Kriegsdienst von Christen und Nichtchristen. Sie blieb in zahlreichen Modifizierungen und Erweiterungen bis heute die maßgebende ethische Basis der Großkirchen für ihr Verhältnis zu Wehrdienst und Militäreinsatz.

Mittelalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Mittelalter war Kriegsdienstverweigerung eine seltene Haltung christlicher Randgruppen wie der Katharer und Waldenser. Sie wurden vom Papsttum und katholischen Herrschern als Ketzer verfolgt. Nur Franz von Assisi erreichte die Zulassung seines Ordens, der Minoriten, die besitz- und waffenlos lebten. Er erklärte dies gegenüber Kirchenvertretern wie folgt:

„Herr, wenn wir irgendwelches Eigentum besitzen würden, so müssten wir unbedingt zu unserem Schutz auch Waffen haben. Daraus entstehen aber Streitigkeiten und Zank. Dadurch wird die Liebe zu Gott und zum Nächsten gewöhnlich stark gehemmt. Und deshalb wollen wir in der Welt nichts Irdisches besitzen.“[7]

Die Ordensregel des 1221 gegründeten Dritten Ordens der Franziskaner enthielt ein Waffenverbot:

„Tödliche Waffen dürfen sie gegen niemanden empfangen noch mit sich tragen.“[8]

Weil Buße und das Soldatenhandwerk unvereinbar seien, verweigerten auch Angehörige des franziskanischen Dritten Ordens Kriegsdienste und Fahneneide. Deshalb mussten manche italienischen Stadt- und Regionalfürsten ihre Feldzüge mangels Beteiligung absagen.[9]

Frühe Neuzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Reformationszeit kamen neugebildete Gruppen, die ihr Zusammenleben ganz an der Bibel orientieren wollten, dazu: die Böhmischen Brüder (englisch „Moravians“) und Teile der Täuferbewegung wie die Schweizer Brüder, Hutterer und Mennoniten. Auch die später entstandenen Quäker, die Church of the Brethren („Brüderkirche“), die Zeugen Jehovas und die Christadelphians verweigern Kriegsdienste.

Ihre Haltung zwang die Mennoniten immer wieder zu großen Wanderungsbewegungen, die sie noch im 20. Jahrhundert über Russland in die USA und von dort nach Kanada und Südamerika führten. Nur in einzelnen Regionen Europas befreiten Fürsten sie vom Waffendienst: So befahl Wilhelm von Oranien 1577 der Obrigkeit von Middelburg, die dort ansässigen Mennoniten vom Kriegsdienst freizustellen.[10] Das Herzogtum Schleswig erlaubte ihnen dies 1623. 1647, im Jahr vor dem Ende des Dreißigjährigen Krieges, erklärte das Agreement of the People erstmals jeden Zwang zum Kriegsdienst als Verletzung natürlicher Rechte des Menschen.[11]

Friedrich der Große gewährte den preußischen Mennoniten am 25. März 1780 ein „Gnadenprivilegium“, das sie „auf ewig“ von der Kantonalspflicht befreien sollte. Dafür musste jeder Verweigerer ein Jahresentgelt von 5000 Talern zahlen; auch ihre Niederlassungs- und Bodenerwerbsrechte wurden regional vielfach beschränkt. Das Privileg wurde 1789, 1840 und 1844 erneuert; danach wurde es nach und nach eingeschränkt. Das Wehrpflichtgesetz des Norddeutschen Bundes von 1867 sah keine Ausnahme für Verweigerer aus Gewissensgründen mehr vor; nur durch einfache Kabinettsbefehle konnten Einzelne von Militärdiensten befreit werden.[12]

19. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit der Bildung von Nationalstaaten mit einer allgemeinen Wehrpflicht kämpften die Friedenskirchen für die staatliche Anerkennung der Gewissensfreiheit. 1802 erreichten die englischen Quäker erstmals ihre Befreiung vom Wehrdienst.[13] Von ihnen und der aufklärerischen Philosophie beeinflusst, entstanden um 1815 zuerst in den USA, Großbritannien und der Schweiz sogenannte Friedensgesellschaften. Diese bejahten auch die Kriegsdienstverweigerung als eine unter mehreren Möglichkeiten zur Durchsetzung einer internationalen Friedens- und Völkerrechtsordnung. Die etwas später entstandenen Friedensgesellschaften Kontinentaleuropas dagegen lehnten die Kriegsdienstverweigerung bis 1918 meist ab. Diese übten nur christliche Sondergemeinschaften wie die Reformadventisten, Duchoborzen, Evangelisten, Molkianer, Nazarener und Tolstojaner. Alle diese Gruppen blieben zahlenmäßig unbedeutend und ohne Einfluss auf staatliche Politik.

Politische Wirkung erhielt die Kriegsdienstverweigerung erst im Zusammenhang der wachsenden europäischen Arbeiterbewegung. Auf den Konferenzen der Ersten Internationale (Internationale Arbeiterassoziation) brachten Anarchisten 1891 und 1893 Resolutionen ein, die vorsahen, bei Kriegserklärungen zur allgemeinen Kriegsdienstverweigerung und zum Streik aufzurufen. Die Mehrheit der IAA meinte dagegen, dass Kriege verschwinden würden, wenn der Kapitalismus beseitigt sei. Die Deutsche Friedensgesellschaft (DFG) wurde 1892 gegründet. Eine Polemik gegen die anarchistische Position in der IAA formulierte Karl Liebknecht 1907 in seiner Programmschrift Militarismus und Antimilitarismus.[14]

20. Jahrhundert[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die frühe Sozialdemokratie war theoretisch entschlossen, einen Krieg der europäischen Hegemonialmächte zu verhindern oder wenigstens nicht mitzutragen. Entsprechende Beschlüsse traf die Sozialistische Internationale wiederholt, besonders in den Jahren 1907, 1912 und 1913. In der Balkankrise von 1913 rief Rosa Luxemburg auf Massenkundgebungen der SPD zu Kriegsdienstverweigerung, Befehlsverweigerung und Widerstand gegen den absehbaren europäischen Krieg auf. Sie wurde deshalb wie andere Antimilitaristen während fast der gesamten Kriegsdauer inhaftiert.

Der Erste Weltkrieg drängte auch pazifistische Gruppen noch stärker in die Defensive und verringerte ihre Mitgliedszahlen erheblich. Die wenigen Kriegsdienstverweigerer wurden in allen kriegsbeteiligten Staaten verfolgt und oft schwer bestraft.

In Großbritannien entstand seit der staatlichen Erfassung wehrfähiger Männer ab 1914 eine organisierte Verweigerungsbewegung, die politisch wirken wollte: die No-Conscription Fellowship. Ihr folgten etwa 16.000 Verweigerer, die auf Initiative englischer Quäker nach Einführung der Wehrpflicht 1916 zivile Ersatz-, Sanitäts- oder waffenlose Armeedienste verrichten durften. Dies taten etwa 10.000 Männer. Weitere 6000 verweigerten als Absolutisten auch jeden Ersatzdienst und wurden dafür von Kriegsgerichten zu meist hohen Gefängnisstrafen verurteilt. Aufgrund unmenschlicher Haftbedingungen entschlossen sich 3750 von ihnen doch noch zu zivilen Ersatzdiensten; zehn der übrigen starben in Haft, 59 an Entkräftung kurz nach ihrer Entlassung.

Doch diese Bewegung erreichte, dass Kriegsdienstverweigerung aus ethischen und religiösen Gewissensgründen erstmals als individuell mögliche, nicht generell staatsfeindliche und strafbare Haltung anerkannt wurde. So führten einige europäische Staaten ab 1917 erste Ausnahmegesetze zur Wehrdienstbefreiung und Ersatzdienste für Verweigerer ein:

  • die Niederlande per Armeebefehl 1917, per Gesetz 1922. Darauf beriefen sich bis 1930 jährlich nur 10–20, von 1931 bis 1939 jährlich zwischen 40 und 400 Personen.
  • Dänemark 1917. Dort dauerte der Ersatzdienst bis 1933 dreimal solange wie der Wehrdienst.
  • die UdSSR ab 1918
  • Schweden 1920 und 1923
  • Norwegen und Finnland 1922. Dort war Verweigerung seit 1931 nur noch in Friedenszeiten möglich.

In den USA wurde 1916 mit der Wehrpflicht auch ein ziviler Ersatzdienst für Angehörige von Friedenskirchen und pazifistischen Sekten angeboten. Von 2,8 Mio. eingezogenen Männern wurden 56.800 als Kriegsdienstverweigerer anerkannt, 20.800 davon zum Ersatzdienst herangezogen.[15]

In der neutralen Schweiz unterstützte die Politikerin und Antimilitaristin Elisabeth Teslin die Kriegsdienstverweigerer. Der Gesamterlös ihrer Schriften sollte Dienstverweigerer und Kämpfer gegen alle Militärarbeiten unterstützen. 1917 schrieb sie:

„Die Arbeiter sollen Geschütze, Gewehre und Munition erzeugen, Festungen errichten, Kriegsschiffe, Unterseeboote und Flugapparate bauen. Die Arbeiter sollen in den Armeen dienen, einander bei jeder Gelegenheit, auf den Schlachtfeldern, wie auch bei innern Unruhen im Lande, niederschießen und niederhauen. Das sind die wirklichen, lebendigen Taten, die die Arbeiterschaft vollbringt. Dabei aber redet man weiter, nimmt kopfzerbrechende Resolutionen an, faßt scharfe Beschlüsse und glaubt, daß das revolutionäre Taten seien.“[16]

1921 entstand in Bilthoven die internationale Verweigererorganisation Paco, die sich 1923 in War Resisters International (WRI, deutsch Internationale der Kriegsdienstgegner) umbenannte. Bis 1939 wuchs ihre Mitgliedschaft langsam, aber stetig auf 54 Sektionen in 24 Ländern an. Diese unterstützen Verweigerer moralisch und finanziell, bekämpfen aber auch die allgemeine Wehrpflicht und streben die politische Beseitigung von Kriegsursachen an. Zur Konferenz in Lyon am 1. August 1931, dem deutschen Antikriegstag, begrüßte Albert Einstein die Delegierten der WRI aus 56 Ländern mit den Worten:

„Ich wende mich an Sie, … weil Sie diejenige Bewegung vertreten, die am sichersten die Abschaffung des Krieges verbürgt. Wenn Sie klug und mutig handeln, können Sie die wirksamste Gemeinschaft in der größten aller menschlichen Bestrebungen werden. Die Männer und Frauen, die Sie vertreten, können zu einer größeren Weltmacht werden als das Schwert. Alle Nationen der Welt sprechen von Abrüstung. Sie müssen sie lehren, mehr zu tun, als bloß davon zu sprechen. Die Völker müssen den Staatsmännern und Diplomaten die Abrüstung aus der Hand nehmen. Die Völker müssen die Abrüstung selbst verwirklichen.“

In der Zeit des Nationalsozialismus drohte deutschen Kriegsdienstverweigerern schon vor Beginn des Zweiten Weltkriegs die Todesstrafe, die in hunderten Fällen (vorwiegend an Zeugen Jehovas und Reformadventisten) auch vollstreckt wurde. Vor diesem Hintergrund wurde das Kriegsdienstverweigerungsrecht 1949 als Grundrecht in das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland aufgenommen. (Art. 4 Abs. 3 GG):

„Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden. Das Nähere regelt ein Bundesgesetz.“

In der DDR gab es kein solches Recht (siehe aber Bausoldat).

Die weitere Entwicklung behandelt der Artikel Kriegsdienstverweigerung in Deutschland. Die rechtlichen Grundlagen sind im Kriegsdienstverweigerungsgesetz niedergelegt.

In manchen Staaten, die ein grundsätzliches Kriegsdienstverweigerungsrecht hatten, fehlten rechtsstaatliche Mindeststandards für dessen Wahrnehmung. Oft konnte der Kriegsdienst nach einer Einberufung nicht mehr verweigert werden; der Ersatzdienst trug oftmals auch militärischen Charakter und dauerte viel länger als der Wehrdienst, so dass er einer Strafe für die Kriegsdienstverweigerung glich.

Solche Mängel, die das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbriefte Kriegsdienstverweigerungsgrundrecht praktisch missachten, stellte ein Bericht von Amnesty International vom 15. April 1997 in 22 Staaten Europas fest. Viele dieser Staaten verhängten Haftstrafen gegen Verweigerer, darunter:

  • die Balkanrepubliken
  • Bulgarien: 10 Monate für einen Zeugen Jehovas 1996
  • In Griechenland wurden alle Kriegsdienstverweigerer vor Gericht gestellt und jährlich bis zu 100 davon zu Haftstrafen von bis zu vier Jahren verurteilt. Einigen erkannte man ihre bürgerlichen Rechte ab und verbot ihnen bis fünf Jahre nach ihrer Entlassung, zu wählen oder sich wählen zu lassen, als Beamte zu arbeiten, Geschäfte zu eröffnen und einen Reisepass zu erhalten. Dies traf besonders 300 bis 350 unter menschenunwürdigen Bedingungen inhaftierte Zeugen Jehovas. Das griechische Parlament lehnte seit 1994 vier Gesetzentwürfe für einen Zivildienst ab; der fünfte wurde angenommen und sah einen doppelt so langen Ersatzdienst vor wie der Militärdienst.
  • Russland: Einem Mönch wurden 1995 sieben Jahre Haft wegen Desertion angedroht, nachdem er trotz seiner vorherigen Kriegsdienstverweigerung zum Militär einberufen, dort misshandelt, von seinen Angehörigen aus dem Krankenhaus nachhause mitgenommen und erneut einberufen wurde.
  • In Österreich mussten Kriegsdienstverweigerer bis 1991 vor einer Kommission eine Gewissensprüfung ablegen, wodurch festgestellt werden sollte, ob die Einwände berechtigt waren. Personen, die nicht glaubhaft machen konnten, den Kriegsdienst aus Gewissensgründen verweigern zu wollen, mussten mit einer Freiheitsstrafe rechnen, wenn sie dem Einberufungsbefehl nicht nachkamen. 1997 wurde der Zivildienst von acht auf zwölf Monate verlängert und dauerte damit vier Monate länger als der Wehrdienst. Zivildienst muss innerhalb einer Frist beantragt werden. Verweigerern, die ihren Antrag zu spät stellen und den Militärdienst nicht antreten, droht Haft von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.[17]
  • Frankreich gab Verweigerern nach der Einberufung keine Möglichkeit zur Kriegsdienstverweigerung. Der Zivildienst dauerte mit 20 Monaten doppelt so lange wie der Wehrdienst. Verweigerer, die ihren Zivildienst nicht fristgerecht beantragten, wurden nicht als Kriegsdienstverweigerer anerkannt; jedoch wurde bisher nur einer zu Gefängnis verurteilt.
  • Italien und Spanien gaben einberufenen Wehrpflichtigen keine Kriegsdienstverweigerungsmöglichkeit mehr.
  • Portugal bearbeitete Kriegsdienstverweigerungsanträge von bereits Wehrdienstleistenden erst nach dem Ende ihrer Militärzeit und erlaubte ihnen kein vorzeitiges Ausscheiden daraus. Der Ersatzdienst dauerte dort mit sieben Monaten fast doppelt so lange wie der Wehrdienst.

In den meisten dieser Staaten kann die Weigerung eines Einberufenen, eine Uniform anzuziehen, zu mehrjährigen Gefängnisstrafen führen. Dies betraf in Frankreich bis 1995 bis zu 500 Zeugen Jehovas pro Jahr, die sich ordnungsgemäß in der Kaserne gemeldet hatten, dann aber das Tragen von Uniform und Waffen aus religiösen Gründen ablehnten. Auch Ersatzdienstleistende, die ihren Dienst aus Protest gegen die Dauer vorzeitig beenden, werden als Deserteure behandelt und mit bis zu drei Jahren Haft bestraft.[18]

In Italien gibt es inzwischen keinen Wehrdienst mehr; eine Änderung der Verfassung, die diesen als „heilige Pflicht“ bezeichnet, wurde nicht vorgenommen, aber der letzte (zum Teil) einberufene Jahrgang war derjenige der 1985 Geborenen. In Frankreich und Spanien besteht heute ebenfalls keine Wehrdienstpflicht mehr.[19]

Gegenwärtige Situation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Internationales Recht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Seit Gründung der UNO verbot die UN-Charta 1945 zunächst den Angriffskrieg bis auf zwei genau definierte Ausnahmefälle. Doch erst 1987 wurde das Recht auf Kriegsdienstverweigerung durch die UNO-Vollversammlung mit nur zwei Gegenstimmen (Irak, Mosambik) als internationales Menschenrecht anerkannt.

Im August 2004 forderte die UN-Menschenrechtskommission die UN-Mitgliedsstaaten mit zwei Resolutionen auf, das Kriegsdienstverweigerungsrecht in ihrer nationalen Gesetzgebung bestehenden Menschenrechtsnormen gemäß zu regeln und einzuhalten. Bereits bestrafte Kriegsdienstverweigerer sollten beim Erreichen von Friedensschlüssen und Waffenstillständen nach militärischen Konflikten amnestiert und rehabilitiert werden.[20] Damit hat sich die Kriegsdienstverweigerung zwar seit 1987 als internationales Menschenrecht etabliert, das jedoch in vielen Staaten nach wie vor missachtet oder eingeschränkt wird.

Der Europäische Gerichtshof urteilte im Februar 2015, dass ein Deserteur (André Shepherd) Flüchtlingsschutz nur genießt, wenn der Antragsteller sich vorrangig um die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer bemüht hat, es sei denn, ihm stand kein derartiges Verfahren zur Verfügung.[21]

Staaten ohne Kriegsdienstverweigerungsrecht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Staaten, die kein Kriegsdienstverweigerungsrecht kennen, sind heute u. a.:

  • Aserbaidschan
  • Israel kennt nur ein eingeschränktes Kriegsdienstverweigerungsrecht für wehrpflichtige Frauen, während Kriegsdienstverweigerung von Männern als Befehlsverweigerung oder Desertion behandelt wird. Arabische Israelis und charedische Jeschiwa-Studenten sind von der Wehrpflicht ausgenommen.
  • Singapur
  • die Türkei
  • Turkmenistan: Wehrdienstverweigerer müssen mit mehrjährigen Haftstrafen rechnen.[22]
  • Nordkorea: Es besteht eine Wehrpflicht von 11 Jahren, eine Weigerung dieses Wehrdienstes für Nordkoreaner gibt es nicht und wird mit drakonischen Strafen bis zu einer Einweisung in ein Internierungslager geahndet.

Einige Staaten, die für Friedenszeiten zwar ein Kriegsdienstverweigerungsrecht haben, schränken dieses in einer Kriegssituation durch das Kriegsrecht ein oder heben es ganz auf. Bei Zwangsrekrutierung bleibt Kriegsdienstverweigerern dann nur die Desertion, die staatlich verfolgt und bestraft wird. Verfolgte Kriegsdienstverweigerer, die sich der Strafe durch Flucht ins Ausland zu entziehen versuchen, werden dort oft nicht als politische Flüchtlinge anerkannt und erhalten auch in der Bundesrepublik kein Asyl.

Menschenrechtsorganisationen setzen sich daher für den internationalen Schutz von Kriegsdienstverweigerern und Deserteuren ein. In Deutschland tut dies zum Beispiel Connection e. V. Die Organisation erhielt dafür unter anderem den Aachener Friedenspreis 1996.[23]

Staaten mit eingeschränktem Kriegsdienstverweigerungsrecht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aktuell wurde in den meisten Staaten der Welt die Wehrpflicht abgeschafft bzw. ausgesetzt. In den Ländern mit verbliebener Wehrpflicht kommt es dennoch zu Benachteiligungen durch einige Staaten, durch strenge Fristensetzung, längere Dienstzeiten und andere Regelungen. Oft kann der Kriegsdienst nach einer Einberufung nicht mehr verweigert werden; der Ersatzdienst trägt auch militärischen Charakter und dauert viel länger als der Wehrdienst, so dass er einer Strafe für die Kriegsdienstverweigerung gleicht. Häufig werden den Einberufenen ihre gesetzlichen Möglichkeiten zur Kriegsdienstverweigerung nicht zugänglich gemacht. Dort führt diese vielfach zu Bestrafung und Inhaftierung.

Solche Mängel, die das in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbriefte Kriegsdienstverweigerungsgrundrecht praktisch missachten, stellte ein Bericht von Amnesty International vom 15. April 1997 in 22 Staaten Europas fest. Viele dieser Staaten verhängten Haftstrafen gegen Verweigerer, darunter:

  • Der Zivildienst in Österreich wurde 1997 von acht auf zwölf Monate verlängert und dauerte damit vier Monate länger als der Wehrdienst. Seit 2006 dauert der Zivildienst neun Monate und der Wehrdienst sechs Monate. Zivildienst muss innerhalb der im § 1 ZDG genannten Frist beantragt werden. Verweigerern, die ihren Antrag zu spät stellen und den Militärdienst nicht antreten, droht Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.[24]
  • Der Zivildienst in der Schweiz dauert eineinhalbmal so lang wie der Wehrdienst. Die Zulassung zum Zivildienst ist nicht mehr vom Bestehen einer Gewissensprüfung abhängig. Die Zulassung zum Zivildienst schließt eine Bestrafung wegen Militärdienstverweigerung beziehungsweise Militärdienstversäumnisses aus; zu beachten ist jedoch das Verbot des Missachtens eines Aufgebots (Art. 81 ff. MStG).

(Österreich)

(Schweiz; Ersatzabgabe bei Nichtleistung von Militärdienst oder Zivildienst)

Krieg Russlands gegen die Ukraine (2022 – laufend)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Um einer Einberufung zum Kriegsdienst zu entgehen, sind Männer, sowohl Russen als auch Ukrainer, aus ihren Heimatländern geflohen.

Die Zahl der im Krieg getöteten Zivilisten und Soldaten beiderlei Geschlechts auf beiden Seiten dieses Kriegs wird Anfang September 2023 auf 500.000 geschätzt.

Flucht aus Russland[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Folge der Ankündigung Russlands weitere Hunderttausende Soldaten zu requirieren flüchteten Meldungen zufolge Tausende Russen im wehrfähigen Alter etwa in die baltischen Länder.

Flucht aus der Ukraine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Ukraine gab Anfang September 2023 bekannt, dass 20.000 ukrainische Männer an der illegalen Ausreise – weil im wehrpflichtigen Alter – gehindert worden sind. Das österreichische Innenministerium schätzte am 8. September 2023, dass rund 14.000 ukrainische Männer (als Flüchtlinge) in Österreich leben, die altersmäßig in die Gruppe der Wehrpflichtigen fallen dürften. Dem Aufruf zum Wehrdienst nicht Folge zu leisten ist ein Delikt nach Militärrecht. Der Artikel 4 des EU-Auslieferungsabkommens ist bei einem solchen Delikt nicht wirksam. Würde die Ukraine die Auslieferung von Personen aus diesem Grund begehren, würde Österreich die Betroffenen nicht ausliefern.[25]

Film[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • John W. Graham Kelley: Conscription and Conscience: A History 1916–1919. USA 1969 (englisch), ISBN 0-678-00507-9.
  • Orhan Aldanmaz: Wehrdienstverweigerung als Menschenrecht. Roderer TB, 2006, ISBN 3-89783-548-7.
  • Walther Bienert: Krieg, Kriegsdienst und Kriegsdienstverweigerung nach der Botschaft des Neuen Testaments. (1. Auflage 1952) Brunnen-Verlag, 2., erweiterte Auflage, Gießen/Basel 1985, ISBN 3-7655-9701-5.
  • Claus Bernet: Kriegsdienstverweigerung im 19. Jahrhundert. In: Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, 12, 2, 2008, S. 204–222 online.
  • Wolfram Beyer (Hrsg.): Kriegsdienste verweigern – Pazifismus aktuell. Libertäre und humanistische Positionen. Oppo-Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-926880-16-1.
  • Helmut Kurz: In Gottes Wahrheit leben. Religiöse Kriegsdienstverweigerer im Zweiten Weltkrieg. Donat-Verlag, Bremen 2020, ISBN 978-3-943425-98-7.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Kriegsdienstverweigerung – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Kriegsdienstverweigerung – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelbelege[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. https://www.connection-ev.org/pdfs/UN-MenschenrechtsratKDV2019.pdf abgerufen am 15. Februar 2024
  2. zitiert bei Wilhelm Geerlings: Die Stellung der vorkonstantinischen Kirche zum Militärdienst, Barsbüttel 1989, ISBN 3-927320-03-X, S. 17f.
  3. Dag Tessore: Der Heilige Krieg in Christentum und Islam. Patmos Verlag, Düsseldorf 2004, S. 30
  4. De idololatria 19, zitiert nach Gerhard Lohfink: Die christliche Verweigerung. In: Gerhard Lohfink: Wie hat Jesus Gemeinde gewollt? Zur gesellschaftlichen Dimension des christlichen Glaubens, 8. Auflage, Freiburg im Breisgau 1982, S. 190 (Rextauszug online (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive))
  5. Origenes Gegen Celsus (Contra Celsum). 31. Januar 2012, archiviert vom Original am 31. Januar 2012; abgerufen am 27. Oktober 2022.
  6. Helmut Gollwitzer, Artikel Krieg und Christentum, in: Die Religion in Geschichte und Gegenwart, 4. Auflage, S. 67f
  7. Was wollte Franz von Assisi? Archiviert vom Original; abgerufen am 25. Januar 2023.
  8. Elemente einer franziskanischen Spiritualität. Abgerufen am 25. Januar 2023.
  9. CCFME-News, Jahrgang 18, Dezember 2005, Nr. 12 (pdf) (Memento vom 8. November 2011 im Internet Archive)
  10. Hellmuth Hecker: Die Kriegsdienstverweigerung im deutschen und ausländischen Recht, Frankfurt am Main 1954, S. 8ff
  11. Wolfgang Huber: Krieg, Kriegsdienst, Kriegsdienstverweigerung. In: Evangelisches Staatslexikon Band I, 3. erweiterte Auflage, Kreuz-Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-7831-0810-1
  12. Eberhard Röhm: Sterben für den Frieden, Calwer Verlag, Stuttgart 1985, S. 148
  13. R.H. Bainton: Christian Attitudes toward War and Peace, New York 1960, S. 161
  14. Wolfram Beyer: Kriegsdienste verweigern – Pazifismus heute, Humanistischer Verband Deutschlands, 2000, ISBN 3-924041-18-0, S. 13f.
  15. Eberhard Röhm: Sterben für den Frieden, S. 147f
  16. Elisabeth Teslin: Neue Zeiten Neue Aufgaben Neue Losungen. Verlag W. Trösch, Olten 1917
  17. WG 2001 §48ff.
  18. Claudia Oberascher, Amnesty Deutschland, Mai 1997: Kriegsdienstverweigerung in Europa. Ein Menschenrecht auf dem Prüfstand (Memento vom 28. Oktober 2010 im Internet Archive)
  19. Wehrpflicht im europäischen Ausland. In: Tagesspiegel. 31. August 2007, abgerufen am 23. Dezember 2022.
  20. Bürgerliche und politische Rechte, einschliesslich der Frage der Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen. 26. Februar 2022, archiviert vom Original am 26. Februar 2022; abgerufen am 27. Oktober 2022.
  21. Beck Online: EuGH: Hohe Anforderungen an Asylanspruch eines Deserteurs der US-Streitkräfte, 26. Februar 2015.
  22. (Memento vom 15. April 2013 im Webarchiv archive.today) Human Rights Without Frontiers: "Maximalstrafe für Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen"
  23. Stichwort: Arbeit von Connection e. V. Abgerufen am 27. Oktober 2022.
  24. Militärstrafgesetz § 7
  25. Österreich liefert Wehrpflichtige nicht an Ukraine aus orf.at, 8. September 2023, abgerufen am 8. September 2023.